BEETHOVEN-BRUCKNER-ZYKLUS II (21. Juni 2010)
Staatskapelle Berlin mit Daniel Barenboim (Solist und Dirigent)
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Ein markerschütterndes Solo-Buh, irgendwo von vorn (mit andern Worten ausgedrückt: frontal zu Daniel Barenboim, also so richtig dick und fett und höchstpersönlich an ihn selbst, und über das Orchester noch hinweg, gerichtet), schloss die Fünfte Bruckners ab. Es folgte selbstverständlich, wie sich denken lässt, ein unbarmherzig-zustimmender Bravochor aus allen Himmelsrichtungen; so eine Art von Kontra-Wut-Reflex, selbstredend durch die zahlenmäßig mächtigere Saalgruppe - "Masse und Macht" - gegen den Einzelstreuner, u. U. so eine Art von Steppenwolf, gerichtet und gezielt...
Die lauthalsige Sonderwertung dieses einen Menschen machte aber, wenn ich es mir richtig überlege, irgendwie doch einen Sinn; sie setzte den Fanalstoß ausgerechnet dann dorthin, von wo in letzter Zeit - ja, haben wir denn wirklich eine Bruckner-Renaissance? so viel wie heutzutage wurde/wird wohl Bruckner nie zuvor und überhaupt gespielt - maßstäbige bzw. Maßstab setzende Verlautbarungen zu dem unsäglichen Thema Bruckner-Sinfonien ausgingen. Und nicht nur die Berliner Orchester - auch, z. B. beim letzten Musikfest, internationale Konkurrenz spielte(n) das ganze Sinfonie-Oevre des merkwürdigsten aller Hochromantiker von A bis Z (also von 1 bis 9). Leute wie Blomstedt, Haitink, Gielen oder auch Janowski, Rattle, und in jüngster Zeit verstärkt Nagano, Thielemann und wie sie alle heißen... jeder dieser Herren hatte/hat dann irgendwie und irgendwas in puncto Bruckner mitzuteilen; und man könnte eigentlich dann "nur" zwei prinzipielle Werkauffassungen durch sie zur Kenntnis nehmen: eine akademische (in Sachen Kontrapunkt und so) und eine freizügigere (und also frei "nach Herzenslust"); sehr zugespitzt jetzt aufgeteilt, damit das Solo-Buh (s. o.) irgendwie verstanden werden würde.
Daniel Barenboim - natürlich ordnen wir ihn hier jetzt nirgends ein - hat Eines ganz ganz richtig und wie folgt gemacht: Das, was er gestern (Bruckners Vierte "Romantische") versuchte, nämlich dieses Schlichte von der Vierten generell zu entsimplifizieren, hat er heute "umgekehrt" gemacht. Das heißt, er hat der anmutigen und so überreligiös-hysterischen Gewuchtung jener Fünften spielerische Leichtigkeit und frische Tempi (inkl. starker Tempi-Wechsel; höre 1. Satz!) hinzugefügt oder das Beides aus ihr rausgeholt.
Die Fünfte ist doch schon ein starkes Stück; normaler Weise wird sie eigentlich nur solo in Konzerten für das Volk gespielt; bei Barenboim gehts halt dann immer etwas üppiger und ausschweifender zu; vielleicht, dass er sich sagt: Wenn ich es für euch aushalte, 2 Stunden 30 Minuten live zu spielen (Beethovens 3. Klavierkonzert können wir jetzt, mangels Zeit und Platz, nicht zusätzlich bewerten), dann könnt' ihr auch 2 Std. 30 min lauschend leise auf den Ärschen sitzen bleiben oder wie?!
Die Staatskapelle Berlin, ohne die die besten Ansätze und Theorien nicht verwirklicht werden könnten, spielte ihrem Chef die Weisen zu, die er - durch einen Wimpernschlag schon - wohlgefällig halt (von ihr) erwartet.
Einfach herrlich.
Andre Sokolowski - 22. Juni 2010 ID 00000004684
BEETHOVEN-BRUCKNER-ZYKLUS II
(Philharmonie Berlin, 21.06.2010)
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
Bruckner: Sinfonie Nr. 5 B-Dur (Originalfassung)
Staatskapelle Berlin
Solist und Dirigent: Daniel Barenboim
Siehe auch:
http://www.staatskapelle-berlin.de
Post an den Autor: soko@kultura-extra.de
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