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Schillernde

Monstrinnen

des Hausputzes



Die Zofen am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Der erste Blick irritiert. Die Akteure treten maskenhaft grotesk und befremdlich entindividualisiert in Erscheinung – artifiziell wie Puppen. Die drei auftretenden Darsteller tragen an Hintern und Brüsten künstlich aufgeplusterte Frauen-Fatsuits und Latexmasken mit wulstigen, weit offenstehenden Lippen. Im Genitalbereich hängen zuweilen Reißverschlüsse, denen im Stückverlauf Pflegeprodukte entnommen oder an denen sich ausgiebig gekratzt wird. Regisseurin Claudia Bauer orientiert sich bei den Bildern für ihre Bonner Inszenierung von Jean Genets Die Zofen an surrealistisch-kubistischen Gemälden deformierter Körper des Briten Francis Bacon. Die Darsteller tragen außerdem Mikroports, durch die ihre Stimmen für die Zuschauer künstlich verfremdet werden. Zudem besorgt Roman Kanonik, zuständig für Musik und Live-Sounds, szenische und musikalische Geräusche, wie ein charakteristisches Quietschen bei jedem Schritt ausgewählter Darsteller.

Jean Genet (1910-1986) gilt in der der französischen Nachkriegsliteratur als ein enfant terrible. Er saß selbst wegen Diebstahl, Dokumentenfälschung und anderer Delikte viele Jahre im Knast. Das Setting seines Einakters um das ambivalente Verhältnis zweier Zofen zu ihrer Dienstgeberin geht auf einen realen Fall zurück. In immer neuen Ritualen, Zeremonien und Verkleidungen spielen die Dienstmädchen und Schwestern Claire und Solange ihre eigene Unterdrückung nach. Claire (bemerkenswert: Sophie Basse) übernimmt den Part der Herrin in einem quälenden Spiel aus Dominanz und Unterwürfigkeit, Peinigung und Erniedrigung. Doch bald werden sie von der Realität eingeholt, in der eine ihrer Intrigen fatale Konsequenzen zeitigt. Franz Dittrichs Bühnenbild wartet mit einem Steg und großen, beweglichen Spiegeln auf. Die Hässlichkeit der Figuren korrespondiert mit ihren finsteren, wenig aussichtsreichen oder glückversprechenden Gedanken. Hier werfen sich die Figuren brüllend in Pose und sorgen für allerlei trashige Komik.

Obwohl alle Darsteller künstliche Frauenkörper tragen, eröffnet sich ein subtiles Hierarchiegefälle. Holger Kraft schreitet als gnädige Frau vornehm erhaben und aufrecht im weißen Kleid mit meterlangem Schleier wie eine der muskelbepackten Amazonen aus Priscilla – Königin der Wüste daher. Claire und Solange kommunizieren hingegen anfangs zunächst nackt und tragen später unförmige, schwarze Schürzen (Kostüme: Vanessa Rust). Daniel Breitfelder bewegt sich als Solange mit sorgsamen Trippelschritten, ein Zeichen für Angst und im Stückverlauf womöglich unterdrückte Wut. Die Unterwerfung des sich Verstellens und Verbiegens entwickelte sich längst zur marternden Routine.

Das übertrieben-komödiantische Spiel mit gesellschaftlich zugewiesenen Rollen birgt den einen oder anderen Überraschungseffekt. Recht schnell wird jedoch deutlich, dass die beiden Schwestern aus vorgegebenen Rollenmustern nur schwerlich ausbrechen können. Das durchgehalten Maskenhafte des Regiekonzepts betäubt und ermüdet alsbald in seiner Künstlichkeit etwas. Nichtsdestotrotz ist es durchaus interessant, wie Bauer in Die Zofen das Rollenhafte von Frausein und hierarchischen Positionen als soziale Konstrukte eindrücklich offenlegt.




Die Zofen am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 22. November 2018
ID 11057
DIE ZOFEN (Werkstatt, 20.11.2018)
Regie: Claudia Bauer
Bühne: Franz Dittrich
Kostüme: Vanessa Rust
Musik und Live-Sounds: Roman Kanonik
Licht: Maximilian Urrigshardt
Dramaturgie: Elisa Hempel
Projektionen: Max Schwidlinski
Besetzung:
Claire … Sophie Basse
Solange … Daniel Breitfelder
Gnädige Frau … Holger Kraft
Premiere am Theater Bonn: 15. November 2018
Weitere Termine: 23., 30.11. / 11., 18., 22., 27.12.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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