Jäger und
Gejagte
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Bewertung:
Der weiße Fährtenleser Cory Lambert (Jeremy Renner) arbeitet für die US-Naturschutzbehörde und wird in das Indianerreservat Wind River in Wyoming gerufen, weil Pumas in der vereisten Winterlandschaft sich über das Vieh hermachen. Corey kennt die unwirtliche Gegend gut, denn er hat dort eine Zeit lang gelebt, als er mit einer Ureinwohnerin verheiratet war und sie eine gemeinsame Tochter hatten. Kaum herangewachsen, wurde das Mädchen tot aufgefunden und der Mord an ihr niemals aufgeklärt. Das hat so tiefe Spuren hinterlassen, dass die Ehe in die Brüche ging.
Auf der Suche nach den Pumas findet Corey eine Leiche im Schnee. Es ist Natalie (Kelsey Asbille), die beste Freundin seiner getöteten Tochter. Auch dieser Jugendlichen wurde Gewalt angetan. Weil sie aber an den Folgen der eisigen Kälte gestorben ist, kann nicht einmal Mordanklage erhoben werden, doch das FBI schickt die junge unerfahrene Agentin Jane Banner (grandios: Elizabeth Olsen) aus Florida, die in der lebensfeindlichen Landschaft des Reservats nicht einmal bei der Tatortbesichtigung eine Überlebenschance hätte. Doch Jane erweist sich tougher als erwartet. Sie ist die einzige, die mit Vollmachten der Bundesbehörde ausgestattet ist und effektiv ermitteln kann. Also beißen Corey und die Ureinwohner in den sauren Apfel und helfen ihr. Doch Wind River unter der Regie von Taylor Sheridan ist mehr als ein Krimi, denn bei der Lösung des Falls gerät Corey immer wieder an seine Grenzen, da er den Tod seiner Tochter noch nicht verarbeitet hat. So kommen auch Aspekte des Psycho- und Sozialdramas zum Tragen.
Taylor Sheridan schrieb die Drehbücher zu Sicario und Hell or High Water. Sein Skript zu Wind River sieht er als Abschluss einer Trilogie; und weil ihm dieser Film so wichtig war, wollte er selber Regie führen, was ihm hervorragend gelungen ist. Die drei Filme haben gemeinsam, dass sie von Menschen am Rande der Gesellschaft handeln, und schlimmer als die Lebenssituationen in den Reservaten kann kaum ein Rand der Gesellschaft sein. Im real existierenden Reservat Wind River leben Arapahoe und Schoschonen gemeinsam, bei denen Sheridan eine Weile gelebt hat und sich ihre Geschichten erzählen ließ. Eine Arbeitslosenrate von 80 Prozent Suchterkrankungen, eine hohe Selbstmordrate zeugen von der Perspektivlosigkeit dort, die Sheridan in seiner fiktionalen Story sehr gut einfängt. Auch die Gewalttaten, die an Frauen begangen werden, sind häufig, doch es macht sich niemand die Mühe, eine Statistik anzufertigen über die Zahl. Die Behörden sind da nachlässig. Diese Frauen passen offensichtlich in das „Beuteschema“ gewisser Männer, für die die Ureinwohner Menschen minderen Wertes sind.
Die Spur der Ermittler führt zu weißen Sicherheitskräften, die Bohrungen beaufsichtigen und sich eigentlich nicht mit den Ureinwohnern abgeben. Bis auf einen, mit dem Natalie ein Verhältnis gehabt haben soll. Ein Treffen mit ihm ist ihr offensichtlich zum Verhängnis geworden, und es gibt auch kein Lebenszeichen mehr von ihm. Neben Polizeieinsätzen, einer ausgiebigen Schießerei und Ermittlungen beginnt Corey nun auch seinen Verlustschmerz zu verarbeiten. Dabei helfen sich Corey und Natalies Vater Martin (Gil Birmingham) gegenseitig.
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Zwei Väter, die gemeinsam trauern. Corey (Jeremy Renner) und Natalies Vater Martin (Gil Birmingham), der ein Gesicht mit indianischer Totenbemalung versehen hat | © Wild Bunch Germany
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Gil Birmingham ist ein „echter“ amerikanischer Ureinwohner und Komantsche. Er spielte schon in Hell or High Water mit, in den Twilight-Filmen und vielen anderen Film- und Fernsehrollen. Als trauernde Väter sehr unterschiedlicher Kulturkreise liefern sowohl Renner als auch Birmingham eine schauspielerische Meisterleistung ab, zeigen ihre Verletzlichkeit und die zersetzende Wirkung eines solchen Verlustes. Sheridan hat sich bei seiner Arbeit auch von den Bewohnern von Wind River beraten lassen. Er erklärt dazu: „Realismus ist sehr wichtig. Ich strebe danach, die dargestellte Welt so akkurat und wahrhaftig wie möglich zu erzählen und sicherzustellen, dass sich die Welt selbst wie eine eigene Figur anfühlt, weil sie wichtig für das Leben dort ist. Ich versuche, die Landschaft im Film so wahrhaftig zu zeigen, wie man sie in der Realität empfindet.“ Am Schluss werden die „Jäger“ dann zu Gejagten, und der Fall wird gelöst - allerdings werden in der Realität die meisten Fälle nicht aufgeklärt. Sheridan hat den Opfern solcher Gewalttaten mit seinem Film ein kleines Denkmal gesetzt. Beim Sundance Film Festival und in Cannes wurde Wind River gefeiert und läuft in den USA erstaunlich gut für einen Independence-Film.
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Helga Fitzner - 3. Februar 2018 ID 10506
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