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CD-Kritik

Brahms-

Sinfonien

für 2 Klaviere





Bewertung:    



Seit heute (18. Juni) ist die neueste Platte mit dem Schweizer Klavierduo Adrienne Soós & Ivo Haag [s. auch seine Schubert-CD aus dem vergangenen Jahr] erhältlich, und auf ihr gibt es - neben diversen Bach-Bearbeitungen von György Kurtág und En blanc et noir von Debussy - die Vierte Sinfonie von Brahms in einer Fassung für zwei Klavier (und zwar der Originalfassung des Komponisten!) zu hören, was nicht ausschließlich für eingefleischte Brahms-Fans von erhöhtem Interesse sein dürfte! Ich zumindest hatte bisher keine Ahnung, dass der Brahms von seinen Sinfonien auch Klavierfassungen machte und in Noten stechen ließ.

Der nunmehr vorliegenden vierten Scheibe gingen 2015, 2017 und 2019 die Einspielungen der Brahms-Sinfonien Nr. 2, 1 und 3 (in dieser Reihenfolge) voraus. Komplettiert wurden sie mit Musikstücken von Hermann Goetz, den beiden Schumanns und Franz Schubert.



"Unsere Reise zu und mit den vier Symphonien von Johannes Brahms in der Fassung für Klavierduo kommt mit der hier vorliegenden vierten CD zu einem Ende. Dieses Projekt war eine der größten Herausforderungen, der wir uns je gestellt haben. Das erdrückende Gewicht der Aufführungstradition dieser kanonischen Werke wird zwar etwas gemildert durch den Umstand, dass wir uns in einem anderen Medium, dem des Klavierduos, ausdrücken. Dies zieht allerdings einen Wust von Vorurteilen nach sich, gegen die jedes Duo ankämpfen muss, das sich mit diesem Repertoire auseinandersetzt. Diese haben mit dem oft abwertend gemeinten Begriff der Bearbeitung zu tun. Gewiss gab es Arrangeure, die in unermüdlichem Fleiß alles an Orchesterwerken und Kammermusik, gar an ganzen Opern bearbeiteten, je nach Verlangen ihrer Auftraggeber. Komponisten, die ihre Werke selbst arrangierten,
waren in einer besseren Ausgangsposition, nicht nur weil sie nach Brahms‘ eigenen Worten 'dreister und frecher' verfahren konnten, sondern weil sie auch meist über ungleich besseres Metier verfügten"
, erklärt Ivo Haag im Booklet zur CD.

"Ziel der vorliegenden Gesamtaufnahme ist es, zu zeigen, dass die mit größtmöglicher Sorgfalt und Akribie von Brahms selbst erstellten Fassungen als Alternativfassungen neben den Orchesterfassungen sowie seinen originalen Klavierwerken durchaus bestehen können."

*

Das erstemal, dass ich auf Transkriptionen für Klavier, welche auf "Groß-Originalen" (Opern oder Sinfonien) fußen, freiwillig verfiel, war, als mir jemand eine ungarische Schallplatte mit Liszt-Stücken nach Wagners Tannhäuser und Tristan und Isolde schenkte. Erst war ich sehr skeptisch mir das anzuhören, und dann konnte ich mich dem Gehörten überhaupt nicht mehr entziehen. Es erschloss sich mir sofort: dieses beinahe schon Intime und zugleich auch Distanzierte, dieses eigentlich doch Unlaute, Unaufgeregte, dieses Aufdenpunktgebrachtsein; all das hatte mir gefallen. Es beschwor ein hörerisches Ruhig- oder Beruhigtsein, also ganz das Gegenteil von dem, als wenn ich mich dem emotional meist völlig überstrapazierten und daher nicht minder aufgeputschten Ein- und Abgelauschtsein dick besetzter Werke (Opern oder Sinfonien) widerstandslos hingegeben haben würde.

Solche "dicke Brocken" sind wohl auch die Brahms'schen Sinfonien. Und natürlich kenne ich sie alle - habe dann für mich so eine Lieblingsreihenfolge, die die 2. Sinfonie ganz oben anführt; dann kommen die 1. und die 4. und die 3.; ja, die 4. stand bisher als vorletzte in meiner Werte- und Beliebtheitsskala, und obgleich ich mich an eine unvergessliche Aufführung in den 1980ern unter der Stabführung Eugen Jochums und mit der Staatskapelle Dresden gern erinnere - dennoch: Der Weg zu dieser 4. fiel mir bis dahin nicht leicht; dass ich zur 3. übermäßig lange Zeit benötigte, um überhaupt mit ihr zurechtzukommen, steht auf einem anderen Erlebnisblatt geschrieben.

* *

Soós & Haag haben den Wissensdurst in mir hinsichtlich der gesamten Brahms-Sinfonik lustvoll animiert. Ich hatte mir daher jetzt jede Menge Inputs aus dem Netz geholt und wüsste, so gesehen, mehr als vorher zu der einen oder andern Sinfonie zu sagen - aber nein, ich will hier keinen damit langweilen.

Welcher der vier auf zwei Klavieren musizierten Sinfoniesätze der Vierten, die ich mir mit Soós & Haag jetzt mehrmals anhörte, bereitete mir wohl die allergrößte Freude?

Antwort:

Das Andante moderato (= zweiter Satz).

Getupftes, Hingeschrittenes.

Ich krieg' die Anfangsmelodie nicht mehr aus meinem Kopf.


* *

Auf Brahms folgt dann noch eine knappe halbe Stunde Debussy und Bach:

Mit dem zirka 15 Minuten dauernden dreisätzigen Klavierstück En blanc et noir finge erst 1915 "die beeindruckende Reihe seiner Spätwerke an", schreibt Ivo Haag im Booklet zur CD: "Die Zeitumstände schlagen sich in diesem Werk in einer für Debussy durchaus untypischen Weise nieder." Dem ersten Satz würde ein Gounod-Zitat aus dessen Oper Roméo et Juliette vorangestellt sein. "Der Krieg tritt auf als rauschender Walzer, der aber immer wieder ins Stocken gerät und damit Debussys eigenes Abseitsstehen illustriert. Der zweite Satz schildert eine Schlachtszene, in deren Verlauf der Luther Choral Ein feste Burg ist unser Gott als freche Persiflage auf den deutschen Imperialismus zitiert wird. Dem stehen freudige Fanfaren und sogar ein verstecktes Zitat der Marseillaise entgegen, die den Luther-Choral gewissermaßen gegen die Wand fahren lassen. So feiert Debussy den erhofften Sieg über die Deutschen." Schlussendlich schlüge der dritte Satz "etwas optimistischere Töne an – jedem Winter folgt ein Frühling."

Die von György Kurtág für Klavier zu vier Händen bearbeitete Sonatina zur Bach-Kantate Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit BWV 106, seine zwei ebenso bearbeiteten Orgelchoralvorspiele BWV 611 und 618 sowie das - diesmal von Peter Benary - für zwei Klaviere bearbeitete Ricercare a 6 aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079 runden die CD-Trackliste programmatisch ab.


Andre Sokolowski - 18. Juni 2021
ID 12982
PIANO DUO KLAVIERDUO SOÓS & HAAG

Johannes Brahms: Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Fassung für zwei Klaviere vom Komponisten


Claude Debussy: En blanc et noir. Trois morceaux pour deux pianos à quatre mains

Johann Sebastian Bach: Sonatine zur Kantate Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit BWV 106
- Orgelchoralvorspiel Christum wir sollen loben schon BWV 611
- Orgelchoralvorspiel O Lamm Gottes, unschuldig BWV 618
- Ricercare a 6 aus dem Musikalischen Opfer BWV 1079

Adrienne Soós, Klavier
Ivo Haag, Klavier

Telos Music tls 252
VÖ: 18. Juni 2021


Bereits erschienen:
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 | telos music, TLS 218 (VÖ 2015)
Hermann Goetz: Sonate in g-Moll für Klavier zu vier Händen op. 17
Clara Schumann: Marsch in Es-Dur


Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 | telos music, TLS 219 (VÖ 2017)
Brahms: Variationen über ein Thema von Robert Schumann in Es-Dur, op. 23
Robert Schumann: Kinderball, Sechs leichte Tanzstücke zu vier Händen op. 130


Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 3 | telos music, TLS 219 (VÖ 2019)
Franz Schubert: Grand Duo D 812


http://www.klavierduo.ch/


http://www.andre-sokolowski.de

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