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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Tänzerische

Vision von

Hölle und

Paradies



Karen Brinkmann in Hieronymus B. am Theater Heidelberg © Kalle Kuikkaniemi

Bewertung:    



Nanine Linning choreographiert im Heidelberger Theater einen mitreißend phantastischen Bilderbogen zu Hieronymus Bosch [Hieronymus B.]. Mit ihrer elfköpfigen Kompanie und eindrücklichen Bilderfluten huldigt die Holländerin ihrem Landsmann, ein Jahr vor den offiziellen Feierlichkeiten zum 500. Todestag des berühmten Renaissance-Künstlers (1450-1516). Bosch malte rätselhafte und bizarre Tiermenschen, die Hölle, das Inferno, die Sünde und den Himmel in vielerlei Gestalt. Linnings dreiteiliges Stück ist wie viele von Boschs Holztafel-Gemälden als Triptychon aufgebaut. Das Publikum wird für die beiden „Flügel“ vor dem Marguerre-Saal in zwei Hälften aufgeteilt. Die Hälfte der Besucher geht durch verwinkelte Gänge in einen Skulpturengarten auf der Bühne (Bühnenbild und Kostüm: Les Deux Garçons), die übrigen Zuschauer betrachten zunächst projizierte, phantastische Bilder, bis der Vorhang sich öffnet und für beide Zuschauergruppen den Blick auf einen Paartanz freigibt. Danach wird getauscht und zum Schluss wird als Finale eine atemberaubende, einstündige Tanzperformance dargeboten.



Tink-An Ying als Red Monster und Tanzensemble in Hieronymus B. am Theater Heidelberg © Kalle Kuikkaniemi


Wechselnde Wahrnehmungsbedingungen zwischen Zwei- und Dreidimensionalität gibt es für die tänzerische und visuelle Übertragung von Boschs Bildwelten. Bizarr gewandete Gestalten versuchen einem riesigen zu Ohr entfliehen oder fallen aus den Saiten aus einer überdimensionierten Harfe. Zwittermenschen aus Frosch und Mensch betrachten tanzend die Bühnenbesucher. Es gibt rätselhafte eiförmige Skulpturen, die mit lauter Ohren bedeckt sind und ein Fass, das in einem Hintern endet. Hautnah begegnen die Fabelwesen mit Menschenkörpern den Zuschauern im verschwörerischen Tanz. Die Bilder verselbstständigen sich, fahren auf Gestellen nach außen und scheuchen die Besucher in der Dunkelheit vor sich her. Eine große Fläche fährt in der Mitte hoch, auf der zwei Paare, miteinander auf Erlösung hoffend, sich effektvoll martern. Zur Augenweide tänzerischer Bildkraft gesellt sich bald ein Ohrenschmaus, denn der Countertenor Artem Krutko singt plötzlich virtuos, unterhalb der Bühne vom Philharmonischen Orchester Heidelberg begleitet, Händels „Scherza infinida“ aus der Oper Ariodante. Machtvolle Bilder, Musik, Tanz und Text überführt Linning so effektvoll zu einem Gesamtkunstwerk und zu Erlebnistheater besonderer Art.



Jesse Hanse als Blue Angel und Tanzensemble in Hieronymus B. am Theater Heidelberg © Kalle Kuikkaniemi


Der dritte Teil bebildert Boschs Triptychon Garten der Lüste. Unter einem knorrigen, kahlen Baum strecken die Tänzer als nackte Seelen in hautfarbenen Nacktkostümen ihre Arme gen Himmel. Die sieben Todsünden werden nun tänzerisch in einer Höllenvision durchexerziert. Die Tänzer tragen bald Vogelkäfige um ihre Köpfe, von denen sie schließlich eine sanfte, engelhafte Lichtgestalt erlöst, vielleicht berührt von ihrer tänzerisch dargebotener Reue und Buße. In einer Skulptur auf der Bühne platziert trägt Artem Krutko nun, begleitet von stimmungsvoller Instrumentierung, nuanciert mit zartem Timbre Arien von Henry Purcell, John Dowland und Alessandro Scarlatti vor. Modernere Akzente setzt zudem eine spannungsvolle, teilweise elektronische Auftragskomposition von Michiel Jansen. Die vormaligen Sünder können bald – nun schlanke, geflügelte Wesen - lange Himmelsleitern emporsteigen. Doch jede Leiter ist endlich und bald stranden sie auch hier und beobachten Adam und Eva auf einen Granatapfel sitzend sich innig umarmend. Der Kreislauf des Werdens, Vergehens und der Wiederkehr endet atmosphärisch mit einer letzten visuellen Erfahrung von Lust.



Dance Company Nanine Linning / Theater Heidelberg; Bühne und Kostüm von Les Deux Garcons © Kalle Kuikkaniemi

Ansgar Skoda - 30. Juni 2015
ID 8866
HIERONYMUS B. (12.06.2015, Marguerre-Saal, Theater und Orchester Heidelberg)
Konzept, Choreografie und Regie: Nanine Linning
Musikalische Leitung: Dietger Holm
Bühne, Kostüme und Masken: Les Deux Garcons
Auftragskomposition Michiel Jansen
Lichtdesign: Loes Schakenbos
Video: Roger Muskee, Erik Spruijt und Nanine Linning
Kamera und Fotografie: Roger Muskee
TänzerInnen: Paolo Amerio, Mallika Baumann, Karen Brinkman, Jesse Hanse, Francesca Imoda, Wessel Oostrum, Eden Orrick, David Pallant, Kyle Patrick, Thomas Walschot und Ting-An Ying
Countertenor: Artem Krutko
Sprecher: Dominik Breuer
Dance Company Nanine Linning / Theater Heidelberg
Philharmonisches Orchester Heidelberg
Uraufführung war am 18. Januar 2015
Weitere Termine: 12. 3. / 17. + 24. 5. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://www.theaterheidelberg.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de

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