Elsa Bernstein nannte sich
Ernst Rosmer, und dem
Humperdinck gelang (trotz "ihm")
ein irres Stück Musiktheater
Konzerte unter Ingo Metzmacher und Zubin Mehta
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Ingo Metzmacher war, ist und bleibt wohl eindeutig einer der besten Operndirigenten dieser Welt! Schloss man die Augen und bemühte das Erinnerungsvermögen (das Gedächtnis funktioniert ja visuell), war man geneigt gewesen, sich in Hamburg aufzuhalten, wo ihm - meist mit Regisseur Konwitschny - diese Dutzenden an Ausgrabungen oder Neusichtweisen kongenial gelangen. Auch den unterwassergleichen Parsifal von Robert Wilson hatte er dortselbst, bei dessen Wiederaufnahme, vor ein paar Jahren dirigiert; Klaus Florian Vogt sah/hörte ich da erstmals... So besetzte er ihn auch als Königssohn in einer konzertanten Aufführung der Königskinder durch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, dessen Chef er ja jetzt ist.
Wieso hat diese Märchenoper eigentlich nicht eines der drei Opernhäuser in Berlin in seinem Repertoire? Je nach dem szenischen bzw. musikalischen Gelüst würde sie dann im kleinen wie im großen Rahmen passen; Homoki, zum Beispiel, hatte sie ja schon sehr schön in München an der Staatsoper herausgebracht. Mit andern Worten: Dieses Machwerk schreit nach Bildern!
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Und ein Machwerk ists in jedem Falle, denn: Der Text stammt von Frau Bernstein, einer ziemlich dilettierenden Hausfrau mit Hobbydichtereiallüren, die sich (wie/warum auch immer) als Herr Rosmer ausgab - spannende Geschichte; taugte sicherlich als Stoff für einen schönen Kitschroman; und ihr Libretto hat so bisschen mit dem deutchen Kunstmärchen, also als Genre, irgendwie zu tun, obgleich nicht Fisch/nicht Fleisch, egal auch; ihre Holperstory liest sich runter, und man hörte es im Saal; also es wurde in dem mitgelieferten Text-Skript auf 16 Seiten im A4-Format, und quasi in der Gruppe, immer an den rechten Stellen umgeblättert, dass es nur so rauschte in dem Blätterwald; und hoffentlich kriegt das die Tontechnik, die diese Aufführung für 'ne CD-Box mitgeschnitten hatte, filtermäßig wieder raus.
Am nachhaltigsten freilich: die Musik von Humperdinck! Das Opus hat an und für sich sehr optimistischen Charakter, und obgleich das Königskinderpaar am Schluss der Handlung jämmerlich an einem fiesen Brot verreckt; das klingt zum Heulen schön... also wie sie sich dann, der Junge und das Mädchen, nach und nach ins süße Himmelreich "erhöhen"; könnte ich mir Stunden lang dann anhören!
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Besetzungsmäßig delikat hoch neunundneunzig: Vogt & Banse = Traumpaar!! Gerhaher erhielt die stärksten Ovationen, sang und spielte für die Gänsehaut! Hörl (der im Part des Holzhackers kurzfristig für 'nen andern eingesprungen war) hätte sich bei Kurt Moll ausbilden lassen; und er klang auch so, also wie Moll (oder Salminen?), jedenfalls, wenn man ihn hörte, dachte man sich so, an "neuen" Bässen mangelts wahrlich nicht in diesem Land! Nur Schnaut (als Hexe) tat versagen, und zwar gründlichst, in den Tiefen knatterts, gut, da kann sie nix/nix mehr dafür, aber vom Text her war bei ihr auch nicht ein halbes Wort dann zu verstehen, desaströs... / Der Rundfunkchor Berlin steuerte seine erstklassigen Sanges- und Gestaltungskünste bei; im Zweiten Akt kommen ja Stellen vor, da denkt man, huch! bin ich jetzt auf der Meineid-Hochzeit in der Götterdämmerung? // Auch der Berliner Mädchenchor sang bestens einstudiert. /// Das DSO erwies sich einmal mehr auch als perfekt in Sachen Oper.
Wahnsinnsaufführung. Tosender Beifall.
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Wahnsinnsaufführung, tosender Beifall auch in in puncto Mahlers Dritte unter Zubin Mehta. Die Berliner Philharmoniker spielten nicht nur, sondern sie führten dieses Mahler-Schauspiel "optisch" auf. Und unser Einer - Nachbarn auch, ich habs genau gesehen - machte halt dabei die Augen zu und ließ das ganze Sommerstück über sich ziehen... wie als wäre es ein etwas aufgeschrecktes Wetterlüftchen, mit viel Abwechslungen (Sturm und Regen und ein bisschen Militärmusik im Hintergrund etc. pp.); ja und dem alten Nietzsche sein so saublöd herkommendes "Mensch gib Acht" oder so ähnlich, dieses sog. Nachtgedicht des Zarathustra - Nietzsches Zarathustra, dieser esoterisch ausufernde Philosophenquark, ist wohl das einzige der Werke Nietzsches, was man überhaupt nicht lesen kann, ohne über das Übermenschgeseiere zu kotzen - , das Lioba Braun so herrlich warm und über alle Maßen textverständlich darbot, störte dann in dem Gesamtgefüge überhaupt nicht mehr... ja, diese Sinfonie - ists nicht die längste Mahlers? - könnte man auch sehr naiv und wohl gemütlich als so eine Art von Peter und der Wolf für kundige Konzertbesucher nennen, denn: Der Reihe nach werden die Instrumente oder Instrumentengruppen dieses beinah hundertköpfigen Orchesterapparates Stück um Stück mit herrlich-enprägsamen Solis sozusagen vorgeführt. Nach Mahlers Dritter weiß ein jeder, dass es auch mitunter die Posaune und das Posthorn, beispielsweise, bei den Philharmonikern zu hören gäbe.
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Nach dem sechsten, also letzten Satz, wird der Verstand zugunsten eines manischen Gefühls(ausbruchs), für angemessen kurze Zeit zwar nur, doch immerhin, in den persönlichen Papierkorb abgelegt. Eine so kulinarisch wie fast pathologisch scheinende Bauch-Herz-Symbiose; gottlob konnte ich mich diesmal mit dem Enthusasmusschrei zurückhalten; jedoch - es fiel schon schwer!!
Ja, unvergesslich.
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Andre Sokolowski - 23. Dezember 2008 ID 4150
https://www.andre-sokolowski.de
Humperdincks Königskinder (Philharmonie Berlin, 15.12.2008)
Besetzung:
Klaus Florian Vogt (Der Königssohn)
Juliane Banse (Die Gänsemagd)
Christian Gerhaher (Der Spielmann) G
abriele Schnaut (DIe Hexe)
Andreas Hörl (Der Holzhacker)
Stephan Rügamer (Der Besenbinder)
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Nicolas Fink)
Berliner Mädchenchor
(Choreinstudierung: Sabine Wüsthoff)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Ingo Metzmacher
Mahlers Dritte (Philharmonie Berlin, 22.12.2008)
Lioba Braun, Alt
Damen des Rundfunkchors Berlin
(Choreinstudierung: Robin Gritton)
Tölzer Knabenchor
(Choreinstudierung: Gerhard Schmidt-Gaden)
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Zubin Mehta
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