Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Uraufführung


Probleme

Probeme

Probeme

von René Pollesch


Bewertung:    



Probleme sind ja oft der Ausgangspunkt einer allumfassenden Misere; allein mit dem falschen Bein aufgestanden, und der Tag ist gelaufen.

Sieht man das Ganze jetzt allerdings als Doppelspaltexperiment, und das hat ja schließlich mit Quantenmechanik zu tun (und Physik allgemein mit Fakten), ist es mit der Logik aber auch nicht weit her.

Wie bekommen wir eigentlich Zugang zur Wirklichkeit?

Doch nicht über Stücke wie Das Käthchen von Heilbronn oder den Sommernachtstraum - der Regisseur will hier einen Paradigmenwechsel, er lässt die Schauspieler Texte aus der Situation entwickeln. Doch was ist jetzt die Situation, wenn alles schon vier mal gesagt wurde?

Ursache und Wirkung haben keine Wirkung mehr, ich bin doppelt, nicht bei dir, aber auch nicht bei mir, zumal das hier eine Doppelvorstellung ist.

*

Dieses recht unterhaltsame Stück setzt nicht auf hohe Literatur. Es gibt zwei verbundene imposante Holzbühnen mit Lichtern wie am Schminktisch, zwei Schlitzen für die Quantenphysik und einen wunderschönen Blumengarten dahinter (Bühne: Barbara Steiner). Da toben sich dann die Kameras aus, um das dahinter zu zeigen, manchmal mit wilder Rockmusik von Led Zeppelin und dem Joint in der Hand. Es ist ja hinter der Bühne. Es ist ja nur Projektion!

Was da zu uns durchsickert, ist Wunschgedanke eigener Fantasien, die Wirklichkeit ist nicht unabhängig von uns, wir kreieren sie unentwegt mit.

"I wanne give You my love! You need cooling. A-way down inside." (Text: Led Zeppelin)

Es gibt also weder feste Regeln, allenfalls Interferenzmuster, keinen gesunden Menschenverstand, sondern nur kollabierte Möglichkeiten.

Und was da teilweise so albern daher kommt, ist also im Grunde der humorvolle Versuch, die graue Theorie zu vergessen, seiner Spontaneität freien Lauf zu lassen und das mit den inneren Werten ad acta zu legen. Alle wollen authentisch sein, das ist wie die Schwerkraft aufheben zu wollen. Pah!! Innere Werte und Selbstverwirklichung, hinter der Bühne im Gewächshaus wird gekifft und sich dem Leben hingegeben.

* * *

Nein! Dem Publikum gefällt‘s, weil alle wissen, das Leben könnte auch ganz anders sein, ohne Ansprüche, ohne Opferverhalten, einfach spontan sich der Lust hinzugeben.

Und da das Doppelspaltexperiment keine uns innewohnende Logik hat, können wir uns lediglich fragen, sind wir denn auch da, wenn wir nicht da sind? D.h. wenn uns niemand beobachtet?

Wie sehr sind wir von Aufmerksamkeit geprägt? Ein Selfie hier, ein Selfie da.

Applaus!! - Es gibt ja Gott sei Dank kein Theater ohne Publikum.

Hier haben wir schließlich den Beobachter, ein waches Publikum, den lebendigen und leibhaften Zuschauer. Und diese Vorstellung hat ein sehr gemischtes Völkchen angezogen. Pluspunkt! Denn jenseits des Repräsentationstheaters soll der Zuschauer mitdenken, sich mit bewegen, dahinter blicken und einen eigenen Zugang zur Wirklichkeit bekommen. - Oder auch nicht. Hier wird niemand gezwungen.

Die Naturgesetze machen ja auch, was sie wollen.

Ein, wenn man so will, doch recht kompliziertes Stück, weil es an Grenzen geht, Grenzen des Darstellbaren. Wir sind auch nur Mensch. Krisen sind größer als wir, weil: Wir sehen eh nur das, was wir in der Lage sind zu sehen.

"Und ausgerechnet heute habe ich entschieden, nicht kreativ zu sein", sagt Sophie Rois.

Aber was dann wirklich passiert, ist auch schon passiert, und obendrein, wie schon gesagt, stimmen Ursache und Wirkung nicht immer überein. Müssen wir uns für alles verantwortlich machen? Selbstoptimierungswahn als Legitimierung dafür, dass wir doch schließlich alles Menschenmögliche tun. Sehen wir das Ganze mal als Experiment, dass jeder auf einer anderen Bühne steht und sich alles ständig wiederholt. Seien wir menschlich mit all unseren Widersprüchen.

Wir müssen über unsere Zukunft reden!

Ich mach da mal die Augen zu und bin nicht da.



Probleme Probleme Probleme von René Pollesch am Deutschen Schauspielhaus Hamburg | Foto (C) Thomas Aurin
Liane Kampeter - 7. April 2019
ID 11337
PROBLEME PROBLEME PROBLEME (Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 06.04.2019)
Regie: René Pollesch
Bühne: Barbara Steiner
Kostüme: Tabea Braun
Licht: Susanne Ressin
Dramaturgie: Sybille Meier
Kamera: Hannes Francke
Video: Ute Schall
Tonangel: Dorian Sorg
Mit: Sachiko Hara, Angelika Richter, Sophie Rois, Bettina Stucky und Marie Rosa Tietjen
Uraufführung war am 6. April 2019.
Weitere Termine: 09., 20., 24.04. / 03., 14., 23.05. / 16., 21., 22.06.2019


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielhaus.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de

Premierenkritiken

Uraufführungen



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)