Schwarz und
grau und
weiße
Lilien
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Don Carlo von Verdi am Aalto Theater Essen | Foto (C) Hans Jörg Michel
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Bewertung:
Der in Lviv geborene und beheimatet gewesene Musiker und Komponist Eduard Resatsch hat ein viereinhalbminütiges Stück geschrieben, das er mit UKRAINA – den Opfern des Krieges überschrieb und womit bereits am 24. Februar, dem zweiten Tag der russischen Invasion, das Jugendsinfonieorchester der Ukraine und die Dirigentin Oksana Lyniv gegen Putins völkerrechtswidrigen Angriff protestierten. Jetzt soll es - auf Initiative der Deutschen Orchestervereinigung DOV - zu Beginn möglichst vieler Konzerte oder Opernaufführungen gespielt und somit ein Zeichen gesetzt werden; der Komponist beschreibt sein Stück so: "Erkennbar ist ein Gebet für die Opfer des Krieges, das leise gesummt wird. Es wird durch Schuss-, Bomben- und Sirenengeräusche sowie Elemente der russischen Hymne immer wieder unterbrochen. In diesem musikalisch ausgedrückten Kriegsgeschehen hört man auch Teile der Europa-Hymne. Am Ende des Werks erklingt die ukrainische Hymne als Hoffnungsschimmer für Freiheit und Frieden!“
Auch Chor und Extrachor des Aalto-Musiktheaters und die Essener Philharmoniker schlossen sich - vor ihrer gestrigen Don Carlo-Premiere - der DOV-Initiative an und brachten Resatschs UKRAINA bekennend laut & leise zu Gehör.
Sehr kurze Zeit zum Nachdenken und Innehalten.
Verdis Don Carlo bietet sieben Möglichkeiten, ihn entsprechend seiner sieben Fassungen auf großer oder nicht so großer Bühne aufzuführen - an der Oper Stuttgart hatte sich 2019 GMD Cornelius Meister den illustren Spaß gegönnt, so eine Art von "Mischung" aller vorliegenden Fassungen unter Hinzufügung einer in Auftrag gegebenen Zwischenmusik (nach einem Hit von Pussy Riot) anstellen zu lassen; das fürwahr verwegene Experiment schien irgendwie geglückt zu sein, und außer paar routinemäßiger Premieren-Buhs ging alles wunderbar vonstatten... Ich für meinen Teil, der ich Don Carlo ganz zuletzt 2012 in einer Aufführung der DOB zur Kenntnis nahm, war (damals noch) der Meinung, dass es "mindestens drei Fassungen" der Verdi-Oper geben würde - dass es sieben wären/ sind, hätte ich kaum für möglich halten wollen; die Musikwissenschaftlerin Ursula Günther gilt für den bis heute letzten Wissensstand der Dinge als die unterzeichnende Autorität.
In Essen tat man sich jetzt für die sog. Mailänder Fassung mit einer Spieldauer von zirka dreieinhalb Stunden (zum Vergleich: die französische Erstfassung dauert viereinhalb bis fünf Stunden) entscheiden; es handelt sich hierbei um eine Koproduktion mit der Opéra national du Rhin Strasbourg, die Robert Carsen dort 2016 inszenierte und die nun - nach fast zweijähriger Corona-Zwangspause - endlich auch im Aalto Theater über die Bühne gehen konnte:
"Das Spannungsfeld zwischen familiärem und politischem Drama droht zu explodieren: Während Europa durch Kriege auf eine harte Probe gestellt wird, ist die Vater-Sohn-Beziehung zwischen König Filippo von Spanien und seinem Sohn, Infant Don Carlo, durch die Liebe zur selben Frau, Elisabetta von Valois, getrübt. Eigentlich hätte die Ehe zwischen Elisabetta und Filippo endlich den lang ersehnten Frieden besiegeln sollen, doch die französische Prinzessin und der spanische Infant haben sich heimlich ineinander verliebt. Liebe und Politik machen sich schließlich gegenseitig zu Spielbällen – bis am Ende niemand mehr gewinnen kann." (Quelle: theater-essen.de)
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Das Bühnenbild von Radu Boruzescu ist in Schwarz und Grau getaucht, und die Kostüme Petra Reinhardts ebenso, nur jede Menge weiße Kunst-Lilien, die die Choristinnen dann rein- und rauszutragen oder auf den Fußboden zu legen hatten, boten so etwas wie Notlicht; sowieso sparten Peter Van Praet und Robert Carsen, was dann ihre Lichtregie betraf, an Aufhellendem, wo es irgendwie nur ging.
Stark war die Schreibtischszene mit Philipp II., der dort sein "Sie hat mich nie geliebt" zum Besten gab, wie überhaupt die imponierend tiefe Stimme und der überwältigende Habitus von Ante Jerkunica alle anderen Beteiligten lt. ausgewiesener Besetzungsliste auf das Dimensionalste überragten!
Aufsehenerregend gut dann auch der zudem stimmgewaltige Auftritt Karl-Heinz Lehnerts als ein dem Savonarola nicht unähnelnder und hochaggresiv daher kommender Großinquisitor.
Gaston Rivero (als Posa) und Jordan Shanahan (in der Titelrolle): akzeptabel - ebenso die zwei Protagonistinnen Gabrielle Mouhlen (als Elisabetta) und Nora Sourouzian (als Eboli).
Andrea Sanguineti dirigierte die grandios und makellos musizierenden Essener Philharmoniker!!
Das insgesamt meist Stehkonzertige der Inszenierung ging einem dann allerdings beträchtlich auf den Kranz.
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Nora Sourozian (als Eboli) in Verdis Don Carlo am Aalto Theater Essen | Foto (C) Matthias Jung
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Andre Sokolowski - 13. März 2022 ID 13516
DON CARLO (Aalto-Theater, 12.03.2022)
Musikalische Leitung: Andrea Sanguineti
Inszenierung: Robert Carsen
Szenische Einstudierung: Jean-Michel Criqui
Bühne: Radu Boruzescu
Kostüme: Petra Reinhardt
Licht: Robert Carsen und Peter Van Praet
Choreografie: Marco Berriel
Choreinstudierung: Jens Bingert
Dramaturgie: Christian Schröder und Ian Burton
Besetzung:
Filippo II., König von Spanien ... Ante Jerkunica
Don Carlo, Infant von Spanien ... Gaston Rivero
Rodrigo, Marquis von Posa ... Jordan Shanahan
Großinquisitor ... Karl-Heinz Lehner
Elisabetta von Valois ... Gabrielle Mouhlen
Prinzessin Eboli ... Nora Sourouzian
Ein Mönch ... Baurzhan Anderzhanov
Tebaldo, Elisabettas Page ... Liliana de Sousa
Graf von Lerma ... Christopher Hochstuhl
Stimme vom Himmel ... Christina Clark
Ein königlicher Herold ... Rainer Maria Röhr
u.a.
Chor und Extrachor des Aalto-Musiktheaters
Statisterie des Aalto-Musiktheaters
Essener Philharmoniker
Premiere an der Opéra national du Rhin Strasbourg: 17. Juni 2016
Essener Premiere war am 12. März 2022.
Weitere Termine: 19., 25., 30.03. / 10., 22., 30.04. / 21.05. / 09., 19.06.2022
Kooperation mit der Opéra national du Rhin Strasbourg
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-essen.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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