Zwischen
Spitzentanz und
Modern Dance
BÉJART BALLET LAUSANNE in Stuttgart
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t ´M et variations… von Gil Roman | (C) BBL – Francette Levieux
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Bewertung:
Das Stuttgarter Ballett gastiert in Japan. Weil er aber sein tanzsüchtiges Publikum daheim nicht darben lassen will, hat der neue Intendant Tamas Detrich, wie schon sein Vorgänger Reid Anderson vor drei Jahren, das Ballet Lausanne, das der 2007 verstorbene Choreograph Maurice Béjart aus Brüssel an den Genfersee gebracht hat und das seinen Namen trägt, eingeladen, und das zeigte auch diesmal ein Werk des Meisters sowie ein Stück seines Nachfolgers und aktuellen Leiters der Compagnie Gil Roman. Wie schön hätte der Abend sein können, wenn die hysterischen, nicht mehr ganz jungen Damen hinter mir ihrer Begeisterung und ihrem Selbstdarstellungsbedürfnis nicht durch die schrille Imitation von Dampflokomotiven hätten Ausdruck verleihen müssen.
Zwei Einstundenstücke, genauer: Nummernfolgen. t ‘M et variations… von Gil Roman wird zusammengehalten durch die vorproduzierte Musik von Nick Cave und Warren Ellis vom „Band“ – heutzutage in der Regel von der Festplatte – plus der Live-Percussion von Thierry Hochstätter und JB Meier, die ein wenig an Ariane Mnouchkines musikalischen Weggefährten Jean-Jacques Lemêtre und ein wenig an die Musik amerikanischer Fernsehserien erinnert. Es fängt bunt an, Einzelaktionen erstarren zu Tableaus. In unterschiedlicher Formation werden kontrastierende Stimmungen evoziert. Durchweg aber kommt der Tanz, anders als bei der jüngsten Performance von Alain Platel Requiem pour L., die zurzeit halb Europa bereist, zu seinem Recht. Einmal scheint Fernost zu grüßen, wo die Stuttgarter Truppe gleichzeitig auftritt. Am Schluss tanzt jede und jeder für sich auf der, abgesehen vom Musikpodium, leeren Bühne in einem Lichtkegel: ein Ensemble aus Individuen.
Nach der Pause, in Béjart fête Maurice, wird das Anthologieprinzip in Schwarz-Weiß fortgesetzt und mit einem heterogenen musikalischen Potpourri mit Kontrasten. Man könnte es auch „Eine Reise um die Welt in sechzig Minuten“ nennen. Mehr noch als Roman visualisiert Béjart die Partituren, insbesondere wo er klassische Musik verwendet. Bei den so genannten „primitiven Kulturen“ ironisiert er die Klischees, reproduziert sie aber zugleich. Zu einem Walzer aus Richard Heubergers Operette Der Opernball lässt er einen klassischen Pas de deux tanzen, die Tritsch-Tratsch Polka von Johann Strauß dient für ein komisches Solo, auf eine eher bescheidene Klezmer-Nummer folgt ein Ausflug nach Asien, der an Kitsch grenzt. Zu Rossinis Seidener Leiter wird dann nachgeschoben, was sich der Clowns-Nummer im Zirkus vergleichen ließe, ehe sich das Ensemble vor dem klassischen Ballett verneigt. Die Botschaft lautet: Das Ballett führt zur Verständigung zwischen den Völkern. Ob Trump, Putin und Erdoğan tanzen?
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Béjart fête Maurice mit dem Béjart Ballet Lausanne | (C) BBL – LaureN Pasche
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Thomas Rothschild – 11. November 2018 ID 11037
DAS BÉJART BALLET LAUSANNE IN STUTTGART (Opernhaus, 10.11.2018)
t ’M et variations…
Choreographie: Gil Roman
Musik: Nick Cave & Warren Ellis, live gespielt von Citypercussion (Thierry Hochstätter & jB Meier)
Kostüme: Henri Davila
Licht: Dominique Roman
Uraufführung war am 16. Dezember 2016.
Béjart fête Maurice
Choreographie: Maurice Béjart
Inszenierung: Gil Roman
Musik: Ludwig van Beethoven, Anton Webern, Richard Heuberger, Hugues Le Bars, Gioachino Rossini, traditionelle jüdische, indische, afrikanische und pygmäische Musik (Änderungen vorbehalten)
Kostüme: Henri Davila
Licht: Dominique Roman
Uraufführung war am 16. Dezember 2016.
Weitere Infos siehe auch: http://www.bejart.ch
Post an Dr. Thomas Rothschild
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