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nachDRUCK # 6

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Theaterkritik

Spirale

der Gewalt



Der Tod und das Mädchen von Ariel Dorfman im Hamburger monsun theater: Sie will es ihm heimzahlen - er soll leiden, wie sie es tat. | Foto (C) Liane Kampeter

Bewertung:    



Der Tod und das Mädchen war während der Renaissance (im 15. Jahrhundert) ein Sujet der Bildenden Kunst gewesen, auch die Literatur und Musik hatten sich seiner angenommen.

Es gibt - zum Thema - das gleichnamige Streichquartett d-Moll D 810 von Franz Schubert; durchdringend geht es unter die Haut.

Das 1991 von dem in die USA emigrierten Chilenen Ariel Dorfman geschriebene Theaterstück (auch: Der Tod und das Mädchen) wurde seinerseits wiederum 1994 von Roman Polański (ebenso unter dem gleichen Titel) verfilmt; es handelt von der Zeit der Diktatur - motiviert durch Chile unter Augusto Pinochet.

So geisterte und geistert diese Geschichte durch die Jahrhunderte und hat an Aktualität nichts verloren.


* * *

Alles fängt mit einem kessen Ehestreit an à la „warum hast du den Ersatzreifen nicht zur Reparatur gebracht? Und wo ist der Wagenheber?“ - bis dahin noch ganz unterhaltsam, doch unterschwellig bahnt sich das blutige Drama schon an.

Das Ganze hat ein Vorspiel, in dem wurde Paulina Salas (Ines Nieri), eine ehemalige Widerstandskämpferin, während der chilenischen Diktatur am 6. Mai 1983 von drei Männern überwältigt und von einem Arzt aufs Brutalste und Fieseste vergewaltigt und gefoltert.

Der Mann, der von ihrem Gatten zu später Stunde aufgesucht wird, weil er bei der Reifenpanne behilflich war, ist dieser Peiniger. Sie erkennt ihn an seiner Stimme; ja, später will sie seine Haut und seinen Geruch identifiziert haben. Das Mädchen wirkt zunehmend gehetzt, ja voll Angst, sie erinnert sich an das Lied, welches der Arzt währenddessen immer gespielt hat: das Quartett von Schubert [s.o.]. Ihr Mann soll helfen Rache zu üben oder wenigstens ihm ein Geständnis zu entlocken. Doch reicht ihr das? Sie bedroht den Vergewaltiger mit einer Pistole, später auch noch bereit sich selbst zu erschießen.



Der Tod und das Mädchen im monsun theater Hamburg: Paulina schreckt vor nichts zurück... | Foto (C) Liane Kampeter


Wäre es die Erlösung von ihren Spannungen, ihrer Vergangenheit? Wie ist Schuld zu definieren, kann es Vergeltung geben?

Ihr Mann Gerardo Escobar (Björn Ahrens) ist Anwalt und soll, initiiert vom neuen chilenischen Präsidenten, eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen einleiten; seine Aufgabe soll sein, Beweismaterial zu sichten - und dann? Was wird passieren mit den Verbrechern der Diktatur? Kann es Gerechtigkeit geben? Was ist wirklich Freiheit? Hilft Reue?

Ist ihr Mann gar ein Schwächling?

Das uralte Thema dabei ist: Man wird die weibliche Seele nie vollständig besitzen können.

„Wie viel kann diese Frau aushalten?“

Weiblichkeit - auch ein Synonym für das Unberechenbare, für den Tod, für Verführung zum Tod. Im Orgasmus wird das Ego sterben. Und wer will das schon!

Es sind also nur drei Schauspieler, doch sie füllen den Raum vollends, sie leiden auf der kargen Bühne und mit nackter Schauspielkunst überzeugen sie, steigern sich mehr und mehr in diese verzwickte (verfickte) Situation. Es fallen Sätze wie: „Ich geb’ dir, was du willst, du kleine Fotze! Und zwar von vorne und von hinten. Noch ein paar Stromstöße rein, ob dann dein Loch trockener wird?“ Und da Paulina im Auto des Arztes eine Kassette mit dem besagten Musikstück findet, gerät jetzt alles außer Kontrolle, sie will ihm hier und jetzt den Prozess machen, sie will diesem Dr. Roberto Miranda (Ulrich Allroggen) das Gleiche antun. Und da sie keinen Schwanz hat, soll es ihr Mann, der Hurensohn, ihm besorgen. Wenigstens mit dem Besenstil. Oder dem Bastard die Eier abschneiden! Hinzu kommen Eifersuchtsszenen, Tränen, Männerkumpanei und nicht endende Ausweglosigkeit.

Kann man vergessen, kann man vergeben? Kann man wieder anfangen zu leben nach der Folter? Doch auch eine Überdosis Wahrheit kann tödlich sein. Das Leben ist letztendlich eine einzige Wiederholung.

Und das Nachspiel: Die Spirale der Gewalt wird sich weiter drehen.



Drei wirklich begnadete Schauspieler: Ulrich Allroggen, Björn Ahrens und Ines Nieri nach Ariel Dorfman's Der Tod und das Mädchen im monsun theater Hamburg | Foto (C) Liane Kampeter

Liane Kampeter - 23. Mai 2015
ID 8660
DER TOD UND DAS MÄDCHEN (monsun theater, 21.05.2015)
Regie: Julia Leege
Ausstattung, Licht & Ton: Marco Dorendorf
Bühne: Sonja Zander und Marco Dorendorf
Produktion: Hans-Peter Kurr
Regieassistenz: Tjorven Melletat
Mit: Ines Nieri, Björn Ahrens und Ulrich Allroggen
Premiere war am 6. Mai 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.monsuntheater.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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