Ingo Metzmacher hatte für Schuberts LAZARUS-Fragment erlesene Solisten aufgetrieben und erlesenen Geschmack bewiesen / DSO ist, trotz der derzeitigen Chefvakanz, in Topform
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Das DSO (heißt ausgeschrieben: Deutsches Symphonie Orchester) scheint - wir waren gestern Abend Kronzeuge - in Toppform. Das erstaunt insofern, weil: Bis zum September nächsten Jahres muss es die Vakanz des Chefpostens durch "eignes" Können wettmachen; aber die besten der Orchester spielen ohnehin, falls/wenn sie ohnehin schon immer gut waren, auch ohne Dirigenten gut... Es sei an dieser Stelle an die Kapitulation von Ingo Metzmacher (Chefdirigent des DSO von 2007 bis 2010) erinnert; er schmiss, und egal aus welchen Gründen, einfach hin und ließ den Laden sausen - gestern stand er wieder vor den Musikern am Pult. So bauchspontane Wechsel werden, meistens jedenfalls, nie weiter voreinander krumm genommen.
Schuberts Lazarus-Fragment stand nach der Pause auf dem Plan. Davor gabs L'Ascension von Messiaen. Die Komponisten hatten Beides 23jährig abgefasst; zwei Jugendstücke also.
Und das Metzmacher'sche Faible für Messiaen im ganz Besonderen machte sich, wie durch das Orchester hörbar wurde, ziemlich kund. Es ist ein übersichtliches und stark auf Emotion bedachtes frühes Werk von Messiaen; danach hätte er 14 Jahre nichts Sinfonisches mehr aufs Papier gebracht. Das DSO versorgte uns mit einem klaren, klug dosierten Klang.
Im Lazarus nun haben wir es mit 'ner schlichten Grablegung im engsten familiären Kreis zu tun. Die beiden Schwestern des bei Schubert unleidlich und untragisch dahinbleichenden "Helden" der Geschichte jenes Religiösen Dramas in drei Akten / Text von August Hermann Niemeyer, Maria (Marlis Petersen) und Martha (Sandra Trattnigg) sowie Bruder Nathanaiel (Werner Güra) sind in summa die drei Livebegleiter des erfolgt-erfolgreichen Dahingeblichenseinsvorgangs vom alten Lazarus (Steve Davislim). Nachdem das Alles schließlich miteinander ausgestanden war, erfolgt auch prompt die auferstehliche Verkündigung durch Jairus' Tochter Jemina (Martina Janková). Und auch der Sadduzäer Simon (Gerald Finley) spielt in diesem bibelstoffverarbeitenden Stück Musiktheater oder Oratoriumsoperette mit... / Und koppelt man den ganzen Textschwulst ab, bleibt letzten Endes dennoch eine traumschön-traurige Musik von Schubert, der es ausgerechnet hier, also in diesem unfertigen Jugendwerk von ihm, zu einer abgeklärten künstlerischen Reife brachte, die (für seine damals 23 Jahre) schon erstaunlich war und ist. Nichts wirkt da unecht oder aufgetragen. Sein Instrumentarium scheint sich permanent nur auf das Allernötigste zu konzentrieren - den Gesangssolisten kommt die Art zu musizieren sehr zu passe... // Der Ernst Senff Chor hatte ein paar kurze, aber einprägsame Einsätze zu absolvieren.
Starker Beifall.
Andre Sokolowski - 26. September 2011 ID 5403
DEUTSCHES SYMPHONIE ORCHESTER (Philharmonie Berlin, 25.09.2011)
Messiaen: L'Ascension
Schubert: Lazarus, Oratorium für Soli, Chor und Orchester (Fragment)
Marlis Petersen (Maria)
Sandra Trattnigg (Martha)
Martina Janková (Jemima)
Steve Davislim (Lazarus)
Werner Güra (Nathaniel)
Gerald Finley (Simon)
Ernst Senff Chor Berlin
(Choreinstudierung: Steffen Schubert)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Ingo Metzmacher
Siehe auch:
http://www.dso-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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