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CD-Kritik

Schule der

Geläufigkeit





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Die bulgarische Pianistin Dora Deliyska (korrekte Transkription aus dem Kyrillischen: Delijska) hat sich ein auch in Konzertsälen aufgeführtes ungewöhnliches Unterfangen einfallen lassen. Sie reiht in der ersten Hälfte ihrer jüngsten CD, durcheinander gewirbelt, zwölf Etüden von Chopin, Debussy und Ligeti aneinander. Auf der CD werden zwischen den Stücken nur extrem kurze Pausen gelassen, sodass sich ein fast ununterbrochener Strang ergibt, als handelte es sich um eine einzige Komposition. Und siehe da: Die Vermählung des Romantikers mit dem Impressionisten mit dem Avantgardisten funktioniert wider Erwarten erstaunlich gut.

In der zweiten Hälfte ordnet die Pianistin zwölf Präludien von Chopin und Debussy sowie im Anhang des in der Ukraine geborenen Nikolai Kapustin (1937-2020) in gewohnter Manier nach Namen. Diese zweite Hälfte hebt an mit Chopins Präludium Nr. 15, op. 28 in Des-Dur, Sostenuto. Dora Deliyska tastet sich an das berühmte Stück heran, als würde sie es gerade im Moment erfinden. Ich bekenne: In meiner Jugend konnte ich mit Chopin nichts anfangen. Auch heute gehört er nicht zu meinen Lieblingskomponisten. Aber ich finde es eindrucksvoll, wie viele Ideen er in einem kleinen Stück unterbringen konnte, die überragende Pianisten – unvergessen: Grigory Sokolov und Maurizio Pollini bei den Salzburger Festspielen –, unter ihnen eben auch Dora Deliyska, wieder herausholen.

Von Debussy spielt sie vier von den in zwei Büchern versammelten Préludes, deren Klangfarben sie schwelgerisch auskostet. Seine Habanera La puerta del Vino nimmt sich aus wie eine Begegnung von Carmen mit dem schönen Gigolo von 1928. Wie Chopin hat sich Debussy in seinen Zyklen der Zahl 24 verschrieben, die nicht ganz so magisch klingt, wenn man an das prägende Vorbild von Bachs Wohltemperiertem Klavier denkt.

Auch Nikolai Kapustin hat 24 Preludes in Jazz-Style geschrieben, von denen Dora Deliyska drei ausgewählt hat. Bei dieser Gelegenheit darf daran erinnert werden, dass der Jazz in der Sowjetunion und auch in der DDR, erst recht in Polen, der Tschechoslowakei und in Ungarn niemals so „verboten“ war, wie westdeutsche Fernsehmoderatorinnen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, nachplappern. Und wenn ich gerade dabei bin, meinem Unmut Ausdruck zu verleihen, füge ich hinzu, dass ich der Pianistin gerne glaubte, dass sie bei der Aufnahme eine „spannende Erfahrung“ gemacht hat, wenn mit diesem Attribut nicht so viel Schindluder getrieben würde. So musste ich dieser Tage lesen in einer Gazette, deren Ehrgeiz es zu sein scheint, eine Kreuzung aus Bravo und Hörzu als Tageszeitung zu verkaufen, dass es in „vier Stuttgarter Locations“ „spannende Gerichte“ gebe und Tim Berresheim „zu den spannendsten Gegenwartskünstlern“ gehöre. Ist es schon frivol, wenn man einen Wahlausgang, der darüber entscheidet, ob Demokraten oder Diktatoren an die Macht kommen, „spannend“ nennt, so ist dieses Beiwort im Zusammenhang mit jedem Furz nur noch hirnrissig. Wo sind die Zeiten, da man sich an Krimis und nicht an Rote-Bete-Knödel mit Parmesanschaum hielt, wenn man Spannung suchte. Wer will es Kindern verübeln, die keinen ganzen korrekten Satz mehr formulieren können, wenn Journalisten so einen Quatsch schreiben.

Schon beim ersten Stück der CD, Der Zauberlehrling von György Ligeti, stellt Deliyska ihre technische Virtuosität und ihre atemberaubende Geläufigkeit unter Beweis. Davon gibt sie mehrere Proben, die aber nicht auf Kosten der musikalischen Gestaltung gehen. Études & Préludes kann allen Liebhabern der solistischen Klaviermusik wärmstens empfohlen werden.


Thomas Rothschild – 10. Februar 2023
ID 14043
Hänssler-Link zur CD mit Dora Deliyska


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