Mit hellerer
Klänge
Wellenschlag
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Die Kölner Kantorei sang unter der Leitung von Georg Hage das Chorwerk Gegen den Krieg | Foto © Ansgar Skoda
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Bewertung:
Kirchen sind seit jeher auch Orte des Friedens, der Zuflucht und der Einkehr. Der diesjährige ROMANISCHE SOMMER erinnerte unter dem Leitgedanken „Frieden“ an den Friedenswunsch der vier Weltreligionen und der UN-Charta, angesichts zerstörerischer Kriege, verhärteter Fronten und weltweit steigenden Rüstungsausgaben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die romanischen Kirchen Kölns wiederaufgebaut. Hier wird nunmehr seit 1988 der ROMANISCHE SOMMER mit ausgewählten Chören, Ensembles und Solisten veranstaltet. Die Romanische Nacht vom 25. bis 26. Juni in Kölns ältester Basilika, der frühromanischen St. Maria im Kapitol, ließ Momente des Friedens aufscheinen.
Ab etwa 20 Uhr widmete sich die Kölner Kantorei unter der Leitung von Georg Hage Chorwerken aus Kriegszeiten, Friedensrufen und Klageliedern. Simon Wawer (geb. 1979), selbst Chormitglied der Kölner Kantorei, verarbeitet in seiner Komposition Oremus pro pace (dt.: Beten wir für den Frieden) Eindrücke des Besuchs eines ehemaligen Konzentrationslagers. Friedensrufe wechseln sich im getragen schwebenden Tempo in sieben Sprachen ab. Danach bringt der Chor Hanns Eislers Gegen den Krieg nach einem Text von Bert Brecht , eindringlich und rhythmisch ausdrucksstark zur Aufführung. Wie liegt die Stadt so wüst von Rudolf Mauersberger ist eine Trauermotette von 1945 anlässlich der damaligen Zerstörung Dresdens und der ausgebrannten Kreuzkirche, die der Chor vier- bis siebenstimmig mit spannungsvollen Dissonanzen und dynamischer Steigerung vorträgt. Die Chorballade Der Samländische Aufstand 1525 von Henning Frederichs erzählt von einem Bauernaufstand gegen den Adel und die Kirche. Gesungene und gesprochene Passagen stehen hier alternierend und in Spannung zueinander. Es folgen mehrstimmig vorgetragene, eingängige Gebete, Motetten und Chorsätze, deren Textzeilen auch Kriegsschrecken, Frieden und Versöhnung thematisieren. Gesangliche Anrufungen richten sich oft an den Herrn, der die Gemeinschaft nicht verlassen, sondern Hilfe spenden soll.
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Das Musikensemble Harmonie Universelle gestaltete ab 21 Uhr zusammen mit der Sopranistin Dorothee Mields den zweiten Teil des Abends unter der Leitung von Florian Deuter. Während ihres Programms Corona Stellarum bieten die fünf Künstler Motetten, Sonaten und geistlichen Solo-Kantaten von Johann Christoph Pez (1664-1716) dar. Die konzertante Vokalmusik richtet sich an die Gottesmutter Maria, „Königin des Himmels und der Erde“. Mields singt in eindringlichen melodischen Linien lateinische Arien und Rezitative über die Heiligkeit, Bescheidenheit, Freigebigkeit und Barmherzigkeit Mariens und wird hierbei vom Kölner Barockensemble stimmungsvoll begleitet.
Nach einer kurzen Pause tritt das zwanzigköpfige Ensemble Vocapella Limburg unter der Leitung von Tristan Meister gegen 22:30 mit dem, der Romantik gewidmeten Programm Traumlicht auf. Ein Hornquartett begleitet den Männerchor während ihrer ausdrucksstarken Interpretation von Franz Schuberts Nachtgesang im Walde und Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Publikum zeigt sich begeistert von behutsam mehrstimmig vorgetragenen englischsprachigen Volksliedern wie Ralph Vaughan Williams Loch Lomond und Arthur Sullivans The long day closes. Drei Tenöre verlassen die Gruppe und besingen das überwiegend in der Ostkonche hinter dem Lettner platzierte Publikum von hinten, was zu einem höchst eindrücklichen akustischen Erlebnis führt. Bei Kompositionen von Carl Steinhauer lässt die Hornbegleitung wieder aufhorchen. Der Männerchor bringt weitere Werke romantischer Tonsprache zur bewegenden Aufführung, etwa von Sigfrid Karg-Elert, Franz Biebl, Max Reger und Richard Strauss.
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Ein Höhepunkt der Romanischen Nacht ist schließlich gegen 23:30 das Streichquartett Tengerton mit Sounds of Heaven. Es ging 2023 aus einem mongolischen Ensemble hervor. Die vier Musiker tragen neu arrangierte, traditionelle Lieder aus der Mongolei mit klangvollem Obertongesang vor. Ihre Lieder handeln vom sich ankündigenden Regen oder von der Brise des Windes über die Steppe. Variantenreicher Kehlkopfgesang versetzt die Konzertbesucher in Erstaunen. Verschiedene Musiker aus dem Ensemble führen die komplexe Vokaltechnik des sogenannten Khöömii vor, während sie sich an Streichinstrumenten wie der Pferdekopfgeige oder Laute begleiten. Khöömii ist eine Kommunikation im täglichen Leben der Nomaden, bei der sich mehrere Klänge der Stimme gleichzeitig überlagern. Farbenreich erklingen ein feines Brummen und Pfeifen. Experimentierfreudig erzählt das Streichquartett von nomadischem Wissen, dem Altai-Gebirge, der mongolischen Wüste Nobi und Reiternomaden. Resonanzen und Schallwellen schwingen, hallen nach. Ein schöner Ausklang des akustisch reizvollen und vielgestaltigen Festivals.
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Das Tengerton Quartett beim Abschlussapplaus in der Basilika St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda
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Sommerlich heiße Temperaturen locken während verschiedener Festivals vokaler Musik auch andernorts in kühle, feierlich geschmückte Kirchen und eindrucksvolle Klangräume. So feiert das Rheinvokal-Festival im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz in diesem Jahr sein 20jähriges Jubiläum und wurde kürzlich stimmgewaltig, kraftvoll aber auch leise in der Abteikirche Maria Laach mit der Rheinischen Kantorei und dem Concerto Köln eröffnet. Es folgen noch etwa sechzehn weitere Konzerte an ausgewählten Orten am Mittelrhein.
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Ansgar Skoda - 2. Juli 2025 ID 15345
Weitere Infos siehe auch: https://www.romanischer-sommer.de
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