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CD-Kritik

Auf den Spuren

von Brahms





Bewertung:    



Brad Mehldau ist immer für Überraschungen gut. Er ruht sich nicht auf einmal Erreichtem aus. Auf Wiedererkennung legt er keinen Wert. Was andere Musiker zu ihrem Rezept gemacht haben – die Erfolge von einst stets aufs Neue zu rekapitulieren –, langweilt ihn offenbar. Das ist riskant. Nicht alle seine Experimente sind geglückt. Dafür sind die Treffer umso befriedigender. Mehldau will nicht nur seine Zuhörer, sondern auch sich selbst überraschen. Und das gelingt ihm auch.

Diesmal hat sich der Pianist mit dem Orpheus Chamber Orchestra zusammen getan, und die CD heißt, als handelte es sich um ein Werk der Romantik, der Klassik oder der Vorklassik, Variations On A Melancholy Theme. Der Titel ist beim Wort zu nehmen. Es handelt sich um elf Variationen über ein vorangestelltes Thema plus eine Kadenz, ein Nachspiel und eine Solo-Zugabe.

Das Thema hat Mehldau nicht vorgefunden wie etwa Brahms bei Haydn und Paganini oder Max Reger bei Mozart, sondern er hat es selbst komponiert. Die Variation ist ja ein Grundelement des Jazz, freilich nicht als Folge von getrennten Stücken wie bei Brahms oder Reger. Aber mit Jazz haben Mehldaus Thema und die ersten zehn Variationen kaum etwas zu tun. Hingegen ist der Gedanke an Brahms nicht ganz abwegig. Das Thema erinnert an dessen berühmtes Wiegenlied Guten Abend, gut’ Nacht und steht wie dieses im langsamen Dreivierteltakt. Erst in der elften Variation und in der Kadenz scheint sich der jazzige Tonfall Gershwins einzumischen, jenes Komponisten, der mit Summertime ein Wiegenlied geschrieben hat, das es an Popularität mit Guten Abend, gut’ Nacht aufnehmen kann. Und was die Melancholie angeht, ist das ja eher eine Metapher als eine musikalische Kategorie. Was uns an einer Komposition als melancholisch erscheinen mag, entspringt mehr einer subjektiven Empfindung als einer objektivierbaren Eigenschaft. Schon die Kennzeichnung von Moll als traurig und Dur als heiter ist genau genommen lediglich eine Konvention. Mehldaus Variationen wirken weniger melancholisch als übermütig oder pathetisch. Wiederum erst im Nachspiel kehrt die maßvolle Melancholie des Themas zurück, diesmal mit einem Schuss Sibelius. Ein Spiel mit Formen, musikalisch eher banal und ganz und gar ohne Humor.

Soviel lässt sich vermuten: die Haydn-Variationen von Brahms werden Mehldaus Variationen überleben. Und wir dürfen gespannt sein, was dem Sonderling als Nächstes einfällt.


Thomas Rothschild – 11. Juni 2021
ID 12967
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