Monteverdi Choir & Orchestre Révolutionnaire et Romantique
John Eliot Gardiner
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Der 1964 von Sir John Eliot Gardiner, dem Grandseigneur der historischen Aufführungspraxis, gegründete Monteverdi Choir ist seit Jahren und Jahrzehnten ein besonders gern gesehener und gehörter Gast nicht nur bei uns hier in der Hauptstadt. Ganz zuletzt sang er bei den Berliner Philharmonikern Brahms' Schicksalslied und Mendelssohn-Bartholdys Lobgesang; das war im März d.J. Meistens reisen Gardiner & Chor dann allerdings mit "eigenem" Orchester an, und in den letzten Jahren waren das vor allem die Musikerinnen und Musiker des (1989, ebenfalls von Gardiner, gegründeten) Orchestre Révolutionnaire et Romantique - in dieser Konstellation gastierten die Originalklang-Spezialisten beispielsweise mit Berlioz' Benvenuto Cellini beim MUSIKFEST BERLIN 2019.
Nun waren sie erneut da und führten die grandiose Missa solemnis in D-Dur op. 123 auf - die sollte eigentlich bereits im (wg. Corona fast gänzlich ausgefallenen) Beethovenjahr 2020 am selben Ort stattgefunden haben; endlich wurde sie jetzt also nachgeholt!
Beethoven selbst bezeichnete die Missa als sein größtes Werk. Sie nimmt in seinem "an Glanzstücken nicht armen Gesamtschaffen eine Sonderstellung ein. In ihr formulierte der Komponist einmal mehr die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – zu einer Zeit, in der aufgrund der Restauration die Vorstellung eines von aufgeklärter Humanität geprägten Christentums längst ferne Utopie geworden war." (Quelle: Musikfest Berlin)
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Gardiners Herangehensweise ist von schier epischer Natur - und so "erzählt" er diese Messe - flüsternd, murmelnd, klagend, aufbrausend, entschwindend, laut und leise, warm und kalt...
Der immer gleiche Missa-Text - Choristinnen und Choristen dieser Welt vermögen ihn in Anbetracht seiner vielleicht fast allzu routinierten Abgesungenheit womöglich kaum noch (geistig) zu verinnerlichen - setzt selbstredend auch die ungläubigsten Ungläubigen, so wie mich zum Beispiel, in das artigste Benehmen; zwischenzeitlich weiß ich freilich längst, worum es in den sängerischen Anrufungen und Verlautbarungen all der vielen Messen unzähliger Komponistinnen und Komponisten geht, und eine demütige Eingekehrtheit macht sich jedes Mal ganz selbstverständlich auch in mir gemütlich breit; besonders heutzutage, da ich mit der Welt, so wie sie sich mir präsentiert (mit Krisen, Klimaschocks und Krieg), nicht oder nicht mehr klarkomme, scheinen so Trosts & Hoffnungen, wie sie in diesem ewigen Lateinisch aufgeschrieben wurden, tiefen Sinn zu machen, ja, kurzum: Ich gab mich dieser sonderbaren Hohen Stimmung widerstandslos hin; und Gardiner mit seinen Heerscharen war daran schuld.
Und dass die Neunte Beethovens das Nonplusultra abendländischer Musik sein soll, weil sie (allein von ihrem "Alle Menschen werden Brüder"-Text), seit es sie gibt, derart symbolisch aufgeladen wurde und noch immer aufgeladen wird, mag soweit stimmen - wahr ist's nicht, denn: seine Missa solemnis ist und bleibt sein eigentlicher Gipfel.
Diesen Abend werde ich als Überwältigung in der Erinnerung behalten.
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Sir John Eliot Gardiner und das Orchestre Révolutionnaire et Romantique sowie der Monteverdi Choir mit Beethovens Missa solemnis beim MUSIKFEST BERLIN am 31. August 2022 Foto (C) Fabian Schellhorn
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Andre Sokolowski - 1. September 2022 ID 13781
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 31.08.2022)
Ludwig van Beethoven: Missa solemnis op. 123
Lucy Crowe, Sopran
Ann Hallenberg, Mezzosopran
Giovanni Sala, Tenor
William Thomas, Bass
Monteverdi Choir
Orchestre Révolutionnaire et Romantique
Dirigent: John Eliot Gardiner
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
https://www.andre-sokolowski.de
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