Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Uraufführung

Bunter Reigen

kultureller

Aneignung und

westlichen

Kulturimperialismus
´



The West von und mit Constanza Macras | DorkyPark | Foto (C) Thomas Aurin

Bewertung:    



Wer wäre besser geeignet, ein Stück über postkoloniales Erbe, kulturelle Aneignung und Bevormundung ehemaliger Kolonialgebiete durch den Westen zu erarbeiten, als die mit ihrer internationalen Truppe DorkyPark in Berlin arbeitende argentinische Choreografin Constanza Macras. Denn vor allem auch an Kunstformen wie Musik und Tanz lässt sich die sogenannte cultural appropriation festmachen. Und was wären heute Rock, Pop, Jazz und moderner Tanz ohne die Verarbeitung multiethnischer Einflüsse? Wie der westliche Einfluss noch immer auf die Kultur und Politik von z.B. Lateinamerika oder Afrika zurückwirkt, u.a. auch davon handelt The West, nach Der Palast Constanza Macras‘ zweite Produktion an der Berliner Volksbühne, deren ehemaliges Markenzeichen OST eigentlich mal eine ganz andere Ausrichtung vorgab.

Aber auch genau deshalb passt diese Tanzperformance hier so gut hin, da der westliche Blick von Anfang an vor allem kritisch-ironisch reflektiert wird. Beginnend mit einer Tanzeinlage im Westernsetting mit Pappfelsen und gemalter Prärielandschaft zu den Klängen von Ennio Morricones Kultfilmmusik Spiel mir das Lied vom Tod bewegen sich die TänzerInnen von DorkyPark, begleitet von den beiden Live-Musikerinnen Almut Lustig und Katrin Schüler-Springorum, die von Country und Rock über klassische Renaissance-Musik bis zu Latinorhythmen so ziemlich alles paart haben.

Auch von den Kostümen her ist das ein Culture-Clash, der u.a. Anleihen bei US-amerikanischen Comic- und Zeichentrickstars nimmt. Es wird vor allem der Figur Wonder-Woman gehuldigt, von der die argentinische Performerin Fernanda Farah in ihrer Kindheit begeistert war. Aber die Ausrichtung nach Westen hatte dann auch ihre negativen Seiten. Alles strebte vor allem nach US-amerikanischen Elektrogeräten, für die man in Argentinien einen Stromadapter brauchte. Eine weitere Folge der Amerikanisierung war aber auch ein Verfall der eigenen Währung. All das erfährt man in den zahlreichen Wortbeiträgen zwischen den Tanzeinlagen, die wie immer mit großem Engagement bis ins Akrobatische gehen. Besonders witzig hier die Anbetung einer „Church of Twerk“. Das Twerking, ein Tanzstil, bei dem viel mit den Hüften und dem Gesäß gewackelt wird, erhebt sich hier zu einer fast sektenartigen Religion, exzessiv von beiderlei Geschlechtern betrieben.

Überhaupt werden hier Geschlechterklischees witzig vorgeführt und wieder in Western-Sketchen oder nachgespielten Szenen aus lateinamerikanischen Telenovelas ad absurdum geführt. Wie im Palast gibt es auch in dieser Produktion eine TV-Quiz-Show, in der nach Herkunft oder Art von Musikrichtungen oder Interpreten gefragt wird. Bastian Trost, Gaststar vom bekannten Performance-Kollektiv Gob Squad, gibt den männlichen Besser-Wessi und Erklärbär zu den „Cancionero de Palacio“ und weiß auch über die Transformation des Rugga-Muffin-Hits Informer von Rapper Snow durch die Musik-Kulturen der Welt von Schweden über Indien bis zum Balkan zu berichten. Selbstironisch nimmt man Fälle kultureller Aneignung in der westlichen Theaterszene auf die Schippe. In einer kurzen Szene gibt es sogar einen kleinen Seitenhieb auf Thalheimers Katzelmacher-Inszenierung im BE.

Das alles wird live intoniert oder per Video eingespielt. Einen weiteren Exkurs gibt es zu den in den der DDR sehr populären Freizeitindianern. Ein Fest für die Augen und Ohren sowie der kulturellen Vielfalt, der die Auswirkungen westlichen Kulturimperialismus zeigt, wie auch die Vernichtung der indigenen Bevölkerung Nordamerikas als Play-Mobil-Figuren-Fight nachstellt, oder die Geschichte der Kolonisation des sehr spirituellen Volks der Xhosa aus Südafrika erzählt und Latina-Pop-Diven wie Jennifer Lopez parodiert, bis eine allgemeine Zombiefizierung und gegenseitige Infizierung einsetzt. Damit aber trotz der etwas zu ausufernden drei Stunden auch bestes Entertainment liefert.



The West von und mit Constanza Macras | DorkyPark | Foto (C) Thomas Aurin

Stefan Bock - 27. Februar 2020
ID 12035
THE WEST (Volksbühne Berlin, 26.02.2020)
Regie und Choreografie: Constanza Macras
Bühne: Alissa Kolbusch
Kostüme: Roman Handt
Licht: Sergio de Carvalho Pessanha
Dramaturgie: Carmen Mehnert
Mit: Candaş Bas, Adaya Berkovich, Alexandra Bódi, Emil Bordás, Kostia Chaix, Fernanda Farah, Thulani Lord Mgidi, Daisy Phillips, Miki Shoji und Bastian Trost sowie den Musikerinnen Almut Lustig und Katrin Schüler-Springorum
Uraufführung war am 26. Februar 2020.
Weitere Termine: 29.02. / 05.,06., 27.03.2020
Eine Koproduktion mit Constanza Macras | DorkyPark


Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin/de/


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de

Ballett | Performance | Tanztheater

Freie Szene



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)