Die Trollinnen
und ihre
Zucht-
meisterin
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Verdis Macbeth an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Elke Walkenhorst
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Szenische Bewertung:
Die (zumindest in Berlin) bisher relativ erfolgsverwöhnte französische Regisseurin Marie-Ève Signeyrole (Baby Doll und Négar an der DOB) legte mit ihrer gestrigen Macbeth-Inszenierung eine krachende Bruchlandung hin und wurde hierfür vom Publikum gnadenlos - und vollkommen zurecht - ausgebuht.
Die Schauspielerin Dana Marie Esch (als Oberhexe, Callgirl, Lady Macduff im Programmheft angezeigt) attackierte mich und andere Zuschauerinnen und Zuschauer zu Beginn per Großvideoschalte mit kauderwelschigem KI-Zeugs aus dem fachchinesischen IT-Bereich, dessen Quintessenz sein sollte, dass sie und die ihren sprich der Frauenchor der Deutschen Oper Berlin (als Hexen) über all das, was in unseren Hirnen so passieren würde, allumfänglich bescheid wüssten, halt wegen ihrer Totalkontrolle all unserer Computer und/ oder computerähnlichen Geräte; das schloss dann irgendwie auf all die hexenweisheitlichen Prophezeiungen in puncto Macbeth' Schottland anno dazumal etc. pp.; kurzum: Die Handlung spielte heute, und die Hexen, die dem Königsmörder seine Zukunftsaussichten weissagen sollten, erschienen uns nunmehr als Harry-Potter-Hüte tragende Trollinnen im Einheitslook (Kostüme: Yashi)... Ja und als die gute Dana nach der Pause nochmals jene KI-/ IT-Scheiße auf uns abließ - ihre Filmchen waren übrigens vom Videokünstler Artis Dzerve vorproduziert - machte sich leiseweinend etwas Unmut breit im Saal, der sich mit "Aufhören!" bzw. "Endlich anfangen!", also mit der Musik, schlechtlaunig manifestieren tat.
Signeyrole splittete "ihre" Macbeth-Handlung in fünf Episoden auf: 1. Krieg und Frieden, 2. Lang lebe der König!, 3. Der leere Stuhl, 4. Blutsaaten und 5. Schachmatt - als Idee gar nicht so schlecht. Hinzu ließ sie bemerken, dass das alles im öl- und gasfördernden Milieu spielen würde, d.h. dass die von König Duncan einst verstaatlichte Öl- und Gasförderung nach dessen Ermordung durch Macbeth korruptiv entstaatlicht also privatisiert worden wäre, weswegen es auch diese folgenschweren gesellschaftlichen wie menschlichen Verwerfungen gegeben hätte usw. usf.
Zwischendurch hob Signeyrole auch auf das Kinderlosigkeitsproblem der beiden Macbeth-Gatten ab, das sie schnurstracks mit einer (allerdings missglückten) künstlichen Befruchtung der Lady zu lösen meinte; er seinerseits zapfte sich diesbezüglich etwas Sperma von sich ab, welches dann Gerard Farreras (als Arzt und Mörder) der Lady einflöste; sie verendete schlussendlich, kurz nachdem sie ihre Fleckenarie stimmig absolvierte, an der eig'nen Fehlgeburt.
Es ging schon handlungsmäßig drunter und drüber, und ich wusste bald nicht mehr, wo hinten und vorne sein sollte.
Die Ausstattung von Fabien Teigné bestand aus hin und her bewegbaren Einzelelementen, deren jeweiliger Umbau auf offner Bühne arge Störgeräusche mit sich brachte.
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Musikalisch sah es, teilweise jedenfalls, deutlich besser aus:
Enrique Mazzola dirigierte straff und zügig - das Orchester der Deutschen Oper Berlin folgte ihm "aufs Wort".
Alle vier männlichen Hauptrollen waren adäquat besetzt mit Roman Burdenko (als Macbeth), Marko Mimica (als Banquo), Attillio Glaser (als Macduff) und Thomas Cilluffo (als Malcolm).
Jedoch:
Felicia Moores Lady-Stimme vibrierte unaufhörlich in kleinstmöglich-flatterartigen Intervallen; das zu hören nervte mich auf Dauer ungemein.
Und eigentlich wollte ich die ursprünglich als Premierenbesetzung angezeigte Anastasia Bartoli (Abigaile in Nabucco, neulich an der Lindenoper) als Lady Macbeth hören und sehen; die sagte allerdings krankheitshalber ab, weswegen ihre amerikanische Kollegin eingesprungen war.
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Verdis Macbeth an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Elke Walkenhorst
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Nach der großen Bankett-Szene [s. Foto oberhalb] und vor Eintritt in die Pause trat der Sänger Thaisen Rusch vom Chorvorstand der Deutschen Oper Berlin vor die Belegschaft und machte auf die seit Tagen immer näher rückende Spar-Orgie des Berliner Senats aufmerksam; der gesamte Kulturbetrieb der Hauptstadt wäre von erheblichen Subventionskürzungen, die die eine oder andere Kultureinrichtung wahrscheinlich in den Ruin treiben könnte, betroffen; das Publikum solle sich sonach auf einer Petitionsliste des Deutschen Bühnenvereins eintragen - wir verweisen dahingehend gern auf die entsprechende Website und empfehlen allen, die das hier gelesen haben sollten, dort zu unterschreiben:
Berliner Kultur in der Haushaltskrise schützen.
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Andre Sokolowski - 24. November 2024 ID 15026
MACBETH (Deutsche Oper Berlin, 23.11.2024)
Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Inszenierung: Marie-Ève Signeyrole
Bühne: Fabien Teigné
Kostüme: Yashi
Video: Artis Dzerve
Licht: Sascha Zauner
Chöre: Jeremy Bines
Dramaturgie: Louis Geisler und Konstantin Parnian
Besetzung:
Macbeth ... Roman Burdenko
Banquo ... Marko Mimica
Lady Macbeth ... Felicia Moore
Kammerfrau der Lady Macbeth ... Nina Solodovnikova
Macduff ... Attilio Glaser
Malcolm ... Thomas Cilluffo
Diener Macbeths/ Ein Herold ... Dean Murphy
Ein Arzt/ Ein Mörder ... Gerard Farreras
Oberhexe ... Dana Marie Esch
Duncan ... Hagen Henning
Fleance ... Emil Pyhrr
Hirschmann ... Pierre Emö
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 23. November 2024.
Weitere Termine: 27., 30.11./ 04., 08., 11.12.2024// 19., 25.01.2025
Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de
https://www.andre-sokolowski.de
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