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Die jungen

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Dantons Tod an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Bewertung:    



Die ebenerdige Bühne säumen aufgestellte Mikrofonständer und Instrumente. Eine vielköpfige Band kündigt sich hier an. Einführende Worte von Moderator Paul Maximilian Schulze deuten eine Aktualität von Büchners Drama Dantons Tod an. Bewaffnet mit Perücken, Sonnenbrillen und auf hochhackigen Schuhen stürmt das Ensemble dann sogleich auf die Bühne. Gekonnt wird rhythmisch Freistil gesungen, aufrührerisch, laut und flink getanzt und musiziert. Dabei werden auch Parolen geschwungen. Die überwiegend jungen Darsteller verkörpern die Unbedingtheit des revolutionären Geistes sehr authentisch. Sie setzen sich leidenschaftlich für die eigenen, vielleicht auch naiven Vorstellungen einer besseren Welt ein. Peter Kleinert, der bereits in Die Mutter erfrischend experimentell mit Schauspielstudierenden der Hochschule Ernst Busch arbeitete, inszeniert erneut eine verspielte Vorführung, in der revolutionäres Gedankengut aufgearbeitet wird. Die Komplexität von Büchners Vorlage lockert Kleinert durch musikalisch eindrückliche Momente auf. Während der musikalischen Performances werden Verse wiederholt, Nuancen variiert, geistreiche Sentenzen durch melodische Tonarten unterlegt. So gewinnt das Drama eine gefühlvolle und emotional packende Note und gönnt dem Publikum eine Verschnaufpause von den in Büchners Werk geschilderten komplexen Zusammenhängen.

Auch Schauwerte gibt es zu bestaunen. So kann man bei dieser temporeichen Vorführung im Studio der Berliner Schaubühne auch Geschlechtsteile rezensieren; denn Danton-Darsteller Jonas Dassler präsentiert sich hier recht offenherzig. Immer wieder entblößt sich Danton vor dem Publikum, und seine Frau Julie (Lola Fuchs) hat alle Hände voll damit zu tun, ihn für den revolutionären Kampf einzukleiden. Die provokante Nacktheit deutet einen revolutionären Geist bar jeder Illusionen an. Auch andere Darsteller zeigen später nackte Haut und bekunden hiermit Solidarität für Danton. Als hochgeschlossenere, betont seriöse und sprachlich versierte Kontrahentin um die Revolutionsführerschaft agiert Esra Schreier kalkuliert, kalt und kämpferisch in der Rolle von Robespierre. Robespierre beeindruckt durch geschliffene Monologe, während Danton seine Gefolgschaft immer wieder durch übermütige, unkontrollierte und unberechenbare Handlungsweisen herausfordert. Danton hat insgeheim die Schwierigkeit des eigenen Machterhalts erkannt und möchte Verantwortung abgeben. Er ahnt, dass die eigene Machtstellung immer wieder neu erarbeitet werden muss und Erklärarbeit birgt. Die Willkür, die dem Adel vorgeworfen wird, erkennt er in den eigenen Reihen. So eröffnen sich Fragen, wie etwa sich beispielsweise Menschenleben bewerten lassen? Es gilt, die Zuhörer für die eigenen politischen Machtinteressen zu gewinnen. Und das Publikum ist dabei eingeladen, mitzumachen.

So setzen sich die Darsteller in der zweiten Hälfte irgendwann dem Publikum zugewandt aufgereiht auf Bühnenelemente. Die Zuschauer werden nun dazu angehalten, durch angeleitetes Klatschen oder angeleitete Zurückhaltung das politische Geschehen mitzubestimmen. Wie bereits in Die Mutter wird hier eine Inszeniertheit des Stückes thematisiert. Die Figuren werden, wenn sich ihre Darsteller als Schauspieler begreifen, auf reale Situationen der Schauspieler in der Jetztzeit übertragen. Schauspielschüler, die etwa gegen Ende zu „Shine bright like a diamond“ anstimmen, arbeiten sich hier an ihrer eigenen Rolle ab. Während diese Momente der Brechung durchaus erfrischen, gibt es im Handlungsverlauf auch einige Längen, als sich etwa Vincent Redetzki als Philippeaux und Paul Maximilian Schulze als Moderator minutenlang darüber streiten, wer denn nun die Verteidigung Dantons vor dem Tribunal Robespierres übernimmt. Schließlich wird hier gar Schnick, Schnack, Schnuck gespielt. Somit überzeugen nicht alle Versuche einer frechen Adaptation des Dramas für die heutige Zeit, aber immerhin doch recht viele.




Dantons Tod an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Ansgar Skoda - 6. Mai 2017
ID 10014
DANTONS TOD (Studio, 30.04.2017)
Regie: Peter Kleinert
Bühne: Alena Georgi
Kostüme: Susanne Uhl
Musikalische Leitung: Lenny Mockridge
Dramaturgie: Nils Haarmann
Licht: Erich Schneider
Mit: Jonas Dassler, Lola Fuchs, Tiffany Köberich, Daniel Mühe, Deniz Orta, Vincent Redetzki, Gustav Schmidt, Esra Schreier, Paul Maximilian Schulze und Lukas T. Sperber
Premiere an der Schaubühne am Lehniner Platz: 3. Dezember 2016
Weitere Termine: 30.05./ 01.-03-. 05., 06.06. / 07.-11.07.2017
Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin und dem Théâtre National de Bretagne Rennes


Weitere Infos siehe auch: http://www.schaubuehne.de


Post an Ansgar Skoda

skoda-webservice.de



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