Beim allerersten Mal – Vanda am Theater Osnabrück
|
|
Bevor Antonín Dvořák mit seiner Komponistenkarriere durchstartete, spielte er im Orchester des Tschechischen Interimstheater Prag die Erste Bratsche. Dort erhielt er vom damaligen Ersten Kapellmeister - keinem Geringeren als Bedřich Smetana - das Angebot, für das Haus eine Oper zu schreiben. Der junge Dvořák sagte begeistert zu, suchte nach einem geeigneten Stoff und fand ihn (oder vielmehr sie) in einer polnischen Sage - Wanda. Leider hatte er mit dem Mädel wenig Glück: Zwischen Uraufführung (17. April 1876) und letzter Vorstellung stand Vanda dreimal auf dem Spielplan; eine stark gekürzte Fassung wurde nach nur vier Aufführungen aus dem Programm gekickt, und im 20. Jahrhundert tauchte das Werk an lediglich drei tschechischen Theatern auf. Ein rauschender Erfolg sieht anders aus. Trotzdem muss das nichts über die Qualität der Oper aussagen. Nun hat sich das Theater Osnabrück als erstes deutsches Haus an eine szenische Vanda gewagt…
Zu Beginn der Handlung wird der Tod des Fürsten von Krakau betrauert; sein politisches Erbe soll Tochter Vanda antreten. Diese tut sich damit aber verdammt schwer. Nicht nur, dass so eine Fürstenkrone viel wiegt und eine hohe Verantwortung mit sich bringt, nein, nun stürzen auch noch von überall Männer heran, die um ihre Hand anhalten. Zudem droht ein Krieg mit den Deutschen. Bei der Lösung dieser Probleme wird Vanda von ihrer Schwester Božena und der Jugendliebe Slavoj unterstützt. Hingegen scheint der ständig querschießende Hohepriester eher eigene Interessen zu verfolgen. Als es tatsächlich zum Krieg kommt, schwört Vanda, bei einem Sieg in die Weichsel zu springen. Polen gewinnt die Schlacht - und verliert seine Königin.
Dvořák hat in seiner Partitur dramatisch auflodernde Inseln in ein Meer des Wohlklangs getupft. Die Farben sind schillernd, der Rhythmus kraftvoll. Was die Musik aber erst spannend macht, sind die kleinen Motive, die Dvořák immer wieder hervorkramt und wie Puzzelteile dreht und wendet, bis diese perfekt in das jeweilige Stimmungsbild passen. Für das Osnabrücker Symphonieorchester dürfte es eine harte Probenzeit gewesen sein, doch es hat sich gelohnt: Unter dem Dirigat des beherzt zupackenden wie unbeirrt vorwärtsdrängenden Daniel Inbal wird an schönsten Einzelheiten gewerkelt und eine klangpralle, mitreißende Wiedergabe dargebracht, besonders vom Blech.
Mit ihren anspruchsvollen Arien und monströsen Chortableaus verlangt das Stück eine Hammerbesetzung - und diese wird auch aufgeboten: Lina Liu besitzt einen technisch versierten (man könnte auch sagen: mechanischen) Nachtigallensopran mit herrlichen Koloraturen und wunderbar aufblühenden Höhen; Per Håkan Precht ist ein exzellenter Slavoj, zutiefst lyrisch und dennoch kernig; Susann Vent überzeugt als traumatisierte Božena; Almerija Delic als idiomatisch tönende Homena und Daniel Moon als grundsolider Roderich legen tolle Auftritte hin, und auch Chor und Extrachor bieten eine berückend konzentrierte Leistung. Nur der bräsig-brummelnde Hohepriester von Oleg Korotkov missfällt.
Ein wirklich negativer Punkt ist die wenig sinnstiftende Regie von Robert Lehmeier. Diese wirft nämlich vielmehr Fragen auf, statt welche zu beantworten. Nur zu gern möchte man wissen, worin eigentlich die dramaturgische Notwendigkeit der OP-Lampe besteht, die geschlagene fünf Akte in der Bühnenmitte hängt; weshalb der Hohepriester so eine peinliche Wrestling-Maske tragen muss, und warum man der Hauptdarstellerin nicht mehr abgewinnen konnte als nur diesen einen Gesichtsausdruck. Auf dem Weg ins Foyer fantasiert man kurz, was wohl ein Christof Loy mit dieser Königin angestellt hätte…
|
Vanda am Theater Osnabrück - Foto (C) Jörg Landsberg
|
Bewertung:
|
Heiko Schon - 19. März 2014 ID 7687
VANDA (Theater Osnabrück, 15.03.2014)
Musikalische Leitung: Daniel Inbal
Inszenierung: Robert Lehmeier
Bühne/Kostüme: Tom Musch
Dramaturgie: Ulrike Schumann
Besetzung:
Vanda … Lina Liu
Božena … Susann Vent
Slavoj … Per Håkan Precht
Hohepriester … Oleg Korotkov
Lumir … Jan Friedrich Eggers
Homena … Almerija Delic
Roderich … Daniel Moon
Bote des Roderich … Jong-Bae Bu
Ausrufer … Tadeusz Jedras
Ein Ritter … César del Rio
Erster Ritter … Mario Lee
Zweiter Ritter … Ji-Seong Yoo
Osnabrücker Symphonieorchester
Chor, Extrachor und Statisterie des Theaters Osnabrück
Choreinstudierung: Markus Lafleur
Premiere war am 15. März 2014
Weitere Termine: 19., 26., 30. 3. / 4., 24. 4. / 8., 16., 22. 5. 2014
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-osnabrueck.de
Post an Heiko Schon
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|