| BREGENZER FESTSPIELE 2022
                  
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       Regenfront 
  statt 
  Pinkerton
 
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 (C) Bregenzer Festspiele / moodley
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 Das nennt man eine steile Karriere. In Graz fiel Elisabeth Sobotka als ideenreiche Opernintendantin auf. Von dort bewarb sie sich als Nachfolgerin von David Pountney für die Intendanz der BREGENZER FESTSPIELE und hatte Erfolg. Ab 2024 wird sie Intendantin eines der renommiertesten Opernhäuser, der Berliner Staatsoper Unter den Linden sein, an der sie schon 2002-2007 Operndirektorin war.
 
 Nun mag man sich fragen, was in den Augen der Kulturpolitiker, die solche Karrieren befördern oder verhindern, das Programm der BREGENZER FESTSPIELE mit der erwünschten Ausrichtung der Berliner Staatsoper verbindet. Seit ihrer Berufung hat sie die folgenden Opern für die Hauptattraktion, das „Spiel auf dem See“, aufs Programm gesetzt: Turandot, Carmen, Rigoletto und nun Madame Butterfly. Nicht unbedingt eine Auswahl, die man als mutig oder gar wegweisend bezeichnen möchte. Mit der neben Tosca für Platz 1 prädestinierten Oper unter den Libretti mit dem höchsten melodramatischen Kitschfaktor hat Sobotka eine Auffassung zu erkennen gegeben, die das Publikum der deutschen Hauptstadt das Fürchten lehren sollte.
 
 Die vom österreichischen Staat hochsubventionierten BREGENZER FESTSPIELE sind eine ambivalente Angelegenheit. Den Vorwurf, es handle sich, jedenfalls beim Hauptprogramm, um ein Event eher als um anspruchsvolle Kultur, entgegnet Elisabeth Sobotka, es sei vielmehr der Versuch, ein breites Publikum an die Hochkultur heranzuführen. Mit Rigoletto und mit Madame Buttefly? Hat es in der vergangenen mehr als 100 Jahren keine Oper gegeben, an die heranzuführen sich lohnte? Dass sich die Berichterstattung aus Bregenz an erster Stelle um das jeweilige Bühnenbild dreht, bestärkt den Verdacht, dass die Show mehr mit Abba oder Siegfried und Roy zu tun hat als mit der Opernkonzeption von, sagen wir, Gerard Mortier oder Jossi Wieler. Dem kann man entgegenhalten, dass Oper von Anfang an nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein Schauereignis war.
 
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 Madame Butterfly bei den BREGENZER FESTSPIELEN 2022  © Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
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 Das aktuelle Bühnenbild für Madame Butterfly von Michael Levine, ein vertikal aus dem Wasser emporragendes, leicht zerknülltes Blatt Papier [s. Foto oben], unterscheidet sich allerdings von seinen aufwendigeren Vorläufern durch den Verzicht auf prätentiöse semantische Aufladung. Stattdessen wird diesmal, mit eher zurückhaltenden Projektionen, mehr graphisch als räumlich gedacht. Geblieben sind von den Charakteristika eines Events die gigantischen Dimensionen, die ausgetüftelte Lautsprechertechnik, die Idee vom Orchester im Nebensaal, das auf Bildschirmen links und rechts der Bühne zu sehen ist.
 
 Event hin, Event her: da es im Freien stattfindet, hat es neben dem Regisseur Andreas Homoki einen Koregisseur: das Wetter. Genau eine halbe Stunde nach Beginn fielen die ersten Regentropfen. Nach einer Stunde näherten sich Blitze theatralisch vom Westen des Bodensees. Butterfly wartet auf ihren Pinkerton. Stattdessen kam die ganz reale Regenfront. Ein Teil des Publikums wurde in den Saal gebeten, dem anderen Teil wurde die Erstattung des Eintrittspreises versprochen.
 
 Nach der Übersiedlung ins Trockene wurde offenbar, was bleibt, wenn dem Bregenzer Spektakel das Bühnenbild abhanden kommt: eine geradezu deprimierend konventionelle Regie ohne den geringsten Interpretationsansatz. Butterfly und ihre Entourage trippeln mit unterwürfiger Körpersprache dem Klischee von der Japanerin entsprechend durch die traurige Story. Dabei gibt es musikalisch nichts zu mäkeln. Die Wiener Symphoniker, die, einer Tradition folgend, aber zu Unrecht im Schatten der Wiener Philharmoniker stehen, bringen das große Orchester unter der Leitung von Enrique Mazzola höchst differenziert zum Erklingen. Und die Solisten, deren Rollen für die Dauer der Festspiele zwei- und dreifach besetzt sind, lassen nichts zu wünschen übrig, wobei Brian Mulligan als der amerikanische Konsul Sharpless, Edgaras Montvidas als Pinkerton und Annalisa Stroppa in der nicht allzu großen Rolle der Suzuki hervorgehoben seien. 
 
 Barno Ismatullaeva ist eine perfekte Cio-Cio-San, alias Butterfly [s. Foto unten]. Sie trifft jeden Ton mit unbeirrbarer Präzision und ausgefeiltem Wohlklang, sie singt mit dem erforderlichen Schmelz, aber niemals verschmiert. Sie kommt auch ohne Seebühne aus.
 
 
 
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 Madame Butterfly> bei den BREGENZER FESTSPIELEN 2022  © Bregenzer Festspiele / Karl Forster
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Thomas Rothschild - 21. Juli 2022 ID 13720
 
MADAME BUTTERFLY (Seebühne, 20.07.2022)
 Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
 Inszenierung: Andreas Homoki
 Bühne: Michael Levine
 Kostüme: Antony McDonald
 Licht: Franck Evin
 Video: Luke Halls
 Choreographie: Lucy Burge
 Ton: Alwin Bösch und Clemens Wannemacher
 Chorleitung: Lukáš Vasilek und Benjamin Lack
 Besetzung:
 Cio-Cio-San ... Barno Ismatullaeva
 Suzuki ... Annalisa Stroppa
 B. F. Pinkerton ... Edgaras Montvidas
 Sharpless ... Brian Mulligan
 Goro ... Taylan Reinhard
 Der Fürst Yamadori ... Omer Kobiljak
 Onkel Bonzo ... Stanislav Vorobyov
 Kate Pinkerton ... Hamida Kristoffersen
 Der kaiserliche Kommissar ... Unnsteinn Árnason
 Kind ... Riku Seewald
 Bregenzer Festspielchor
 Statisten der Bregenzer Festspiele
 Prager Philharmonischer Chor
 Wiener Symphonike
 Premiere bei den Bregenzer Festspielen war am 20. Juli 2022.
 Weitere Termine: 22.-24., 26.-31.07. / 02.-07., 09., 11.-14., 16., 17., 19.-21.08.2022
 
 
 Weitere Infos siehe auch: https://bregenzerfestspiele.com/
          
     
         Post an Dr. Thomas Rothschild
  
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