9. März 2014 - Neue Flora Hamburg
DAS PHANTOM DER OPER
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Matthias Edenborn als Das Phantom der Oper in der Neuen Flora Hamburg - Foto (C) Morris Mac Matzen
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Ach, was soll’s. Kramen wir noch einmal die lieb gewonnenen Anekdoten hervor, denn so ein Opernhaus wie das Palais Garnier ist ja auch ein Ort der Erinnerungen. Zum Beispiel die, dass man beim Ausbuddeln fürs Fundament auf einen unterirdischen Seitenarm der Seine stieß und seitdem die Pariser Feuerwehr regelmäßig beim Intendanten klingeln muss, um das Grundwasser im Keller abzupumpen. Oder dass es während der ersten Vorstellungen in den Katakomben lautstark rumorte. Als später auch noch das Gegengewicht eines tonnenschweren Kronleuchters heruntersauste und eine 56jährige Französin unter sich begrub, ersann Gaston Leroux eine Erklärung für diese mysteriösen Ereignisse. Nein, kein Pfusch am neobarocken Bau sollte dafür die Schuld tragen, sondern ein Phantom, welches über dunkle Flure huscht und einer attraktiven Dame aus dem Chor nachstellt. Sir Andrew Lloyd Webber schuf aus der Romanvorlage das erfolgreichste Musical aller Zeiten; Anna Maria Kaufmann und Peter Hofmann (Gott hab ihn selig!) brillierten in der deutschen Erstaufführung. Diese fand 1990 in Hamburg statt, und zwar im eigens dafür erbauten Theater Neue Flora. Nach elf Jahren und 4400 Shows gönnte man dem Stück eine Verschnaufpause. Nun steigt seit vergangenem November wieder der Lüster empor, flackern Kerzen, wabern Nebel: Ganz nah ist das Phantom der Oper da.
Zunächst einmal fällt ins Auge, dass sich der Herr verdammt gut gehalten hat, denn er sieht immer noch so aus wie in den späten Achtzigern. Alles andere hätte uns auch sehr verwundert. Dafür ist das Ganze technisch auf dem allerneuesten Stand. Auf der Bühne flutscht es wie geschmiert (da rumpelt nix), die Akustik ist hervorragend (da knistert nix), und auch das Orchester ist überaus präsent, obwohl in einer personell deutlich zusammengestrichenen Fassung gespielt wird. Die Dreiecksgeschichte ist natürlich ein zeitloser Klassiker, doch die Rahmenhandlung hat heute einen etwas fahlen Beigeschmack. So wird die Oper mit ihren chargierenden Operndiven (Carlotta) und pummeligen Knödeltenören (Ubaldo) als antiquierte, wenn nicht gar tote Kunstform hingestellt. In der Realität sieht’s freilich anders aus…
Das atmosphärisch dichte Opening, die Bootsfahrt durch die Kellergewölbe, der Absturz des Kronleuchters kurz vor der Pause und der Maskenball zu Beginn des zweiten Aktes bilden die Höhepunkte des Abends. Die beste Nummer hat Webber freilich dem Phantom geschrieben, und Mathias Edenborn (grandioser Spieler! tolle Stimme!!) singt "Musik der Nacht" mit genau dem richtigen Tonfall, irgendwo zwischen tiefer Melancholie und viriler Leidenschaft. Valerie Link ist hingegen ganz die süße Zuckerpuppe: unschuldig, liebenswert - und mit einem glockenklaren Koloratursopran gesegnet. Dritter im Bunde ist der junge Nicky Wuchinger, der vor allem im Liebesduett ("Mehr will ich nicht von dir") zur Hochform aufläuft.
Ein kleiner Tipp zum Abschluss: Sollten Sie beim Kartenkauf die Wahl zwischen seitlichem Parkett und mittlerem Rang haben (was sich preislich nichts nimmt), dann entscheiden Sie sich lieber fürs Parkett. Andernfalls rate ich zur Mitnahme eines guten Feldstechers, um die Mimik der Darsteller und die Details der 400 Kostüme überhaupt erkennen zu können.
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Großer Maskenball im Phantom der Oper in der Neuen Flora Hamburg - Foto (C) Morris Mac Matzen
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Bewertung:
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Heiko Schon - 10. März 2014 ID 7662
DAS PHANTOM DER OPER (Neue Flora in Hamburg, 09.03.2014)
Dirigent: Hannes Schauz
Besetzung:
Phantom der Oper … Mathias Edenborn
Christine Daaé … Valerie Link
Raoul Vicomte de Chagny … Nicky Wuchinger
Monsieur André … Guido Gottenbos
Monsieur Firmin … Anton Rattinger
Carlotta Guidicelli … Debra Fernandes
Ubaldo Piangi … Raymond Sepe
Madame Giry … Michaela Christl
Meg Giry … Theano Makariou
Premiere war am 28. November 2013
Weitere Infos siehe auch: http://www.stage-entertainment.de/musicals-shows/das-phantom-der-oper-hamburg/
Post an Heiko Schon
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