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Premierenkritik(en)

Suggestions-Soge

beim alten Janáček



Brigitte Geller als DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus

Das schlaue Füchslein und Aus einem Totenhaus haben das große Thema der Vergänglichkeit. Die beiden Opern trennen sieben Jahre, ungefähr. Der Komponist hatte die Uraufführung seines Letztwerks (Totenhaus) nicht mehr erleben können. Überhaupt war das Jahrzehnt vor seinem Tod sein kreativstes; und so zählen Kabanová / Makropulos, die Glagolitische Messe und die Sinfonietta, aber auch die beiden Streichquartette und das Violinkonzert-Fragment dazu. Musik von Janáček braucht sowieso einen erwachseneren Hörer. Sie erschließt sich nicht sogleich. Aber sobald du sie erst mal "begriffen" hast, kommst du nicht von ihr los. Sie ist nie vordergründig innig. Ihre Ungefälligkeit macht sie so glaubhaft. Sie scheint völlig resistent gegen den allgemeinen Zeitgeist.

Einen - und in jeder Hinsicht - anspruchsvollen Eindruck von dem Obigen vermittelten jetzt die zwei Spielzeit-Auftakte sowohl in der Komischen Oper Berlin (mit Füchslein) als auch in der Staatsoper im Schiller Theater (mit Totenhaus)...



Fuchs und Füchsin ohne Fuchskostüm! Andreas Homoki pendelt in seiner Sichtweise der Janáček-Oper zwischen Traum und Wirklichkeit und stellt das Fabulöse der Geschichte einleuchtend heraus - Foto (C) Monika Rittershaus


Andreas Homoki (Regie) versammelt alle Tiere und Menschen aus dem Schlauen Füchslein in die Wirtshausstube seiner Handlung. Christian Schmidt (Gesamtausstattung) hat sie ihm, gleich dreifach, auf die Drehbühne gebaut; ja und dort dreht sie sich dann unaufhörlich im Uhrzeigersinn. Je hinten gibt der Bühnenbildner eine großzügige Ausschau durch zwei Riesenfensterflügel in den Wald - nur einmal nicht; da ist dann hinten alles zu, und man sieht nur die durchgängige Wandbetäfelung, also kein Fenster und kein Lichtblick: Was für'n unahnbar gewes'ner Schock!

Der Zeiten- und Befindlichkeitenfluss mittels der sich partout drehenden Bühne mit den ständig wechselnden und sich nur im Detail verändert habenden Ansichten von der Wirtshausstube zwingt beeindruckend zur Eile; und so wird diese plausibeler als sonst vernehmbare Erinnerungsmelancholie des Försters (den Jens Larsen imponierend singt und spielt) urplötzlich wie zu einem Lebenskampf auf Zeit, und man wird also zwangsläufig auf eigene Vital- und Endphasen des Erdendaseins hingestupst.

In diesem klugen Stück geht es ja eigentlich viel weniger um Tiere als vielmehr um die sie jagenden und haltenden und peinigenden Menschen - und so sehen wir (logischer Schluss) bloß Menschen, und die sehen halt dann manchmal so wie Tiere aus oder so ähnlich.

Es wird großartig gespielt, gesungen, musiziert - Brigitte Geller / Karoline Gumos (Fuchspaar), Chor (Tiere und Menschen) und Orchester (musikalische Leitung: Alexander Vedernikov) seien erwähnt!!!

* * *

Die aufwändige Produktion Aus einem Totenhaus (Regie: Patrice Chéreau / Bühne: Richard Peduzzi) hatte 2007 bei den Wiener Festwochen Premiere. Seither tourte sie umher. Nach Amsterdam, Aix-en-Provence, New York und Mailand ist dann in Berlin jetzt erst mal Schluss. Viel wurde über sie geschrieben und geredet. Die Begeisterungen waren allseits sowie allzeit manifest. Nun hat sich - was für ein beglückendes Finale - Simon Rattle ihrer angenommen; und so wollen wir uns daher vordergründig auf den musikalischen Gehalt von ihr beschränken:

Es gibt keine Ariosi, keinen Wohlklang, keine rührseligen Sentiments in diesem dreiaktigen Männerstück, das mehr vielleicht dem Oratorischen anstatt der Oper strukturell verhaftet ist. Und dennoch fließt und harmoniert und rührt diese Musik. Ja und wer Ohren hat zu hören, kann (und muss!) das absolute Energiezentrum im Orchestralen suchen und auch finden - Rattle wusste schon, weswegen er sich für das Totenhaus entschloss.

Wir konstatieren also eine Interpretation insonders durch die Staatskapelle Berlin, welche so ohne Weiteres, vermuten wir, von selten einem anderen Orchester, und in diesen edelsteinernen Brillanzen, übertrumpft sein dürfte - filigran-präzis bishin zum Spinnweben, hart-kantig bis zum körperlichen Schmerz und insgesamt doch vollmundig und warm!!!

Gesanglich profitiert die Aufführung durch exklusives Personal, allen voran zum Beispiel Williard White (Gorjantschikow), Eric Stoklossa (Aleja), Štefan Margita (Luka), John Mark Ainsley (Skuratow), Pavlo Hunka (Schischkow) oder Jiří Sulženko (Platzkommandant). Der Chor der Deutschen Staatsoper Berlin: superb wie eh und je!

Ein Staatsereignis.




Männer spielen Frauen in der Sicht Patrice Chéreaus für Dostojewskij/Janáček\'s AUS EINEM TOTENHAUS - Foto (C) Ros Ribas

Andre Sokolowski - 3. Oktober 2011
ID 5415
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN (Komische Oper Berlin, 02.10.2011)
Deutsche Textfassung von Werner Hintze
Musikalische Leitung: Alexander Vedernikov
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild und Kostüme: Christian Schmidt
Licht: Rosalia Amato
Besetzung:
Füchsin Spitzohr ... Brigitte Geller
Der Förster ... Jens Larsen
Die Försterin/Die Eule ... Caren van Oijen
Der Schulmeister/Der Hahn ... Andreas Conrad
Der Pfarrer/Der Dachs ... Frank van Hove
Harasta ... Carsten Sabrowski
Der Fuchs ... Karolina Gumos
Der Dackel ... Katarina Morfa
Die Wirtin ... Ariana Strahl
Chor der Komischen Oper Berlin
(Choreinstudierung: André Kellinghaus)
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 2. Oktober 2011
Weitere Termine: 7., 11., 15., 23. 10. / 4., 9., 26. 11. / 4., 16. 12. 2011 / 7. 7. 2012
http://www.komische-oper-berlin.de

AUS EINEM TOTENHAUS (Staatsoper im Schiller Theater, 03.10.2011)

Musikalische Leitung: Simon Rattle
Inszenierung: Patrice Chéreau
Bühnenbild: Richard Peduzzi
Kostüme: Caroline de Vivaise
Licht: Bertrand Couderc
Besetzung:
Alexander Petrowitsch Gorjantschikow ... Willard White
Schischkow ... Pavlo Hunka
Aleja, ein junger Tatar ... Eric Stoklossa
Filka Morozow im Gefängnis als Luka Kusmitsch ... Štefan Margita
Der große Sträfling ... Peter Straka
Der kleine Sträfling ... Vladimír Chmelo
Der Platzkommandant ... Jiří Sulženko
Der ganz alte Sträfling ... Heinz Zednik
Der Koch ... Alfredo Daza
Der Pope ... Arttu Kataja
Skuratow ... John Mark Ainsley
Tschekunow ... Ján Galla
Der betrunkene Sträfling ... Florian Hoffmann
Der junge Sträfling ... Olivier Dumait
Dirne ... Susannah Haberfeld
Ein Sträfling in der Rolle des Don Juan und des Brahminen ... Ales Jenis
Kedril ... Marian Pavlovič
Schapkin ... Peter Hoare
Tscherewin ... Stephan Rügamer
Chor der Deutschen Staatsoper Berlin
(Choreinstudierung: Eberhard Friedrich)
Staatskapelle Berlin
Eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Holland Festival, Amsterdam, dem Festival d’Aix-en-Provence, The Metropolitan Opera New York und dem Teatro alla Scala di Milano
Berliner Premiere war am 3. Oktober 2011
Weitere Termine: 6., 9., 11., 14., 17. 10. 2011
http://www.staatsoper-berlin.de

Weitere Infos siehe auch: http://www.leos-janacek.org


http://www.andre-sokolowski.de



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