Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Repertoire

Teufelspakt

gleißender

Nachtgestalten



Bewertung:    



Den Begriff des „Glühwürmchens“ prägte nicht nur Peer Steinbrück als Kandidat für die Bundeskanzlerschaft 2013 für sich. Als „Glühwürmchen“ bezeichnete zuvor einst auch Thomas Mann seinen damaligen Schwiegersohn, den Schauspieler Gustaf Gründgens. Mit dem anspielungsreichen Bonmot illustrierte Mann seine Vermutung, der eher unscheinbare Gründgens fange erst abends in der Aufführungssituation am Theater an zu leuchten und zu schillern. Gründgens initiierte in den frühen 1920er Jahren mit Pamela Wedekind und Manns ältesten Kindern Erika und Klaus ein Theaterensemble, das selbstgeschriebene Stücke zur Aufführung brachte. Mit Erika war Gründgens von 1926 bis 1929 verheiratet, hatte jedoch zeitgleich mit Klaus eine Liaison. Wie erfolgreich Gründgens dann jedoch ab 1933, von führenden Nazi-Größen als "Nationalschauspieler" protegiert, im Dritten Reich Karriere machen würde, hätte selbst Thomas Mann, gefeierter Literaturnobelpreisträger von 1929, nicht zu vermuten gewagt. Am Düsseldorfer Schauspielhaus, Gustaf-Gründgens-Platz 1, inszeniert nun Thomas Schulte-Michels recht vorlagennah und eindrucksvoll Mephisto. Roman einer Karriere, den Klaus Mann in der Emigration in den USA, mit der Karriere von Gründgens vor Augen und mit der pseudonymen Verarbeitung von konkreten Zeitgenossen als Romanfiguren, 1936 in einem Exilverlag veröffentlichte.

Schulte-Michels Bühnenbild zeigt an den seitlichen Wänden nebeneinandergereihte Garderobenspiegel samt Schminktischen und Theaterutensilien und zur hinteren Bühnenwand hin rote Vorhänge, die sich für Vorführungen während der Inszenierung öffnen. Die Darsteller agieren dann mit dem Rücken zum eigentlichen Publikum. Interessanterweise stellt die Bühne so konsequent auch das dar, was sie ist, weil Mephisto im Theatermilieu spielt und szenisch Theaterproben und Ähnliches dargestellt werden. Theaterleute reden über sich, ihre Arbeitsbedingungen, Konkurrenzangst, Angst vor dem Scheitern, ihr sich fortwährend einer Öffentlichkeit gegenüber Aussetzen-Müssen. Es herrscht auf der Bühne eine Spannung zwischen Künstlichkeit und Authentizität, wenn etwa Hendrik Höfgen (charismatisch: Moritz Führmann) die Figur des Teufels Mephisto aus Goethes Klassiker Faust spielen soll.

Höfgen schwankt als Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant zwischen Selbstzweifeln und Größenwahn. Auf den Weg zum Erfolg nutzt er zielstrebig Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten und Machthabern. Er steigt auf, doch stellen sich ihm stets aufs Neue existentielle Fragen, ob er etwa im autoritären System mitarbeiten oder dort aussteigen, Widerstand leisten oder sich anpassen soll. Könnte er über Leichen gehen oder gar sein Gewissen zum Schweigen bringen?

Insgesamt eine sehenswerte Inszenierung eines vieldiskutierten Romans, um den ganze Gerichtsprozesse ranken, da Gründgens seinerseits viele Jahre erfolgreich gegen das Erscheinen des Romans in Deutschland klagte. Der Theaterbesuch erfordert jedoch Hintergrundwissen, da die meisten auftretenden Figuren auf realen historischen Personen beruhen und der Zuschauer sonst die Zusammenhänge teilweise nicht versteht. Das Zwiespältige und Spannungsgeladene des künstlerischen Schaffens der Hauptfigur durch Vereinnahmung von Kultur und Theater zur Entstehungszeit des Romans wird eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht, wenn Höfgen oder Mephisto während ihres Spiels in vieldeutigen Posen verharren, scheinbar mit eigenen, unheilvollen Gedanken konfrontiert.
Ansgar Skoda - 8. Oktober 2015
ID 8919
MEPHISTO (Düsseldorfer Schauspielhaus, 07.10.2015)
Regie und Bühne: Thomas Schulte-Michels
Kostüme: Tanja Liebermann
Musikalische Einrichtung: Danny Exnar
Dramaturgie: Barbara Noth
Licht: Jean-Mario Bessière
Besetzung:
Hendrik Höfgen/ Mephisto ... Moritz Führmann
Otto Ulrichs/ Teophil Marder/ Conférencier … Dirk Ossig
Hans Miklas/ Dr. Ihrig/ Schüler/ Conférencier … Sven Walser
Oskar H. Kroge/ Geheimrat Bruckner/ Der Professor/ Cäsar von Muck/ Pelz … Andreas Weissert
Juliette Martens/ Conférencier/ Schwarzer Schwan … Maya Alban-Zapata
Nicoletta von Niebuhr/ Rahel Mohrenwitz/ Conférencier … Anna Beetz
Angelika Siebert/ Conférencier … Katharina Lütten
Dora Martin/ Lotte Lindenthal/ Conférencier … Louisa Stroux
Barbara Bruckner/ Hedda von Herzfeld/ Conférencier/ Schwarzer Schwan … Hanna Werth
Premiere war am 5. September 2015
Weitere Termine: 15. + 24. 10. / 12., 16., 20., 25. 11. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.duesseldorfer-schauspielhaus.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA! Jeder Euro zählt.



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)