Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Theaterkritik

Welch "âventuire" der Erzählkunst

Stefan Bachmann beweist in seiner Inszenierung des mittelalterlichen Heldenepos PARZIVAL von Wolfram von Eschenbach am Schauspiel Köln viel Gespür für Tempo, Witz und Dynamik. Marek Harloff brilliert in der Titelrolle der 25.000-versstarken Vorlage als unbedarfter Tor auf einer abenteuerlichen Expedition voller schicksalhafter Begegnungen


Bewertung:    



Der Versepos Parzival ist eines der heute bekanntesten, deutschen Werke des Mittelalters. Treue, Ehre und Tugendhaftigkeit sind höfische Ideale, die zur Zeit des Autors Wolfram von Eschenbach (ca. 1170 – 1220) eine große Rolle spielen. Diese Tugenden, die der junge Titelheld Parzival in einem Reifungsprozess erwerben muss, werden im Laufe des Versromans stets in Erinnerung gerufen, ebenso wie sich Wolfram als Erzähler der „aventiure“ immer wieder selbst einbringt. Die im Versroman hervorgehobene Rolle des kunstvollen Erzählens selber spielt auch in der Kölner Inszenierung eine wichtige Rolle. Neben Gerrit Jansen, der regelmäßig als Erzähler fungiert und zu Anfang nuanciert Wolframs bilderreichen Prolog spricht, treten auch alle anderen Darsteller regelmäßig als Erzähler in Erscheinung. Wolframs bilderreiche, teilweise auch orientalische Handlungsorte, die phantastischen Ritterkämpfe und Belagerungen von Königreichen werden so dem Publikum überwiegend durch Worte vermittelt, denen die Darsteller oft durch facettenreiche Mimik und Gestik Nachdruck verleihen. Das Bühnenbild kommt mit nur wenigen Requisiten aus - wie etwa einem sich effektvoll in seiner Mitte horizontal öffnenden Kubus, einer Pappkrone, Theaternebel und eher unprätentiösen Kostümen.

Marek Harloff agiert in der Rolle des Parzival als unbedarfter Tor mit lebendig naivem Ausdruck. Einsam unter der Obhut seiner, ihn schützen wollenden Mutter Herzeloyde (ausdrucksstark: Melanie Kretschmann) aufgewachsen, bricht er bald auf, um das Abenteuer in der Welt zu suchen. Dabei durchläuft er einen Initiationsprozess, indem er Lehren anderer Figuren befolgt, damit aber nicht immer richtig liegt. Das Publikum begibt sich mit dieser Figur zusammen auf eine temporeiche, abenteuerliche Reise, in der Parzival viel über die eigene Vergangenheit und die Bedürfnisse seiner Mitmenschen lernt. Obwohl die Inszenierung aus Zeitgründen viele Episoden aus Wolframs facetten- und bilderreichen Roman kürzt, lässt sie die wahrscheinlich interessantesten Figuren auftreten. Jörg Ratjen spielt den würdevoll leidenden Gralskönig Anfortas, sich fortwährend schmerzvoll windend und stöhnend, ebenso überzeugend, wie er den lebensweisen Eremiten Trevrizent mimt, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Nikolaus Benda wird, tollkühn und beweglich als Artusritter Gawan, in einer Nebenhandlung von gefährlichen, teils unsichtbaren Widersachern herausgefordert, weil er die Gunst des stolzen Ritterfräuleins Orgelleuse gewinnen möchte, selbstbewusst und verführerisch dargestellt von Annika Schilling. Voll leidenschaftlicher Schwermut muss Melanie Kretschmann schließlich als Mutter Parzivals ebenso wie später als seine Ehefrau Conduiramour diesen ziehen lassen. Ihre Paraderolle hat Kretschmann jedoch als rätselhafte, ungestüme und ungezügelte Gralsbotin Cundrie, die Parzival verfluchen und die Artusgesellschaft spalten darf.

Obwohl die Charaktere der Figuren für unsere heutige Zeit einfach gezeichnet sein mögen, überraschen sie oftmals in ihrer Vielschichtigkeit. Die insgesamt fesselnde Inszenierung überzeugt auch aufgrund ihres Mutes, Szenerien oft nur anzudeuten und alle Darsteller, bis auf Marek Harloff in der Rolle des Parzival, in unterschiedlichen Rollen auftreten zu lassen.
Ansgar Skoda - 9. Februar 2015
ID 8422
PARZIVAL (Schauspiel Köln, 08.02.2015)
Regie: Stefan Bachmann
Bühne: Simeon Meier
Kostüme: Esther Geremus
Musik & Komposition: Malakoff Kowalski
Choreografie & Körperarbeit: Sabina Perry
Lichdesign: Bernd Purkrabek
Dramaturgie: Thomas Laue
Besetzung:
Der Erzähler … Ensemble
Parzival … Marek Harloff
Die Historie, Carnac-Carnant (ein Ritter), Keye (Hofmarschall am Artushof), Gournemans (Ritterlehrmeister), Schionatulander (ein toter Ritter) … Gerrit Jansen
Gahmuret von Anjou (Parzivals Vater), König Artus (Herr der Tafelrunde), Clamidé (ein Belagerer), Fairefis (Parzivals Bruder) … Stefko Hanushevsky
Belacane (Königin von Sasamanc), Orilus (Mann der Jeschute), Anfortas (Gralskönig), Trevrizent (ein Eremit) … Jörg Ratjen
Herzeloyde (Parzivals Mutter), Conduiramour (Königin von Beaurepaire), Cundrie (Gralsbotin) … Melanie Kretschmann
Jeschute (eine Herzogin), Sigune (Parzivals Kusine), Cunneware (ein Orakel am Artushof), Orgelleuse (ein Ritterfräulein) … Annika Schilling
Ither von Gaheivce (der rote Ritter), Gawan (der edelste der Artusritter) … Nikolaus Benda
Premiere war am 6. Februar 2015
Weitere Termine: 11., 20., 28. 2./ 6., 8., 13., 14., 22., 26. 3. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)