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Kammeroper

Im Schwindel

des Schwindels



Anna Agathonos (als Madame Flore) in Das Medium von Gian Carlo Menotti - im Staatstheater am Gärtnerplatz | Foto (C) Marie-Laure Briane

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Madame Flora beugt sich über ihren Tisch, er hebt vom Boden ab, Rauch steigt auf, die spiritistische Séance hat begonnen. Und da ruckelt auch mein Stuhl. Die Szene dreht sich vor unser aller Augen! Wir kreisen zusammen mit Flora auf der Drehbühne des Gärtnerplatz-Studios, immer wieder vorbei am Orchester – sind etwa auch wir in den Strudel des Mediums geraten?

Dabei ist von Anfang an klar: alles Mumpitz. Madame Flora gibt nur vor, Kontakt zu Verstorbenen aufzunehmen, missbraucht dazu ihre Tochter Monica und den Pflegesohn Toby. Sie verdient gut an ihren gläubigen Kunden, die sie regelmäßig aufsuchen.

Doch da spürt die mit allen Wassern gewaschene Flora, wie sie eine unsichtbare Hand am Hals packt. Eine Warnung aus der Welt der Geister? Hat sie ihr skrupelloses Spiel zu weit getrieben? Wird sie die Stimmen nicht mehr los, die sie in betrügerischer Absicht gerufen hat? Sie bricht die Sitzung ab und verdächtigt den stummen Toby, ihr einen Streich gespielt zu haben. Der aber kann nicht sprechen, nur Monica still lieben - und wird am Schluss zu Floras Opfer. Und Floras Kunden? Die wollen den Betrug des Mediums nicht einmal dann wahrhaben, als Madame ihn während der nächsten Sitzung aufdeckt und sogar ihre Tricks vorführt.

*

Der Komponist Gian Carlo Menotti (1911-2007) hat so eine Séance 1936 am Wolfgangsee erlebt und machte daraus 10 Jahre später seine Kammeroper Das Medium. Sie eroberte den Broadway mit ihrem eingängigen Sound: liedhafte Nummern, expressive Arien, geheimnisvoll bedrohliche Spuksequenzen. Sogar Arturo Toscanini ging hin und ließ sich von der effektsicheren Dramaturgie verzaubern.

Zwar wurde Menotti von Zeitgenossen immer wieder der Vorwurf gemacht, „Gebrauchsmusik“ zu schreiben. Größen wie Ivan Nagel allerdings sahen in seiner Musik eine ebenso virtuose wie spannende Wiederbelebung veristischen Operntheaters. Das Medium ist an jenem gleichsam zeit- und geschichtslosen Punkt situiert, wo Theatereffekt in Genialität umschlägt, Theatergenie sich im Effekt erfüllt.“ Menotti selbst meinte bloß: „Ich will Öl in den Essig der modernen Musik gießen.“ Das ist ihm großartig gelungen. Den Beweis trat der Komponist am Gärtnerplatztheater bereits 1974 an, als er das Stück dort selbst inszenierte.

Nun hat das Maximilian Berling übernommen und ein Kabinettsstückchen geschaffen, das mit wenigen Mitteln viel Atmosphäre schafft und auch Humor zulässt: als Toby tut, was er nicht darf, nämlich zum Spaß in Floras schwül-muffige Klamotten zu schlüpfen, da freuen sich auch die Jüngsten im Publikum.

Oleg Ptaschnikov führte das kleine Orchester mit präszisem drive, so dass sich Anna Agathonos in der Rolle der Madame Flora sowohl stimmlich als auch schauspielerisch voll entfalten konnte. Andreja Zidaric als Tochter Monica gab ihrem Part jugendliche Wärme und Empathie, Christian Schleinzer in der stummen Rolle des Toby flogen die Herzen zu. Die Kunden Mrs. und Mr. Gobineau (Elaine Ortiz Arandes und Timos Sirlantzis) sowie Mrs. Nolan (Ann-Katrin Naidu) rundeten das ausgezeichnete Ensemble ab.

Kleine Oper ganz groß! Man kann auch mit Kindern hingehen, sie dauert nur eine Stunde.



Christian Schleinzer (als Toby) und Andreja Zidaric (als Monica) in Menottis Kammeroper Das Medium im Staatstheater am Gärtnerplatz | Foto (C) Marie-Laure Briane

Petra Herrmann - 6. November 2021
ID 13273
DAS MEDIUM (Studiobühne, 05.11.2021)
Musikalische Leitung: Oleg Ptashnikov
Regie: Maximilian Berling
Bühne und Kostüme: Rainer Sinell
Licht: Michael Heidinger
Dramaturgie: Fedora Wesseler
Besetzung:
Monica ... Andreja Zidaric
Toby ... Christian Schleinzer
Madame Flora ... Anna Agathonos
Mrs. Gobineau ... Elaine Ortiz Arandes
Mr. Gobineau ... Timos Sirlantzis
Mrs. Nolan ... Ann-Katrin Naidu
Mitglieder des Orchesters des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Premiere im Münchner Gärtnerplatztheater war am 2. November 2021.
Weitere Termine: 07., 09.11.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.gaertnerplatztheater.de/


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petra-herrmann-kunst.de

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