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Theater der Welt | Hamburg, 25.05. - 11.06.2017

East

meets

West


ISHVARA
auf Kampnagel


Ishvara von Tianzhuo Chen | Foto (C) Zhang Yan

Bewertung:    



Man muss schon brennen für die Kunst und das, was die Welt noch retten kann - das ist das Jenseits-von-Gut-und-Böse und die Vermischung von Kulturen.

Diese Bühnenshow ist ein sinnliches Erlebnis der Superlative, hinduistisches Epos und moderne Oper zugleich. Die Menschen schaffen sich Götter, und doch sind sie es selbst, die in diese Rollen schlüpfen, voller Hingabe und Nacktheit. Ein flammendes Inferno, das man nicht verstehen, sondern nur ohne Scham genießen kann. Hier wird das Innerste nach außen gekehrt.

Nach einem tranceartigen Vorspiel (wir verstehen ja kein Chinesisch), gerät man in diese jenseitige Welt. Lichtshow, Elektrosound, Mandoline, Schlagzeug, eine mit indischen Symbolen aufgeladene Bühne, und Projektionen an der Wand nach dem Motto: alles geben, wenn die Welt bald untergeht. Noch ist sie da, fordert den Culture Clash, die Vermischung von Butoh, Tanztheater, Voguing aus der homosexuellen Subkultur, typische Posen aus der Modewelt und immer wieder der höchste Gott mit Bart, der mit seinen Fingern tanzt, seinen weiß geschminkten Körper verdreht und die Verkörperung von Wunsch und Wirklichkeit darstellt. Er würde es natürlich nicht so profan ausdrücken.

Treibende Bässe zwischen Himmel und Erde spornen die Tänzer an, in ästhetischen unsittlichen Zuckungen zu agieren. Es ist eine Zeremonie wie auf einem Trance-Festival, jenseits von Moral und bestimmten Religionen, denn jeder ist ja selbst ein Gott, Schöpfer seines individuellen Erdenlebens.

Diese magisch-mystische Bilderwelt, Absurditäten menschlicher Auswüchse; der Schwarze am Kreuz lässt uns an Sklavenhandel denken, später ist er im Sexakt mit einer weißen Frau vereint, sie sind die letzten biologischen Regungen der Menschheit.

Die ersten verlassen den Saal.

Doch ist das nicht der Wahnsinn der Welt? Man könnte denken, wir sind im Körper gefangen, Sklaven der Lust, die Ketten rasseln, Brüste wackeln. Haben wir noch etwas zu verlieren, es hat etwas vom Gott des Gemetzels, als eine gigantische aufgeblasene Puppe mit "Blut" verschmiert und mit dem scharfen Messer blanchiert wird. Sie sparen wirklich nicht mit Effekten wie Licht, Ton, Blut und Wasser. Man kann es kaum ertragen. Jeder sieht wohl hier irgend eine seiner Grenzen dargestellt, denn haben wir nicht alle eine Wunde? Wir bekommen vorgesetzt, was nicht erlaubt oder akzeptiert ist - wie Sex, Gier, Zerstörung, Hass.

Wieder müssen ein paar aus dem Publikum gehen.

Man kann geteilter Meinung sein. Und dann wieder die Faszination der nackten, tanzenden Körper, das Hemmungslose, das Fremde.

Da tritt die Unschuld auf den Plan - in Form eines jungen Mädchens, tobt sie sich aus, wird geopfert. Das Menschenkind ist begehrenswert. Immer wieder Tabubrüche. Die Vereinigung mit dem Tod. Dazu eine wunderbare Sängerin am DJ-Pult.

In der Endszene wird die Liebe besungen, kitschig und ausgeliefert singt das Paar "Our love is strong". Durch die Liebe verschwindet die Angst.

Vorhang zu. Und dann mäßiger Applaus. Als hätten alle damit gerechnet. Keine Standing Ovation. Dann öffnet sich der Vorhang erneut, und alles fängt wieder von vorne an. Das ewig wiederkehrende Leben.

1. Szene = Diesmal das Kind, die Frau am Kreuz. Das sterbliche Fleisch, dem Schmerz und dem Glück gleichermaßen ausgeliefert, Ursache und Wirkung, Gut und Böse. Wir leben in einer dualen Welt. Was denke ich mir dabei: Unsere Sehnsucht nach Freiheit lässt uns immer weiter machen, vielleicht nur mit anderen Vorzeichen.

2. Szene = Zweiter Schritt zur Freiheit: Dunkelheit und Licht gilt es zu vereinen, um Unsterblichkeit zu erlangen.

3. Szene = Die unsterbliche Seele. Kreislauf ewiger Wiederkehr. Schöpfungsgeschichte.

So! Es gibt nicht nur Wagner. Öffnen wir uns der asiatischen Götterwelt und ihren Symbolen. Tod ist zugleich Zukunft. Unwissenheit bedeutet Gefangenschaft. Wahrhaftigkeit gleich Freiheit. Der Osten hat eine andere Mythologie.

East meets West.



Ishvara von Tianzhuo Chen | Foto (C) Zhang Yan

Liane Kampeter - 26. Mai 2017
ID 10048
ISHVARA (Kampnagel, 25.05.2017)
Regie: Tianzhuo Chen
Text: Tianzhuo Chen, Beio
Choreografie: Tianzhuo Chen, House Of Drama (Ylva Falk, Igor Dewe, Aymeric Bergada Du Cadet, Amélie Poulain, Dyna Dagger), Kirikoo Des und Ndoho Ange
Künstlerische Beratung/ Produktionsleitung: Petra Poelzl
Musik: Nodey, Aïsha Devi, Kakushin Nishihara, VagusNerve
Licht: Tanida Akihiko
Videoproduktion: FL production
Mit: Beio, China Yu, House Of Drama (Ylva Falk, Igor Dewe, Aymeric Bergada Du Cadet, Amélie Poulain, Dyna Dagger), Kirikoo Des, Ndoho Ange, JoJo, Sophie Schodl, Mariho Hata, Luciano Baptiste, Katy Clay, Meike Recktenwald, Magdalena Bönisch, Mzamo Nondlwana, Yuri Yoshimura, Harald Hermann, Ivanka Hermann und Johanna Wildling
Deutschlandpremiere war am 25. Mai 2017.
Weiterer Termin: 27.05.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.theaterderwelt.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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