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Premierenkritik

Drei (bearbeitete) Shakespeare-Stücke über politisches Machtstreben, Teilhabe des Volks und Populismus



Rom am DT Berlin | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Anhand der drei Shakespeare-Stücke Coriolan, Julius Cäsar und Antonius und Cleopatra versucht die Regisseurin Karin Henkel eine kleine Geschichte der Demokratie am Beispiel des alten Rom zu erzählen. Der Schriftsteller, Dramatiker und ehemaliger Dramaturg des Deutschen Theaters John von Düffel hat mit ihr zusammen die Stücke für einen Abend von gut drei Stunden Länge bearbeitet. Rom ist kein großer Wurf aber eine ganz annehmbare Lehrstunde über politisches Machtstreben sowie die Beeinflussung des Volks durch Populismus und Versprechungen. „Rom Republik“ wird zu Beginn in roten Lettern an einen Bretterzaun geschrieben, ein Zeichen dafür, dass es vor allem blutig zugeht im Kampf um die Macht in Rom. Drei Stücke und drei Herrschertypen, die sich dem Volk von Rom auf ganz verschiedene Weise präsentieren, und die doch eines eint: Sie pfeifen eigentlich auf die Demokratie und spielen nur zum Schein nach ihren Regeln.

Das macht die Sache natürlich ziemlich heutig. Man denkt sofort an Trump, Erdogan oder die AfD. Die Nutzung demokratischer Mittel, um an die Macht zu gelangen, das Volk auf seine Seite zu ziehen und politische Gegner auszuschalten. Die Sprache ist entsprechend angepasst. Von Düffel ist ein Meister in der theatralen Verkürzung. Er hat dies schon an Abenden wie Joseph und seine Brüder oder Ödipus Stadt angewendet. Nicht immer zum Besten, aber doch immer auch ganz unterhaltsam. So dann auch an hier. Zuerst wird Coriolan gegeben. Das Stück über den römischen Feldherrn und Bezwinger der Volsker hat man am DT schon mal in einer Inszenierung von Rafael Sanchez mit einem reinen Damenteam an den Kammerspielen gesehen. Hier spielt Michael Goldberg den stolzen Demokratieverächter und Hasser des nach Getreide brüllenden gemeinen Pöbels. „Unsere Gefühle sind authentisch“, rufen Camill Jammal und Benjamin Lillie als Volkstribune in ihre Megafone.

Als Aufstachlerinnen des zunächst nicht besonders machthungrigen Gaius Marcius, genannt Coriolan (nach der Stadt, die er für Rom erobert und geplündert hat), fungieren hier gleich drei Mütter. Bernd Moss, Kate Strong und Anita Vulesica sind die Einflüsterinnen des jungen Coriolan. Ziel ist der Thron. Und da dieser nur über eine Wahl zu erreichen ist, pinseln sie ihren aus dem Krieg heimkehrenden Sohn mit roter Farbe an. Zeige deine Wunden, so verlangt es der Brauch vom Kriegshelden. Der allerdings auf das Volk pfeift und sich nicht auf ein Koalitionsgeplänkel mit den Volkstribunen einlässt. Henkel lässt das als plumpe Politfarce spielen. Etwas zu klamaukig. Der Held scheitert hier noch an seinem Stolz und diplomatischem Unvermögen.

Da ist Antonius (Manuel Harder) ein wesentlich geschickterer Koalitionär. Erst Vertrauter des Julius Cäsar, münzt er seine Niederlage gegen die Tyrannenmörder Brutus (Felix Goeser) und Cassius (Bernd Moss) mit einer populistischen Rede vor dem Grab Cäsars in einen Sieg um. Zweifler und Freiheitsidealist Brutus erkennt zu spät seinen Fehler. Die richtige Taktik führt hier zur Macht. Der zweite Teil ist finsterer Geister- und Prophezeiungsschwulst vor einer mit Leichenpuppen gefüllten Drehbühne. Die ehrenwerten Verschwörer pinseln ihre Arme bis zu den Ellenbogen mit Theaterblut ein und reichen Antonius die Hand, in die dieser bereitwillig einschlägt. Rom, ein „House of Cards“.

Nach der Pause geht es in Ägypten weiter. Anita Vulesica ist Cleopatra und Elisabeth-Taylor-Lookalike. Ihr Antonius (Manuel Harder) ist ein müder Rocker in Lederhose, der sich gegen einen verdoppelten Cäsar-Sprössling Oktavius (Camill Jammal und Benjamin Lillie in kurzen Hosen) erwehren muss. Schwester Oktvia (Wiebke Mollenhauer hat an diesem Abend die Rolle der Frau an seiner Seite gebucht) hält den beiden die Krone an einer Angel vor die Nase, während Kleopatra ihren Sohn Cäsarion (Jacob Braune / Bennet Schuster) mit Wettrennen auf den Thron trainiert. Intrigen und Machtkoalitionen auch hier. Da blickt der einfache Mann nicht mehr durch, wenn es plötzlich für die fremde ägyptische Königin gegen die eigenen Leute geht. Bernd Moss ist als alter Soldat einzige wahre Stimme des Volkes. Ansonsten kreisen die politischen Eliten um sich selbst.

Verzicht auf Rom bedeutet Niederlage und Freitod. Da wird’s dann auch mal ein wenig philosophisch, wenn Manuel Harder über die Freiheit, den Zeitpunkt des eigenen Todes zu bestimmen, spricht. Der Sieger beeilt sich dem Volk seine Unschuld am Tod Kleopatras und Antonius zu beteuern. Ein Abend über Demokratie, bei dem das Volk nicht viel zu sagen hat. Die Fassung destilliert das Passende aus den drei Shakespeare-Stücken heraus. Ein pointensicherer Digest. Erkenntnisgewinn eher gering.



Rom am DT Berlin | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 17. März 2018
ID 10591
ROM (Deutsches Theater Berlin, 16.03.2018)
Regie: Karin Henkel
Bühne: Thilo Reuther
Kostüme: Tabea Braun, Sophie Leypold
Musik: Lars Wittershagen
Licht: Matthias Vogel
Maske: Andreas Müller
Dramaturgie: John von Düffel
Mit: Felix Goeser, Michael Goldberg, Manuel Harder, Camill Jammal, Benjamin Lillie, Wiebke Mollenhauer, Bernd Moss, Kate Strong, Anita Vulesica und Jacob Braune / Bennet Schuster
Premiere war am 16. März 2018.
Weitere Termine: 22.03. / 03., 11., 22.04. / 01.05.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de


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