Rachmaninow
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Ist die DVD ein geeignetes Medium für Musik? Hat sie Vorteile gegenüber der CD? Erbringt die visuelle Komponente etwas für die Aufzeichnung von Konzerten?
Wie so oft, gibt es keine universelle Antwort. Es kommt auf das Wie an. Bei einer intelligenten Kameraführung in Kombination mit einem präzisen Bildschnitt kann die DVD die Partitur sichtbar machen, indem sie einzelne Instrumentengruppen fokussiert. Sie erleichtert die Wahrnehmung der einzelnen Stimmen, der Machart einer Komposition. So verbildlicht im hier besprochenen Fall die DVD eindrucksvoll, wie Motive von einem Bläser zum anderen weitergegeben werden oder sich die Harfe in eine Lücke drängt. Die Einsätze eines Fugatos sind zugleich Sprünge von einer Kamera zu einer anderen. Auch das Dirigat kann im Idealfall das Gehörte ins Visuelle übersetzen. Wenn dann noch, wie in dieser 2019er Aufnahme des 3. Klavierkonzerts von Sergej Rachmaninow, ein Solist hinzukommt, erlauben dessen Körperbewegungen, seine Mimik und sein Griff in die Tasten ein genaueres Verständnis der Komposition.
Riccardo Chailly dirigiert das Lucerne Festival Orchestra. Am Steinway sitzt der russische Pianist Denis Matsuev, Jahrgang 1975.
Das Virtuosentum, das man mit Rachmaninow assoziiert, setzt Matsuev gleichsam als selbstverständlich voraus. Statt damit imponieren zu wollen, legt er sich bei den lyrischen Stellen des Klavierkonzerts ins Zeug, verleiht ihnen eine ungewöhnliche Sensibilität und Zärtlichkeit. Nicht so sehr dramatisch wie eher melancholisch klingt sein Klavier. Im zweiten Satz scheint Friedrich Hollaenders I"Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" durchzuschimmern, das freilich erst 21 Jahre nach dem Klavierkonzert entstanden ist.
Nach dem 3. Klavierkonzert spielt das renommierte Orchester Rachmaninows 3. Sinfonie – an just jenem Ort, an dem der Komponist selbst 80 Jahre zuvor diese Werke präsentiert hat. Rachmaninow ist ja fast ein „Sohn“ der Stadt Luzern. Für sieben Jahre wählte er in der Nähe, wo er eine Villa besaß, seinen Wohnsitz. Hier entstand auch die 3. Sinfonie. Mit ihren, wie bei Tschaikowski oder Mussorgski, unüberhörbaren folkloristischen Inspirationen erlaubt sie Chailly jene schwelgerischen Bewegungen, auf die er beim Klavierkonzert weitgehend verzichtet hat.
Die DVD enthält das komplette Konzert, und so kann man Matsuev als Solisten erleben mit einem impressionistischen Rachmaninow als Zugabe, mit einer seiner 17 Études-Tableaux. Und als „Vorspiel“ zur 3. Sinfonie dirigiert Chailly eine Orchesterversion der bekannten Vocalise, dem letzten Lied aus op. 34. Ein ganzer Abend mit Rachmaninow: das Publikum quittiert ihn mit Applaus, anhaltend und so enthusiastisch, wie Schweizer halt sein können.
Thomas Rothschild – 24. August 2020 ID 12408
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