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Premierenkritik

DDR-Exotik



Messeschlager Gisela von Gerd Natschinski - an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Jan Windszus Photography

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Die KOMISCHE OPER BERLIN ist spätestens seit gestern Abend - Premiere Messeschlager Gisela im schönen Zelt am Roten Rathaus - auf heitere Ostalgie getrimmt; im nächsten Sommer folgt Natschinskis Mein Freund Bunbury, ja und warum auch nicht. Das was derzeit im Osten Deutschlands (früher: DDR) gesellschaftlich so vor sich geht und wie ein Großteil der zwischen Rechtsaußen (Höcke-AfD) und Außenlinks zusammengesandwichten Leute so drauf ist, gibt zu denken, und man fragt sich nicht ganz unbesorgt, wohin der Osten eigentlich dann wirklich will: Noch mehr nach Osten (Putins Nähe)? oder will er schlicht und einfach den "Systemwechsel"?? Aber, um bisschen Dampf aus dem Kessel nehmen zu wollen, die Mehrheit dieses Großteils will dieses besorgt Befürchtete wahrscheinlich doch am Ende nicht; sie ist dann (hoffentlich!) nur etwas unzufriedener als all die vielen derzeit Unzufriedenen im Westen unsrer Republik, und dieses Unzufriedensein wird sich dann halt jetzt erstmal in den Wahlergebnissen für oder gegen die EU manifestieren; eine(r) muss ja schließlich schuld an allem sein - und wenn ich also diesen Text hier online gestellt haben werde, dürften ein paar Stunden später sämtliche Prognosen oder Hochrechnungen zur Europawahl aufhorchen lassen; nur Geduld.

Apropos Gerd Natschinski (1928-2015): Ich lernte ihn noch höchstpersönlich kennen, als er Präsident und (ab 2013) Ehrenpräsident der Dramatiker-Union (einer der ältesten Interessenvertretungen für die urheberrechtlichen Belange beispielsweise von Stückeschreibern und Komponisten) gewesen war; ich war da zu paar öden Mitgliederversammlungen und beobachtete ihn, aus Langeweile, aus der Ferne - irgendwie bekam ich den Eindruck, dass er diesen Ehrenamtlerjob nicht ganz so lustig fand wie beispielsweise seine 13 "heiteren Musiktheater"-Stücke...

...und so schließt sich flugs der Kreis:


"Messeschlager Gisela ist ein Paradebeispiel für heiteres Musiktheater in der DDR der 1960er Jahre. Wirtschaftlicher Aufschwung, Optimismus und eine gewisse Eleganz prägten damals die Stimmung in beiden Teilen Deutschlands. Diese Themen finden sich im hinreißend komischen Libretto von Jo Schulz, aber auch in der Musik wieder. Natschinski wählte Stile aus allen musikalischen Richtungen und schuf eine Mischung aus Revue und Operette. Der Erfolg war überwältigend: Die Uraufführung im Berliner Metropol-Theater wurde von der Presse gefeiert, es folgten 25 weitere Aufführungen an den Bühnen der DDR.

Die Handlung zeigt Panik im Modebetrieb 'Berliner Schick': Firmenchef und Designer Robert Kuckuck lässt zwar massenhaft Ware produzieren, aber kaum jemand will sie tragen. Kuckuck braucht dringend einen Hingucker für die bevorstehende Modemesse in Leipzig – ein 'Messeschlager' muss her! Aber da ist ja noch die bodenständige Mitarbeiterin Gisela, auf die auch der Journalist Fred Funke ein Auge geworfen hat. Nicht der Entwurf aus der Chefetage, sondern der von Gisela wird schließlich zum begehrten Messeschlager in Leipzig. Der Erfolg zeigt: Ein wertschätzender Umgang bringt die besten Ideen hervor, ganz gleich, wo sie entstehen."


(Quelle: schott-music.com)


*

Die in Braunschweig geborene Schauspielerin und Kabarettistin Gisa Flake (38) - eine Idealbesetzung der Titelfigur im Messeschlager - war erst vier, als die Berliner Mauer fiel. Sie wird sich, so vermute ich, mit Lust und Liebe in die Werkgeschichte und das Werk an sich neugierig eingefühlt haben. An sie dürfte dann also das im KOB-Programmheft aufgeführte DDR-Begriffsglossar (22 Kurzbeiträge von A wie "Agitator - Agitieren" bis W wie "Wurtsgulasch mit Letscho") nicht zwingend adressiert gewesen sein. Jener nach über 35 Jahren so erinnerlichter DDR-Sprech ist wahrscheinlich längt zum Gegenstand ethymologischer Forschungen jüngerer Doktorandinnen und Doktoranden geworden, und nur die zu ihrer Zeit die DDR aktiv durchlebt habenden und heutigen Dinosaurier unserer Gesellschaft könnten/ können noch mit ihm direkt was anfangen.

Aber zurück zum allerliebsten, wenn auch mit 2 h 40' viel zu langen Messeschlager Gisela:

Ich war enthusiasmiert zu sehen, wie Adam Benzwi, der musikalische Leiter dieser längst überfällig gewesenen Wiederausgrabung, die zirka 30 Musikerinnen und Musiker des Orchesters der Komischen Oper Berlin für diese grandios durchorchestrierte Musik des damals noch ziemlich jungen Natschinski zu begeistern wusste, mit welchem Schmiss er/sie das Ganze anging/en. Er dirigierte vom Klavier aus, und da sah man auch, wie er bei den Gesangsnummern inkl. Chor (die waren übrigens die allerbesten, also die mit den von David Cavelius einstudierten Chorsolisten der KOB) von seinem Platz aus mitsang, wie er also dieses insgesamte (zugegeben: etwas läppische) Libretto von Jo Schulz (1920-2007) mit drauf hatte und seine jeweiligen Einsatzkommandos derart - unter Hinzufügung des von ihm per Lippenbewegungen gemimten Textes - an die seinen weitergab; das überzeugte schon, und wie!!

Außer Gisa Flake schienen dann auch noch Andreja Schneider (als Werkstattleiterin Emma Puhlmann), Thorsten Merten (als Betriebsdirektor Robert Kuckuck), Nino Holonics (als Reporter Fred Funke) und Martin Reik (als Fremdenzimmervermieter Priemchen) mehr aus dem Sprechtheatersektor als dem anderen, dem musikalischen Gefilde zusammengecastet. Hingegen Marie-Danaé Bansen (als Tippse Marghueritta), Johannes Dunz (als Heinz) oder Theo Rüster (als Inge) die etwas professionellere Schiene des Operetten- oder Musicalgesangs zu befahren wussten.

Der dem DDR- bzw. Ostkundlerischen recht gut verhaftete und also sich in ihm gut auskennende Axel Ranisch hatte inszeniert. Saskia Wunsch baute eine funktionale Podesten-Bühne in das Zelt, Alfred Mayenhofer ließ sich DDR-Mode der frühen 1960er einfallen, und Christopher Tölle choreografierte lustig drauf los.

Ein Stimmungskracher.

Auch was für DDR-Fans oder solche, die es werden wollen.



Messeschlager Gisela an der Komischen Oper Berlin | Foto (C) Jan Windszus Photography

Andre Sokolowski - 9. Juni 2024
ID 14789
MESSESCHLAGER GISELA (Zelt am Roten Rathaus, 08.06.2024)
von Gerd Natschinski

Musikalische Leitung: Adam Benzwi
Inszenierung: Axel Ranisch
Choreographie und Co-Regie: Christopher Tölle
Bühnenbild: Saskia Wunsch
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Dramaturgie: Johanna Wall
Chöre: David Cavelius
Licht: Johannes Scherfling
Dance Captain und Mitarbeit Choreographie: Nigel Watson
Besetzung:
Gisela ... Gisa Flake
Emma Puhlmann ... Andreja Schneider
Robert Kuckuck ... Thorsten Merten
Marghueritta Kulicke ... Maria-Danaé Bansen
Heinz Stubnick ... Johannes Dunz
Fred Funke ... Nico Holonics
Inge ... Theo Rüster
Priemchen ... Martin Reik
Eine Reporterin ... Anja Kirov-Vogler
Tänzerinnen und Tänzer: Eleonore Turri, Mariana Souza, Anna Friederike Wolf, Lauren Mayer, Kiara Lillian Brunken und Danielle Bezaire sowie Michael Fernandez, Shane Dickson, Robin Poell und Danilo Brunetti
Chorsolisten und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere an der KOB: 8. Juni 2024
Weitere Termine: 12., 15., 17., 19., 21., 23., 25., 29.06./ 05., 07.07.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.komische-oper-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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