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ALPHAVILLE

Benefizkonzert feiert Leben mit Autismus


Marian Gold, Leadsänger von Alphaville, eröffnet das Konzert mit einem Gespräch mit Radiomoderator Thomas Dogen über den Verein Leben mit Autismus Bonn/ Rhein-Sieg/ Eifel | Foto © Ansgar Skoda


Autismus ist für viele Menschen ein Tabuthema, weil sie nicht damit umgehen können. Der Hilfeverein Leben mit Autismus e.V. in Rheinbach feierte am 25. Mai sein zehnjähriges Bestehen. Das Fest mit ganztägigem Programm, Ausstellungen und verschiedenen Aktionen von Autisten wurde durch ein Live-Konzert gekrönt. Die bekannte deutsche Pop-Band Alphaville trat im Rahmen ihrer Forever Young-Tournee zugunsten des Vereines in der Rheinbacher Stadthalle auf. Als Vorband spielte Courage, die Band des Autismus-Vereines, die auch zusammen mit Alphaville den Hit „Big in Japan“ performte.

*


Marian Gold, Mitgründer und Sänger von Alphaville, war bereits nachmittags während des Festes zugegen und beantwortete im Vorfeld auf dem Festgelände einige Fragen. Sein 17-jähriger Sohn leidet unter dem Asperger-Syndrom und wird im Verein betreut:

„Es ist unglaublich, was dieser Verein für alle Betroffenen leistet. Das passiert ausschließlich aus der Initiative dieser privaten Menschen, die sich im Verein engagieren. Einige Männer und Frauen habe ich kennengelernt und erleben können, wie sie mit den betroffenen Kindern arbeiten. Es ist eine großartige Arbeit. Ich glaube, dass da Kenntnisse vermittelt werden, die später eine weitere Verbreitung finden. Es wird therapeutisch immer wieder Neues probiert und gewonnene Erkenntnisse können anderen Vereinen und Initiativen helfen.“

Gold erklärte, es erfülle ihn mit „Stolz und Freude“ mit seinem Sohn auf der Bühne zu stehen, der in der Band Courage mitmusiziert:

„Es bedeutet mir hier mehr als irgendeine andere Bühne auf der Welt. Das kann man nicht miteinander vergleichen. Ich nehme Autismus bei meinem Sohn nicht als Krankheit wahr. Es ist ein Teil von ihm. Das Menschen damit nicht umgehen können, da kann ich mich nur einschließen. Es ist vollkommen normal, dass man damit erst einmal nicht umgehen kann. Man muss sich darauf einlassen und versteht nach und nach etwas darüber. Mein Sohn ist immer noch in vielen Punkten für mich ein klares Rätsel. Ein bisschen was habe ich über ihn verstanden; seine Mutter bestimmt noch mehr. Es ist ein ständiger Lernprozess. Aufgrund seiner Problematik ist es eine sehr besondere Beziehung. Das spielt überhaupt nicht in meine Gefühle rein. Für mich ist das ein Teil seiner Persönlichkeit. Daran kann man nichts ändern. Das wird immer so bleiben. Das ist der wichtigste Punkt. Wenn man ein Kind hat und feststellt, dass es so ein Problem hat, dann muss man das erst einmal akzeptieren. Am Anfang denkt man noch, ja, vielleicht gibt es noch Therapien. Das es anders und besser werden wird. Vielleicht kann es das ja auch. Aber was ist, wenn es nicht so ist? Was ändert das? Gar nichts. Das spielt keine Rolle.“

* *

Marian Gold eröffnet das Konzert mit einem Gespräch mit Peter Schumacher, dem Geschäftsführer des Vereins, der selbst mit seinem von Autismus betroffenen Sohn die Bühne betritt. Auch der Radiomoderator Thomas Dogen beteiligt sich am Gespräch. Eine Diashow mit Fotos von der Vereinsarbeit stellt den gemeinnützigen Verein vor. Es wird u.a. erklärt, dass Menschen mit Autismus eine reizarme Umgebung brauchen und dass es viele unterschiedliche Arten des Autismus gibt. Gegen 20 Uhr performt Courage unter der Leitung von Udo Seehausen in der Rheinbacher Stadthalle Klassiker wie „Englishman in New York“ von Sting oder den „Earth Song“ von Michael Jackson als Instrumentalversionen mit vielen Schlaginstrumenten.



Alphaville spielt ihren Hit „Big in Japan“ zusammen mit Courage, der Band des Autismus-Vereins | Foto © Ansgar Skoda


Der erste Höhepunkt des Konzertes ist, wenn sich die Band von Alphaville um Courage herum postiert und gemeinsam mit Courage ihren Hit „Big in Japan“ performt. Auf einer Großbildleinwand werden im Bühnenhintergrund kurze Filmsequenzen und Schriftzeichen aus Japan eingeblendet. Auch der Nummer-Eins-Hit „Big in Japan“, den Gold zusammen mit der Ursprungsbesetzung der Band Frank Mertens und Bernhard Lloyd 1984 schrieb, hat eine eigene Geschichte und wurde unzählige Male gecovert, u.a. von Sandra, den Guano Apes oder Ash. Im Gespräch erklärt Gold: „Es ist ein Phänomen, dass diese Lieder schon von so viel anderen tollen Künstlern gecovert worden. Gottseidank war mir nicht bewusst, als wir die Songs geschrieben haben, was daraus wird. Coveranfragen von anderen Künstlern wie Beyoncé empfinde ich immer als eine Art Liebesbrief.“ Unter den dichtgedrängten Besuchern befinden sich viele ehrenamtliche Vereinsmitglieder und Menschen mit Behinderung. Der vordere Bereich ist abgetrennt und bietet Sitzmöglichkeiten und Platz für Rollstuhlfahrer. Nach dem etwa zwanzigminütigen Auftritt von Courage gibt Alphaville mit fünfköpfiger Bandbesetzung (Namen und Instrumente siehe unten) ein sichtlich bewegtes, sehr temporeiches und lebendiges Konzertes. Neben bekannteren Titeln wie „Sounds like a melody“ werden auch Songs wie „To Germany with love“ performt. Im Gespräch betont Gold den poetischen Reifegrad der Lyrics seiner Songs: „Es war von Anfang an immer so, dass mir die Texte sehr wichtig waren. Die Texte mussten für mich stimmig sein. Es zahlt sich nach 35 Jahren tatsächlich aus, ich kann die Songs immer noch guten Gewissens singen, weil ich noch voll dahinter stehe. Auch hinter den Irrtümern. Meine Meinung hat sich über die Zeit hinweg geändert. Einen Song, wie 'To Germany with love', den könnte ich heute nicht mehr so schreiben. Aber die Thematik und Perspektive auf dieses Thema finde ich nach wie vor sehr interessant. Deswegen kann ich mich hinstellen und das singen.“

Während der Performances werden auf der hinteren Bühnenwand Bilder eingeblendet, die mal die Band in Videoclips in der Ursprungsbesetzung vor 35 Jahren zeigt, oder mit bewegten Bildern den Inhalt des Songs porträtiert. Marian Gold, der mit dem Konzert auch in seinen 65ten Geburtstag hineinfeiert, ergreift immer wieder das Wort. So verweist er Mal auf die Europawahl am nächsten Tag: „Wir sollten alle dankbar sein, dass es diese Wahl gibt. Europa hat uns allen mehr als siebzig Jahre lang Frieden hier geschenkt.“ Mit Blick auf die Fridays for Future-Bewegung warnt er vor der Ignoranz einiger Politiker: „Ich finde es großartig, dass junge Menschen Freitags wegen der Klimaveränderung auf die Straße gehen und ihre Stimme erheben. Da gibt es Politiker, die sagen, denkt an eure Zukunft und bleibt auch freitags in der Schule. Das ist Bullshit, denn der Protest richtet sich ja gerade gegen diese Politiker, die nicht an die Zukunft denken, die sie selbst nicht mehr erleben werden.“



Marian Gold, Leadsänger und Frontmann der Band Alphaville | Foto © Ansgar Skoda


Die aktuelle Konzerttournee von Alphaville steht unter dem Motto Forever young, des wohl bekanntesten Titels von Alphaville. „Forever young“ ist vielleicht eines der ganz wenigen Lieder, das emotional berührt und es dabei nicht um die Liebe zu einem imaginären anderen Menschen geht, sondern um das eigene Leben mit einem Blick nach vorne oder auch zurück. Bei der Performance dieses Welthits lädt Marian Gold alle Besucher ein, den Refrain mitzusingen. Das 80er-Jahre-Stück ist im Text stark von den politischen Zusammenhängen seiner Zeit geprägt, von der atomaren Bedrohung, Ronald Reagan und dem Ost-West-Konflikt. Marian Gold meint im Gespräch, dass er gegen die Umbrüche dieser Zeit das Thema Immortalität und ewige Jugend stellen wollte, was eine riesengroße Illusion ist. Das Stück verherrlicht dabei nicht die Idee der ewigen Jugend, denn es heißt ja im Refrain: „Do you really want to live forever?“ Der Hintergrund für die Entstehung des Songs war dabei denkbar banal, so Gold: „Mein damaliger Mitstreiter Bernd gab mir ein Tape, was er mit Frank – damals der dritte im Bunde – aufgenommen hatte, eine Uptempo-Version mit nur Musik. Er sagte, kannst du darauf einen Text singen? Ich zog mich eine Dreiviertelstunde zurück und schrieb diesen Text runter. Er ist im Großen und Ganzen so geblieben. Ich stand dann mit dem Mikro im Treppenhaus, weil wir uns kein Hallsystem leisten konnten. Der Hall des Treppenhauses ließ die Stimme schöner klingen.“

Während des Konzertes merkt man Alphaville den großen Spaß bei der Performance an. Gold, der sich auch körperlich im Laufe seiner fast vierzig jährigen Künstlerkarriere verändert hat, bewegt sich auf der Bühne behände und mit tänzerisch eleganten Bewegungen. Trotz dieser Beweglichkeit sieht er seinen 65ten Geburtstag ein bisschen mit geteilter Meinung: „Man muss das Alter einfach ignorieren. Ich ignoriere das Älterwerden. Toll finde ich es immer noch nicht. Du bist auf der anderen Seite des Lebens. Du kannst machen was du willst. Es geht immer nur bergab.“ Andererseits halten ihn jährlich 30 bis 50 Gigs überall in der Welt seit 1995 auch geistig jung und fit (nächste Konzerttermine siehe ganz unten). Und inspiriert zu neuen Songs wird Marian Gold auch weiterhin insbesondere von den anderen vier Bandmitgliedern: „Generell bin ich immer mit der Band zusammen meinen eigenen Weg gegangen. Die Musiker in der Band haben den größten Einfluss auf mich.“ Ein großartiges, sehr persönliches Konzert auch mit einigen neueren Songs.


Bewertung:    



Abschlussapplaus für Alphaville | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 30. Mai 2019
ID 11448
ALPHAVILLE (25.05.2019, Stadthalle Rheinbach)
Bandbesetzung:
Marian Gold, Vocals
Carsten Brocker, Keyboards, Machines
Dave Goodes, Gitarren
Jakob Kiersch, Schlagzeug
Alexandra Merl, Bass

Nächste Tourneedaten:
31.05. | Ibiza (Spanien)
01.06. | Timișoara (Rumänien)
14.06. | Brumunddal (Norwegen)
28.06. | Trallaus Festival (Norwegen)
29.06. | Bad Bocklet Festival, Unterfranken (Bayern)
16.07. | Palanga (Litauen)
20.07. | Sieradz (Polen)
27.07. | Löffingen (Baden Württemberg)
08.08. | Meran (Italien)
10.08. | Zator (Polen)
17.08. | Kaepää (Estland)
24.08. | Schwarzenberg (Sachsen)


Weitere Infos siehe auch: https://www.alphaville.info/


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