Bachs Klavierkonzerte
mit Anna Vinnitskaya, Jewgenij Koroliov und Ljupka Hadzigeorgieva - begleitet von der Kammerakademie Potsdam
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Bewertung:
Rechts neben mir saß eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter, und das Mädchen fragte: "Aber hat der Bach das nicht für Cembalos geschrieben?", und die Mutter tat das freilich gleich bejahen, weil's halt stimmt und weil es jeder (jedenfalls fast jeder, der dann gestern Abend mit im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin gesessen hatte; allzu viele waren es ja leider nicht) so weiß. Die eingefleischten Bach-Fans haben sowieso, wie zu vermuten ist, mindestens eine der berühmten CD-Boxen aller BWVs zuhause im Regal stehen, ob nun mit Harnoncourt oder mit Rilling oder mit Koopman; egal. Zum vergleichenden oder auch "kontrollierenden" Nachhören taugen sie allemal.
Also:
Der Abend präsentierte sechs sog. Klavierkonzerte von Johann Sebastian Bach [s. Werkaufstellung unten], und die waren freilich "ursprünglich" fürs Cembalo gedacht gewesen - völlig unabhängig davon, ob es sich bei dem einen oder anderen um sog. "Parodien" gehandelt hätte oder hatte.
Im Programmheft war dann auch ein sehr informativer Text zu lesen, in dem richtigerweise auf den großen Bach-Wiederentdecker Felix Mendelssohn Bartholdy abgehoben wurde, der - außer dass er damals der Bach'schen Matthäuspassion nach ihrem hundertjährigen Dornröschenschlaf zu einer Art von Neugeburt verhalf - in seiner Amtszeit als Gewandhauskapellmeister in Leipzig beispielsweise auch die Bach'schen Cembalokonzerte nachgerade populär machte, indem er sie auf in dieser Zeit "üblichen" Klavieren teils selbst resp. mit anderen damals berühmten Pianisten zusammen aufführte; so kam es praktisch zweimal zu einer Leipziger Darbietung des legendären Konzerts für 3 Tasteninstrumente in d-Moll BWV 1063 mit Mendelssohn sowie der jungen Clara Wieck und Ignaz Moschéles 1835 und Mendelssohn sowie Franz Liszt und Ferdinand Hiller (1840).
Diese schöne Tradition im Hinterkopf wollte nun die gastiert habende Kammerakademie Potsdam einen etwas ähnlichen "Wiederbeglückungsversuch" starten; und obwohl die Stücke in allen ihren Sätzen sattsam bekannt und hie und da herauf und herunter genudelt werden.
Nur leider klang das alles ziemlich dickleibig und breiig und hinzu auch viel zu langsam und behäbig, ergo ohne auch nur einen klitzekleinen Anflug von Esprit; von klanglicher Transparenz konnte aus allen diesen Gründen auch nicht mehr die Rede sein.
Nein, schuld an dem Debakel sind natürlich nicht die Musikerinnen und Musiker, die sich (obgleich das Thema der historischen Aufführungspraxis für sie mitnichten eine Rolle zu spielen schien) redlich bemühten - schuld ist diese völlig abwegige Idee, drei Riesen-Steinway-Klopper auf das ohnehin recht kleine KMS-Podium zu stellen oder stellen zu lassen, um hierauf dann Bach zu musizieren. Das hierzu bestellte Pianisten-Trio mit Anna Vinnitskaya, Jewgenij Koroliov und Ljupka Hadzigeorgieva imponierte allenfalls dadurch, dass es den Mut besaß, an jeweils einem dieser Riesen-Steinway-Klopper einen filigranen Bach in Angriff nehmen zu wollen; der Ehrgeiz war zu spüren, das Ergebnis allerdings: fatal.
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Vielleicht hätte man drei kleinere Flügel für das Ausnahmekonzert ausleihen sollen; dann hätte der Gesamtklang im Verhältnis zum Orchester, wenigstens dann der, in etwa funktioniert.
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Andre Sokolowski - 29. Oktober 2022 ID 13878
KAMMERAKADEMIE POTSDAM (Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin, 28.10.2022)
Johann Sebastian Bach: Konzert für drei Klaviere und Orchester d-Moll BWV 1063
- Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 f-Moll BWV 1056
- Konzert für zwei Klaviere und Orchester c-Moll BWV 1060
- Konzert für zwei Klaviere c-Moll BWV 1062
- Konzert für Klavier und Orchester Nr. 7 g-Moll BWV 1058
- Konzert für drei Klaviere C-Dur BWV 1064
Anna Vinnitskaya, Klavier
Jewgenij Koroliov, Klavier
Ljupka Hadzigeorgieva, Klavier
Kammerakademie Potsdam
Dirigent und Violine: Suyeon Kang
Weitere Infos siehe auch: https://www.kammerakademie-potsdam.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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