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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Mit Medea

etwas statisch

in die Post-

Corona-Zeiten



Medea am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Bewertung:    



Sachsen gehört zu den Bundesländern, in denen nach den Corona-Lockerungen Theater nicht nur Open-Air, sondern auch wieder auf der Bühne vor Publikum stattfinden kann. Das Schauspiel Leipzig startet dann auch gleich mit einer richtigen Premiere für abstandsbedingt nur 108 ZuschauerInnen im großen Saal. Sonst sind es sechsmal mehr, wie Intendant Enrico Lübbe in einer kleinen Ansprache vor der Aufführung betont. Aber man ist natürlich froh überhaupt wieder spielen zu können. Und Lübbes Dank gilt vor allem denen hinter der Bühne, die das möglich gemacht haben. Gezeigt wird Medea, das antike Drama von Euripides. Ein klassischer Stoff, der aber immer wieder auch zu Neuinterpretationen herausfordert.

Regisseur Markus Bothe hat seine nur 80 Minuten dauernde Inszenierung, die vor dem Lockdown zu etwa 2/3 fertig geprobt war, sicher an ein paar Hygieneregeln anpassen müssen. Wirklich entscheidend auf die Ästhetik des Abends wirkt sich das allerdings nicht aus. Euripides Drama zwingt einen nicht unbedingt zu besonderen Kapriolen, doch emotional kann es im Fall der aus Korinth verbannten fremden Königstochter aus Kolchis, die aus Rache für die Untreue ihres Mannes Iason beider Kinder tötet, schon werden. Emanzipationsdrama oder Tragödie einer Kindsmörderin, der Stoff hat bereits viele Überschreibungen erlebt. Markus Bothe geht die Sache jedoch relativ stücktreu an.

Kathrin Frosch hat dazu einen Glaskasten auf die Drehbühne gestellt. So entsteht ein teilendes Drinnen und Draußen. Drinnen ist Korinth mit seinem König Kreon (Christoph Müller) nebst Tochter (Nicole Widera) und Gefolge (Philipp Staschull, Friedrich Steinlein, Paul Trempnau), das Draußen ist vor allem nass, da die Bühne etwa fußhoch geflutet ist. Hier herrscht Medea (Anne Cathrin Buhtz im klassischen Abendkleid), und wer zu ihr will, muss sich zwangsläufig die Füße nass machen. So sind die Ausflüge von König Kreon und Noch-Gemahl Iason (Denis Petković) relativ kurz und äußerst förmlich.

Dass die Sache etwas statisch wirkt, ist sicher den Corona-Regeln anzulasten. Doch allzu trocken sollte es dann doch nicht werden. Dem Reigen der Textdeklamation hat Regisseur Bothe einen eigens verfassten Prolog vorangestellt, in dem er die beiden Söhne Medeas (im Wechsel Anton Littger, Lorenzo Vitagliano, Arthur A. Pathak, Theodor Helm) mit Papierschiffchen spielen und die Vorgeschichte der Argonautensaga mit dem Raub des goldenen Vlieses erzählen lässt. Besonders begierig ist König Kreon auf die Schilderung von Medeas Zauberkräften, letztendlich einer der Gründe für das Misstrauen gegen die exotische, fremde Frau und ihre Verbannung aus dem griechischen Korinth.

Das taugt hier aber weder zu einem Flüchtlingsdrama noch zu einem der ausgenutzten, ausgegrenzten und abgelegten Frau. Immer wieder warnend und mahnend schalten sich Lena Drieschner und Ellen Hellwig als Amme, Bote und Chor ein. Etwas forscher sind da die drei jungen Gefolgsleute Kreons, die auch mal etwas deutlicher die Stimme erheben. Ansonsten plätschert der Abend bis auf ein Rededuell zwischen Medea und Iason (coronagerecht getrennt durch die Plexiglasscheibe des Glaskastens) etwas zu vorhersehbar dahin, bis die Kinder im Wasser liegen und der Regen auf das sich verbal zerfleischende Paar niedergeht. Einen kurzen Gastauftritt hat noch Michael Pempelforth als Aigeus, König von Athen, der Medea Schutz gegen Hilfe in Sachen fehlendem Nachwuchs anbietet. Ein ziemlich düsterer Abend, der vor allem in den wohlgesetzten Worten und seiner starken Hauptdarstellerin ruht.

*

Vom einsamen Sitz reißt eines das leider noch nicht wirklich. Der Mut, sich den Umständen zu stellen und unter den gegebenen, schwierigen Bedingungen zu spielen, ist aber unbedingt zu würdigen. Und man ist ja, wie schon gesagt, froh, dass es endlich wieder losgeht und harrt begierig der Dinge, die da noch kommen werden. Geprobt wird im Moment ein Stück in der Regie von Philipp Preuss für die Lange Nacht der AutorInnen, die im Herbst im Rahmen der verschobenen Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin stattfinden soll. Etwas, worauf man sich, wie auch immer das ablaufen mag, in jedem Fall freuen kann.




Medea am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Stefan Bock - 15. Juni 2020
ID 12298
MEDEA (Schauspiel Leipzig, 12.06.2020)
Regie: Markus Bothe
Bühne: Kathrin Frosch
Kostüme: Sabine Blickenstorfer
Musik: Biber Gullatz
Dramaturgie: Benjamin Große
Licht: Jörn Langkabel
Besetzung:
Medea ... Anne Cathrin Buhtz
Iason ... Denis Petković
Amme/Chor ... Lena Drieschner
Kreon, König von Korinth ... Christoph Müller
Bote/Chor ... Ellen Hellwig
Aigeus, König von Athen ... Michael Pempelforth
Kreons Gefolgsleute ... Philipp Staschull, Friedrich Steinlein und Paul Trempnau
Kreons Tochter ... Nicole Widera
u.a.
Premiere war am 12. Juni 2020.
Weitere Termine: 11., 12.07.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de


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