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in der Fremde



Karen Dahmen als Marie in Transit von Anna Seghers am Theater der Keller | Foto © Jan Niklas Berg

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Wie wird in Kriegszeiten der Wert von Menschenleben unterschieden? Wieviel Schutz bietet ein Hotelzimmer? Wer erhält eine Aufenthaltsgenehmigung oder ein Transit im Ausland? Nicht erst seit Christian Petzolds prominent besetzter Verfilmung von 2018 wird Anna Seghers‘ Transit (1944) auch auf vielen Bühnen adaptiert. Eine abendfüllende Vorstellung kann stets nur eine kondensierte Fassung des vielschichtigen, über 300seitigen Romans darbieten: Kriegsflüchtlinge warten in Frankreich auf eine Möglichkeit zur Weiterreise nach Mexiko. Schwierigkeiten bei Behördengängen, Unmut, Hoffnung und Tristesse prägen das Geschehen. Das Deutsche Theater Berlin bot den autobiographisch grundierten Exil-Roman als Monologinszenierung mit Live-Musik dar. Auch am Theater der Keller begleiten Gitarrenklänge und mitunter eine raunende Geräuschkulisse das bedrohliche Geschehen.

Regisseur Heinz Simon Keller bringt die Geschichte über die Verlorenheit und Einsamkeit Geflüchteter nuanciert und fantasievoll auf ebenerdiger und requisitenarmer Bühne zur Aufführung. Die vier Akteure sorgen selbst für atmosphärische Hintergrundgeräusche. Großformatig projizierte Bewegtbilder zeigen Orte in Köln-Porz, einsame Menschen auf Bahnhöfen und vor dem Hintergrund der Pandemie, oder auch den Gesundheitsminister Spahn mit nichtssagenden Floskeln. So schafft der Intendant am Theater der Keller einen Bezug zwischen der elementaren Unsicherheit des Zweiten Weltkrieges zu unserer heutigen Zeit, die seit Beginn der Corona-Krise auch durch Angst und Unsicherheit geprägt ist.

Leider wirkt dieses Nebeneinanderstellen von damals und heute aber etwas weit hergeholt und unpassend, da das Kriegsgeschehen der 1940er sehr viel eher zu existentiellen Nöten und Flucht führte, als die gegenwärtige Krise. Auch verweist die szenische Figurenzeichnung auf die Entstehungszeit des Romans, wenn etwa der Ich-Erzähler verklärt-schüchtern für eine offensichtlich vergebene Frau schwärmt. Auch wenig modern: sie hält ihn hin, weil sie auf seinen männlichen Beistand hofft, falls ihr anderer Verehrer tatsächlich alleine ins Exil gehen sollte.

Der zentrale Ich-Erzähler ist ein politischer Flüchtling. Im Kölner Kellertheater markiert Sven Gey ihn als Getriebenen. Im besetzten Frankreich scheint er sich nach Halt und Geborgenheit zu sehnen. Er weiß doch um die Unsicherheit vor Ort und das ein neuer Anfang nur im drüben möglich sein dürfte. Zwischen Selbstaufgabe und Selbstfindung wirbt er zaghaft um Marie (Karen Dahmen). Marie ist eine junge Witwe, die ihren Mann – einen bedeutenden Schriftsteller – noch unter den Lebenden glaubt und nach ihm sucht. Gleichzeitig hat sie stets einen anderen Mann (Mark Zak) um sich. Und sie freut sich über die offenkundigen Avancen der Hauptfigur. Der Flirt wird effektvoll unterlegt durch Gesang und Gitarrenspiel von Hannah Holthaus, die auch als Hotelinhaberin eine sehenswert energische und schwerlich beeindruckbare Matrone abgibt.

Insgesamt eine lebendig choreographierte Vorführung mit stimmungsvollen Bildern, die von dem gut aufeinander abgestimmten Spiel der Darsteller lebt und völlig zu Recht für den Kölner Theaterpreis 2021 nominiert wurde.



Hannah Holthaus in Transit von Anna Seghers am Theater der Keller | Foto © Jan Niklas Berg

Ansgar Skoda - 2. Juli 2021
ID 13011
TRANSIT (Theater der Keller, 27.06.2021)
Regie: Heinz Simon Keller
Fotokunst: Egbert Mittelstädt
Kostüme: Chiara Witzel
Dramaturgie: Ulrike Janssen
Foley Artist|Sound: Dieter Hebben
Assistenz: Feline Przyborowski
Mit: Karen Dahmen, Sven Gey, Hannah Holthaus und Mark Zak
Premiere war am 4. September 2020.
Weitere Termine: 21., 22., 23.09.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-der-keller.de


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