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Autorinnenlesung

Judith

Hermann

las auf der

lit.COLOGNE

2023



Foto (C) Ansgar Skoda


Schreiben heiße auch Nachdenken, sich gegen Sätze zu entscheiden und etwas weg zu lassen. „Kill your Darlings“, habe ihr die bekannte Regisseurin und Creative Writing-Dozentin Doris Dörrie vor vielen Jahren in einer Schreibwerkstatt als Tipp mitgegeben. In der ausverkauften Kulturkirche im Kölner Stadtteil Nippes spricht Judith Hermann im Rahmen des Literaturfestes lit.COLOGNE über den permanenten Prozess schriftstellerischer Tätigkeit, Leerstellen, den Lockdown und wichtige nicht geschriebene Geschichten. Die heute 52-Jährige gilt seit ihrem gefeierten Debüt Sommerhaus, später (1998) als eine der prominentesten Größen des Literaturbetriebs. Ihre letzten Prosawerke, der Roman Daheim (2021), der Erzählband Lettipark (2016) und der Roman Aller Liebe Anfang (2014) wurden im Feuilleton viel beachtet. Daheim stand sogar 2021 auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis.

Erste Sätze seien wie ein Heiratsversprechen, meint Judith Hermann; manchmal dauere es Wochen oder sogar Monate, bis sie solche Initiationssätze festlege. Sie spricht mit dem Journalisten Knut Elstermann offen und humorvoll über Ihren autofiktionalen Band Wir hätten uns alles gesagt, der am 15. März erscheint. Sie liest drei Ausschnitte aus ihrem neuen Werk vor, die mit knappen witzigen Bemerkungen oder Pointen überraschen. Hermann bleibt dabei stets sehr ernsthaft. Ihre Ich-Erzählstimme scheint lebhaft daran interessiert, die Dinge zu ergründen und besonders die überraschenden Winkel auszuleuchten. Knut Elstermann lobt während der Erstvorstellung ihres neuen Werks ihre Bildsprache - etwa die Topoi Heim, heimlich, unheimlich – und sieht leise literarische Bezüge zu E.T.A. Hoffmanns Schauerromantik. Hermann meint, Bücher seien für sie auch wie Häuser, eben Häuser aus Papier, die vielleicht sogar noch länger fortbestehen.

Entstanden sind ihre autofiktionalen neuen Texte im Rahmen ihrer Frankfurter Poetik-Vorlesung in den Jahren 2021-2022. Beginnend 1959 mit Ingeborg Bachmann, beschäftigt sich in dieser Vorlesungsreihe an der Goethe-Universität Frankfurt am Main jedes Semester ein anderer prominenter Autor unter einem frei gewählten Titel mit Fragen zur poetischen Produktion und ihren Bedingungen. Zu den jüngeren Dozenten zählt Christian Kracht, der seine publikumswirksamen Vorträge von 2018 bisher nicht veröffentlichte. Auch Hermann hat zunächst eine mögliche Publikation ihre Vorträge in Zweifel gezogen. Der S. Fischer Verlag wusste sie jedoch argumentativ zu überzeugen. Ihre Lesungen wollte Hermann nicht akademisch halten. Sie hatte für ihre Vorträge eine maximale Freiheit, und es gab seitens der Hochschule keine Erwartungsvorgaben. Auf Elstermanns Einwurf hin, dass diese Vorträge ja auch Bausteine für eine Biografie sein könnten, meint Hermann, dass sie ihre Werke sowieso stets nah an eigenen Erfahrungen schreibe.

In ihren Vorträgen geht sie der Frage nach, wie sie eine Spannung in ihren Texten erzeugt. Dies geschehe sehr stark dadurch, dass sie etwas weglasse und durch eine Anwesenheit des Nicht-Beschriebenen einen Energieraum erzeuge. Andersherum formulierte sie es so: „Je mehr ich erzähle, um so mehr verschweige ich.“ In Anwesenheit der Autorin weckte dies natürlich beim Interviewpartner Elstermann und dem Publikum die Neugierde – was ist Wahrheit, was ist Fiktion? So nannte Hermann, in einer vorgetragenen Erzählung, den Psychoanalytiker der Ich-Erzählfigur, dem die Protagonistin eines Abends in der Stadt begegnet, lautsprachlich „Herr Drehüs“. Und schon hätten die Studierenden in der Frankfurter Poetik-Vorlesung diesen Namen gegoogelt - ohne Ergebnis. Die Schriftstellerin erwähnt während des Vortrags, dass sie selbst viele Jahre lang an drei Tagen pro Woche bei einem Psychoanalytiker gewesen sei. Und schon drängt sich beim Figuren-Namen ein Spiel mit dem Begriff „Drehtür“ auf.

Während der etwa anderthalbstündigen Veranstaltung meint Hermann, sie sei zu Beginn ihrer Lesereise recht aufgeregt und plane erst einmal kein neues Prosawerk. Sie spricht noch über den Lockdown, der für sie einen Art Isolationsraum bedeutete. Sie sah über längere Zeit nur noch sehr wenige Menschen. Wert lege sie besonders auf das Fluide und Offene von Worten. Mit Fotos würden Menschen oft eine Distanz zwischen sich und Objekten schaffen, um sie später vielleicht als „Beute“ zu teilen. Worte eröffneten ihr da eher eine Hoffnung auf eine Verständigung mit dem Leser. Nach anhaltenden, warmen Schlussapplaus bildet sich eine Schlange vor dem Podium, wo Hermann noch lange Bücher der Veranstaltungsbesucher signiert.
Ansgar Skoda - 12. März 2023
ID 14098
S. Fischer-Verlagslink zu Wir hätten uns alles gesagt


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