Bunt,
bewegt
und noch
viel mehr
Carl Nielsens MASKARADE an der Oper Leipzig
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Genial gespieltes und gesung'nes Domestikenpaar Hendrik & Arv aus Maskarade von Carl Nielsen an der Oper Leipzig: Marek Reichert (hinten) und Dan Karlström (vorn) | Foto (C) Tom Schulze
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Bewertung:
Das dickste und das fettste Plus, was ich der gestern unter regelrechtem Jubelgeschrei über die Bühne gegang'nen Produktion der Maskarade von Carl Nielsen zuzueignen mich "gezwungen" sehe, kriegen erstrangig ihre für Buntheit & Bewegung hauptverantwortlichen Macher, nämlich Ausstatterin Karin Fritz (weil: Lady first!) und Regisseur Cusch Jung. Und alle anderen, die zweifelsohne auch an diesem insgesamten Mega-Kracher mitbeteiligt sind - ob das gesamte sängerische oder tänzerische Personal (Choreografie: Oliver Preiß) und selbstverständlich auch die Musikerinnen und Musiker vom Gewandhausorchester (Dirigent: Stephan Zilias) - , kriegen auch zig dicke, fette Plusse; das dann schon mal im Voraus.
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"Jeronimus und Leonard haben beschlossen, dass ihre Kinder heiraten sollen, obwohl sich diese nicht einmal kennen. Umso erzürnter sind die Alten, als sie erfahren, dass Leander und Leonora bei einem Maskenball anderen Partnern verfallen sind – so glauben sie zumindest. Die Aussicht auf eine arrangierte Ehe führt daher zu heftigem Widerstand bei den frisch Verliebten. Um die Kinder zu ihrem Glück zu zwingen, suchen die Eltern den Ort des Geschehens auf: ein Komödienhaus, wo sie sich selbst ins bunte Treiben stürzen. Dieses wird nach einigen Irrungen und Wirrungen beendet, als der Zeremonienmeister das Ablegen der Masken anordnet und somit das glückliche Ende für alle Beteiligten einläutet.
Maskarade basiert auf einer dänischen Theaterkomödie von Ludvig Holberg aus dem achtzehnten Jahrhundert. Der Komponist Carl Nielsen verwandelte diese 1906 in eine komische Oper, was in Literaturkreisen zunächst kritisch beäugt wurde. Dennoch wurde das Stück in Dänemark sogar beliebter als Holbergs Schauspiel. Mittlerweile wird die Maskarade oft als dänische Nationaloper bezeichnet. Über skandinavische Bühnen hinaus blieb das Stück bisher weitestgehend unbekannt – zu Unrecht, denn Nielsen schrieb hier Musik, die zunächst einfach erscheint, aber unter der heiteren Oberfläche eine erstaunliche Tiefenstruktur aufweist und somit weit über die Grenzen eines seichten Unterhaltungstheaters hinausführt."
(Quelle: oper-leipzig.de)
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Das mit der "dänischen Nationaloper" ließe sich nur insofern nachvollziehen, dass dann halt die Dänen - ganz im Unterschied zu ihren überwiegend schwermütigen und v.a. ziemlich kopflastigen deutschen Nachbarn - einer etwas lebensfroheren oder womöglich gar lebensbejahenderen Mentalität folgen; zumindest wird und ist das immer offensichtlich, wenn man mit den Dänen in der sonnenlichtschwangeren Jahreshälfte zufällig eine Begegnung haben sollte - in den Wintermonaten mag das natürlich etwas anders aussehen; aber egal. Die Skandinawier pflegen schon einen relaxten Lebensstil, und ihr besonderer Humor trägt freilich dann auch all die Tragik und das Leid und Leiden, ohne deren Grundkenntnis Humor (und Komik also Tragikomik) ausgeschlossen wäre, mit in sich; das wiederum bedeutete vielleicht, dass DAS das Nationalop'rige sein könnte, was insgeheim gemeint gewesen war. Null Ahnung, ob das stimmt.
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Maskarade vo Carl Nielsen an der Oper Leipzig: Marek Reichert (hinten) und Dan Karlström (vorn) | Foto (C) Tom Schulze
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Drei kurzfristige Umbesetzungen mussten (krankheitsbedingt) getätigt werden - und der Zufall wollte es, dass es sich hierbei gleich mal um die drei zentralen also wichtigsten Rollen in Maskarade handelte:
Die beiden jungen Liebenden [s. Plot oben] wurden von dem dänischen Stargast Gert Henning-Jensen (als Leander) und der Sopranistin Theresa Pilsl (als Leonora) kongenial gewuppt. Henning-Jensen gilt angeblich als DIE Leander-Ikone an der Königlichen Oper Kopenhagen, sein Tenor hat etwas Überhohes und klingt teilweise fast schneidend-schrill, sein Ausstrahlungsvermögen ist von stark vereinnahmender Qualität, kurz: kam, sah, siegte! Pilsl klingt sehr, sehr soubrettig und hat ein sympathisches, aber kaum nervendes Grundzittern in der Stimme, und auch sie vermochte uns im Handumdrehen zu umgarnen.
Dritter Blitz-Einspringer war Bariton Marek Reichert (als Leanders Diener Hendrik)! Schon rein körperlich schien er darauf bedacht gewesen, seinen Brotherrn auf das Deutlichste zu dominieren, und auch stimmlich bot er ihm mit ganzer Manneskraft paroli; Reichert konnte sich sehr bald als insgeheimer Favorit der schwerelosen Aufführung entpuppen, und wir gönnten ihm diese fürwahr verdiente zusätzliche Rolle eines abendlichen Lieblings!!
Hervorzuheben außerdem - und unbedingt! - Dan Karlström (als Arv), und insbesondere sein großer Schleckermaul-Auftritt beeindruckte in jeder Hinsicht!!!
Apropos Schleckermaul u.ä.:
Die Anwendung der deutschen Textfassung von Vilhelm Rasmus Andreas Andersen (1864-1953) mit ihrem Bombardement an (absichtlichen?) Sprach-/ Sprechidiotien und -verrenkungen bereitete dem Mithörer und Mitleser ein linguistisches Hohefest der Extraklasse. Danke vielmals, ja, auch hierfür.
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Andre Sokolowski - 24. April 2022 ID 13589
MASKARADE (Oper Leipzig, 23.04.2022)
Musikalische Leitung: Stephan Zilias
Inszenierung: Cusch Jung
Choreographie: Oliver Preiß
Bühne und Kotüme: Karin Fritz
Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint
Besetzung:
Magdelone ... Barbara Kozelj
Leonora ... Theresa Pilsl
Pernille ... Sandra Janke
Jeronimus ... Magnus Piontek
Leander ... Gert Henning-Jensen
Henrik ... Marek Reichert
Arv ... Dan Karlström
Leonard ... Sven Hjörleifsson
Ein Nachtwächter ... Sejong Chang
Ein Festordner ... Jean-Baptiste Mouret
Ein Wachtmeister ... Ondřej Potůček
Ein Maskenverkäufer/ Magister ... Fredrik Essunger
Student 1 ... Hunyoung Choi
Student 2 ... Máté Gál
Tänzer 1 ... Germán Hipólito Farias
Tänzer 2 ... Davide De Biasi
Tänzerin ... Elisa Fuganti Pedoni
Chor der Oper Leipzig
Gewandhausorchester Leipzig
Premiere war am 23. April 2022.
Weitere Termine: 08., 15.05. / 04.06.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.oper-leipzig.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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