Strahlkraft - vom
Stimmglanz
umglüht
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Gitarrist Olmo Marín und Sängerin Nancy Vieira performen bei der Romanischen Nacht 2023 in der Basilika St. Maria im Kapitol kapverdische Mornas | Foto © Ansgar Skoda
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Bewertung:
Am vergangenen Freitag fand das Kölner Festival ROANISCHER SOMMER mit der „Romanischen Nacht“ seinen Höhepunkt. In Kölns größter romanischer Basilika, St. Maria im Kapitol, wurde von 20 Uhr an bis nach Mitternacht musikalischer Facettenreichtum geboten. Allen Stücken gemein war der Bezug auf das Thema des Festivals: Strahlen. Im Wechselspiel von Licht und Schatten wurde die imposante Architektur der Kirchenräume in warmen Farben beleuchtet. Im Resonanzraum der Basilika erstrahlten jedoch alsbald auch rauschende Klänge, helle Timbres der Stimmen und eine eindringliche, immersive Musik.
Die Kammerchöre Consono und Maulbronner Kammerchor setzten in diesem Jahr den Anfang. Sie suchten sich für ihr gemeinsames Projekt die jazzartige Komposition Die Sterne des 1930 geborenen Kölner Komponisten Harald Banter aus. Seine nach Lyrik von Annette von Droste-Hülshoff 2018 komponierte Suite für gemischten Doppelchor wurde nun während der Romanischen Nacht unter der Leitung von Harald Jers und Benjamin Hartmann in großer Chorbesetzung uraufgeführt. In ihren Versen widmete sich Droste-Hülshoff gedanklich dem geheimnisvollen Flimmer, Schimmer und Glanz des Planetenfirmaments. Diese Faszination für die Himmelskörper fing Banter in seinen drei Teilen 1. Frage, 2. Antwort – Vernunft und Begeisterung und 3. Die Nacht ein. Darüber hinaus führten die Kammerchöre Zwei geistliche Gesänge op 14. auf, welche der Österreicher Karl Weigl 1909 komponierte. Im Lux Aeterna (1966) des österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti werden lange, weiche Tonfolgen leicht verändert eng nacheinander gesungen. Höhepunkt des ersten Teil des Abends ist das Stück Lume (2007) der 1981 geborenen schwedischen Komponistin Andrea Tarrodi. In sphärisch schwebend oszillierenden Klängen entfaltete sich das wiederholt gesungene Wort „Licht“ im Resonanzraum der Kirche. Während eines Hand-Tremolo spielte die Fingerfertigkeit der Sängerinnen und Sänger eine Rolle, wenn sie durch Klopfen auf ihre Münder einen bebenden, wellenförmig schwingenden Effekt erzeugten.
Im zweiten Programmpunkt der Romanischen Nacht performt ein Duo um Nancy Vieira und Olmo Marín melancholisch-sehnsüchtige Lieder unterschiedlicher Komponisten, sogenannte kapverdische Mornas, die von den Kapverdischen Inseln im Atlantik inspiriert sind. Als Übertitel diente „Morna“, das musikalische Identitätszeichen der Insulaner der Kapverden. Der sanfte, bemerkenswert leichte Gesang von Sängerin Nancy Vieira handelte in kreolischer Sprache von Nostalgie, Heimkehr oder romantischer Liebe. Kreolisch/Criolu ist ein eigenständiges Idiom der Inseln, bestehend aus afrikanischen und portugiesischen Sprachelementen. Vieira wurde vom Gitarristen Olmo Marín, der auch an einer portugiesischen Cavaquinho musizierte, begleitet und animierte sowohl ihn als auch das Publikum mehrfach zum Mitsingen der Refrains. Facettenreichtum im mal wehmütigen, mal rhythmischen Ausdruck prägte die kurzweilige Darbietung.
Das britische A-cappella-Oktett Voces 8 unter der Leitung von Barnaby Smith sang als dritter Programmpunkt Werke der englischen Renaissance bis hin zur Gegenwart. Das Vokalensemble wurde 2003 von ehemaligen Chorsängern der Westminster Abbey gegründet und war in diesem Jahr für den Grammy für das beste klassische Sammelprogramm nominiert. Viele der vorgetragenen Kompositionen wie O Clap your hands von Orlando Gibbons oder Nesciens Mater von Jean Mouton stützten sich auf sakrale Werke oder spirituelle Bilder. John Wilbyes englisches Madrigal Draw On Sweet Night erhob in meditative Klangwelten voller Dynamik und Intensität. Die Sopranistinnen Andrea Haines und Molly Noon, Altistin Katie Jeffries-Harris, Altist und Countertenor Barnaby Smith, die Tenöre Blake Morgan und Euan Williamson, Bariton Christopher Moore und Bass Dominic Carver begeisterten mit geraden, vibratolosen vokalen Ausdruck und genau aufeinander abgestimmten Harmonien.
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Voces 8 bei der Romanischen Nacht 2023 in der Basilika St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda
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Den letzten Programmpunkt des Abends ab 23 Uhr bestritten Jens Düppe und Simin Tander mit eigenen, vom Jazz geprägten, mitunter improvisiert wirkenden Kompositionen, die unter dem übergeordneten Thema „Drops of Happiness“ zum Innehalten einluden. Die deutsch-afghanische Sängerin Simin Tander sang mit zarter und trotzdem kraftvoller Stimme nuancenreich in Englisch und in Afghaani/ Paschtu, der Sprache ihres Vaters. Jens Düppe begleitete seine selbst komponierten Werke wie The Beat, Kora und Silent Wave am Schlagzeug und am elektromechanischem Fender Rhodes-Piano. Während der unkonventionellen Darbietung gingen sich steigernde Rhythmen und dynamische Melodiebögen fließend ineinander über und trafen auf dramatisch-meditativen Gesang. Flirrend eingewobene elektronische Effekte und klanglicher Farbenreichtum bereicherten die Performance.
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Wie jedes Jahr war die Veranstaltung gut besucht, und manchmal mussten Zuhörer sich mit Stehplätzen begnügen. Es entfaltete sich in der romanischen Kirche wieder eine besondere Atmosphäre. Den Zuschauern war es erlaubt, sich auch während des Konzertes in der Kirche leise zu bewegen, was ganz besondere Perspektiven und Raumeindrücke ermöglichte. Oft war es auch erholsam, sich von den harten Kirchenbänken für kurze Augenblicke zu lösen. Sämtliche Darbietungen fanden hinter dem Lettner statt, was für die im Mittelschiff sitzenden Besucher alles etwas zu sehr in die Ferne rückte.
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Ansgar Skoda - 20. Juni 2023 ID 14259
Weitere Infos siehe auch: http://www.romanischer-sommer.de/
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