Noch eine Rusalka... 
...und ein Staatskapelle-Konzert in der Semperoper 
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 Die Semperoper Dresden verdankt ihren Ruf als eines der bedeutendsten Opernhäuser der Welt nicht der Entdeckerfreude und dem besonderen Wagemut der Spielplangestaltung, sondern einmal dem prächtigen Bauwerk am Elbe-Ufer und dann der hohen musikalischen Qualität der Aufführungen. Der Regisseur Christof Loy passt zu diesem Haus. Vom Anfang seiner steilen Karriere an galt ihm eine eher konservative, aber stets eindrucksvolle Ästhetik mehr als eine dezidiert politische Interpretation. Mit Luc Bondy hat er mehr gemeinsam als, sagen wir, mit Hans Neuenfels. Auch in seiner Rusalka dringt er zum Kern des Librettos vor, statt sich aufzuplustern und es durch Zutaten aufzumotzen.
 
 Sein "Wiesengrund am Ufer des Sees" ist im Bühnenbild von Johannes Leiacker eine Art grauer Krankensaal und zugleich eine Unterwasserfelslandschaft, die sich im zweiten Akt mit geringen Eingriffen zum Schloss verwandelt. Die Nixen „schwimmen“ im Spitzentanz. Und solange Rusalka, die Mensch sein möchte, nicht mehr schwimmen will und noch nicht gehen kann, stützt sie sich auf Krücken und bricht mehrmals zusammen. 
 
 Die Hexe Ježibaba tritt aus der Pförtnerloge und sieht, in Rosa und Schwarz, eher bieder als grotesk aus. Wenn sie ihr Zaubergetränk braut, trägt sie einen Küchenkittel wie eine brave Hausfrau. 
 
 Prinz (Tenor) und Wassermann (Bass) treten einander als Antagonisten gegenüber. Der Wassermann repräsentiert dabei, auch musikalisch und beäugt von einer Figur in Volkstracht, die (böhmische) Heimat, das Zuhause. Die beiden Sänger Pavel Černoch und Alexandros Stavrakakis sind die Stars innerhalb des Ensembles.
 
 Joana Mallwitz dirigiert die Sächsische Staatskapelle Dresden kontrastreich zwischen zärtlichem Lyrismus und energischem Pathos. Sie kennt die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen Dvořák und dem von ihm bewunderten Richard Wagner.
 
 
 
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 Olesya Golovneva als Rusalka | (C) Semperoper Dresden/Ludwig Olah
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 Gleicher Ort, andere Zeit:  die Sächsische Staatskapelle spielt, diesmal unter der Leitung ihres ersten Gastdirigenten Myung-Whun Chung, Schumann und Tschaikowsky. Liegt Rusalka in Deutschland wohl eher außerhalb des Repertoires – in Dresden, unweit der tschechischen Grenze, gab es seit 1948 vor der aktuellen Neuinszenierung immerhin schon drei Fassungen –, so herrscht an Aufführungen von Schumanns Cello-Konzert und Tschaikowskys 6. Symphonie kein Mangel. Solistin ist die zurzeit zu den meistgefragten Cellistinnen zählende Sol Gabetta, die sich für den Applaus mit dem kurzen gezupften Capriccio Nr. 5 des 1710 in Brüssel geborenen Ferdinand Dall‘Abaco bedankte.
 
 Tschaikowskys Pathétique hebt anschließend wie aus dem Nirgendwo an. Angeheizt durch die effektvolle Steigerung – der Marsch liegt offenbar nicht nur Putin, sondern auch den Deutschen im Blut –, gibt es Spezialapplaus nach dem 3. Satz. Tatsächlich gelingt eine Darbietung, die keine Abnützungserscheinungen aufweist. Das ist das Wunder der Musik. Wem käme es in den Sinn, von ihr zu sagen, sie sei „angestaubt“?
 
 Seit einger Zeit ist es Mode geworden, sich dem Vorwurf der Konzeptlosigkeit zu entziehen, indem man Spielzeiten oder einzelne Konzerte unter ein Motto stellt. Meist ist es so allgemein formuliert, dass es auf nichts und alles passt. Ob es hilfreich ist, wenn man Schumann mit Tschaikowsky unter dem Stichwort "Willkommen und Abschied" verklammert, sei dahin gestellt. Es ist jedenfalls so bildungshuberisch wie Goethes Skulptur am Eingang zur Semperoper. Andererseits: wo, wenn nicht an der Pforte, sollte man willkommen geheißen und verabschiedet werden?
 
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Thomas Rothschild - 12. Juni 2022 ID 13668
 
RUSALKA (Semperoper, 11.06.2022)
 Musikalische Leitung: Joana Mallwitz
 Inszenierung: Christof Loy
 Bühnenbild: Johannes Leiacker
 Kostüme: Ursula Renzenbrink
 Licht: Bernd Purkrabek
 Choreografie: Klevis Elmazaj
 Chor: Jonathan Becker
 Dramaturgie: Juliane Schunke
 Besetzung:
 Der Prinz ... Pavel Černoch
 Die fremde Fürstin ... Elena Guseva
 Rusalka ... Olesya Golovneva
 Der Wassermann ... Alexandros Stavrakakis
 Die Hexe ... Christa Mayer
 Der Wildhüter ... Sebastian Wartig
 Der Küchenjunge ... Nicole Chirka
 Erste Nymphe ... Ofeliya Pogosyan
 Zweite Nymphe ... Stepanka Pucalkova
 Dritte Nymphe ... Constance Heller
 Ein Jäger ... Simeon Esper
 Sächsischer Staatsopernchor Dresden
 Sächsische Staatskapelle Dresden
 Premiere war am 7. Mai 2022.
 Weitere Termine: 28.11. / 01., 09., 12., 15., 17.12.2022
 Eine Koproduktion mit dem Teatro Real Madrid, dem Teatro Comunale di Bologna, dem Gran Teatre del Liceu Barcelona und dem Palau de les Arts Reina Sofía, Valencia
 
 
 SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE DRESDEN (Semperoper, 12.06.2022)
 Robert Schumann: Violoncellokonzert a-Moll op. 129
 Pjotr I. Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74 Pathétique
 Sol Gabetta, Violoncello
 Sächsische Staatskapelle Dresden
 Dirigent: Myung-Whun Chung
 
 
 Weitere Infos siehe auch: https://www.semperoper.de/
          
     
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