Provinziell.
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Gounods Roméo et Juliette (in der Ausstattung von Julia Hansen) an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Monika Rittershaus
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Bewertung:
Shakespeares berühmtestes Liebesdrama über Romeo und Julia ist bisher (falls die Recherche von mir stimmen sollte) dreimal veropert und sechsmal vermusicalt worden. Allein Bellinis und Gounods Vertonungen erfreuten und erfreuen sich bis heute sattester Beliebtheit; und auch Berlioz' sinfonische Variante oder insbesondere die vom Libretto her weitgehendere Adaption in Bernsteins West Side Story stehen in der Gunst des Publikums weit oben. Stoff & Stück waren und sind einfach nicht tot zu kriegen.
Ich selbst hatte die 1867 im Pariser Théatre Lyrique uraufgeführte Roméo et Juliette-Oper von Charles Gounod (1818-1893) noch nie auf einer Bühne live erlebt. Dass das jetzt an der Staatsoper Unter den Linden möglich wurde, verdankt sich der aktuellen Neuproduktion durch Regisseurin Mariame Clément und Ausstatterin Julia Hansen - gestern Abend war Premiere.
Schon vorab:
Es ist bereits die zweite Inszenierung in 2024/25 - nach Nabucco zur Saisoneröffnung -, die an Unverbindlichkeit und (diesmal) aufschreckender Provinzialität kaum überbietbar scheint; ja und das Schlimmste an dem allen ist, dass "es", auch weil "es" halt zum handfesten Skandal nicht reichte, als arg mittelmäßig, ergo weder Fisch noch Fleisch, herüberkam. Nein, ist es möglich?!
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Beginnen und enden tut "es" so, dass der Staatsopernchor nebst Kinderstatisterie in einer Art von Studiokino, und zwar auf den zum Verwechseln ähnlichen Originalsitzen der Lindenoper, den Anfang (berichtende Chor-Ouvertüre) und den Schluss (mit sich die Kehle aufschlitzender Juliette) mehr oder weniger betroffen verfolgt; solche Stück-im-Stück-Szenen gibt es seit ewig, also wahrlich nichts aufregend Neues.
Immer wieder werden sowohl die sterile Capulet-Villa von innen wie von außen als auch die den Montaigus zugewidmete Turnhalle plus Pater Laurents Schulklassenzimmer mit schwarzen Wänden zugeschoben, und auf diesen schwarzen Wänden sieht man Sébastien Dupoueys klägliche Bildschirmschoner-Videos mit viel großen und kleinen Schmetterlingen und viel, viel, viel Sternen usw. usf.
Elsa Dreisig (!) singt grandios, sieht allerdings mit ihrer hässlich-türkisblauen Perücke und dem lässigen Schlumperlook eher wie eine renitente Pubertierende aus. Ihre fünffache Multiplikation zwecks der (gefühltermaßen) eine halbe Stunde qualvoll andauernden Ballett-Einlage gerät zum optischen Alptraum; die Choreografie von Mathieu Guilhaumon war sicher gut gemeint, aber hingucken durfte man nicht; es war einfach peinlich.
Amitai Patis Romeo-Tenor klingt ziemlich hoch, und in den nicht nur ihn strapazierenden höheren Höhen grenzt er stellenweise ans Versagen.
Einen extraordinären Kurzauftritt legt Mezzosopranistin Ema Nikolovska (als Stéphano) hin.
Auch Johan Krogius (als Tybalt), Davids Ostrek (als Paris), Arttu Kataja (als Vater Capulet), Jaka Mihelac (als Mercutio) und Nicolas Testé (als Pater Laurent) singen/ spielen mit; ganz ordentlich.
Der Dirigent des Abends ist Stefano Montanari, dem es leider überhaupt nicht durchgängig gelingt, die Staatskapelle Berlin mit den Solistinnen/ Solisten wie dem Chor zusammenzuhalten - dafür hagelt es auch ein paar Buhs, die sich dann zusätzlich, als sich das Macherteam zum Schlussapplaus vorstellt, noch bisschen mehr intensivieren.
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Absolut vergessenswert.
Na ja.
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Amitai Pati und Elsa Dreisig als Roméo et Juliette an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 11. November 2024 ID 15007
ROMÉO ET JULIETTE (Staatsoper Unter den Linden, 10.11.2024)
Musikalische Leitung: Stefano Montanari
Inszenierung: Mariame Clément
Bühne und Kostüme: Julia Hansen
Licht: Ulrik Gad
Video: Sébastien Dupouey
Choreographie: Mathieu Guilhaumon
Stuntkoordination: Ran Arthur Braun
Einstudierung Chor: Dani Juris
Dramaturgie: Christoph Lang
Spielleitung: José Darío Innella und Tabatha McFadyen
Besetzung:
Juliette ... Elsa Dreisig
Gertrude ... Marina Prudenskaya
Tybalt ... Johan Krogius
Pâris ... David Oštrek
Capulet ... Arttu Kataja
Grégorio ... Dionysios Avgerinos
Roméo ... Amitai Pati
Stéphano ... Ema Nikolovska
Benvolio ... Andrés Moreno García
Mercutio ... Jaka Mihelač
Frère Laurent ... Nicolas Testé
Le Duc ... Manuel Winckhler
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 10. November 2024.
Weitere Termine: 13., 20., 22., 24.11.2024// 24., 27.05./ 21.06.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de
https://www.andre-sokolowski.de
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