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nach Maxi Wanders Protokollbuch GUTEN MORGEN, DU SCHÖNE


Gefalle, du Schöne von Armina Gusner im Theater unterm Dach, Berlin | Foto (C) Jan Lehmann

Bewertung:    



„Ich spiele allen Leuten vor, dass ich eine tolle Person bin. Ich bin gütig und mitfühlend, ich glaube, so muss man sein als Frau. Ich spiele den Clown, der immer gute Laune hat. Aber ich fühle mich allen Menschen fremd.“ sagt Ruth aus Maxi Wanders 1977 erschienenem Buch Guten Morgen, du Schöne. Protokolle nach Tonband. Ein Aussage, die das Bild der Frau in der Gesellschaft noch heute bestimmt. Die Autorin hatte Berichte von 19 Frauen im Alter von 16 bis 92 Jahren von unterschiedlichster Herkunft, ob berufstätig oder Hausfrau, literarisch zu Portraits verdichtet. Ein feministisches Buch, das damals in BRD und DDR gleichermaßen Verbreitung und Anklang fand, wenn sich auch bis heute am Image der Frauen so viel nicht geändert zu haben scheint.

Das zum Anlass nehmend, hat sich die Theaterregisseurin Amina Gusner von Max Wanders Buch inspirieren lassen und das Recherche-Stück Gefalle, Du Schönegeschrieben. Dazu führte sie selbst Interviews mit Frauen aus ihrer Umgebung, deren Aussagen sie wiederum mit Texten von bekannten Autorinnen wie etwa Sylvia Plath, Sibylle Berg, Virginia Woolf, Elfriede Jelinek und Ingrid Lausund zu einer Collage über die Selbstwahrnehmung und das allgemeine Bild der Frauen von heute mischte.

Den Rahmen bildet ein Tangokurs für Frauen in einer Tanzschule, deren Lehrerin (Inga Wolff) die Teilnehmerinnen nicht nur zu körperlichen Höchstleitungen treibt, sondern auch Ausgangspunkt für Selbstreflexionen, Lebensbeichten und Familienaufstellungen wird, bei denen sich die Frauen den Fragen an sich, ihren Körpern, die Sexualität sowie den Ansprüchen ans Leben stellen. Zu Beginn stehen die Frauen (neben den beiden Schauspielerinnen Inga Wolff und Franziska Kleinert noch sieben Studentinnen des ETI Schauspielschule Berlin) in zumeist roten oder rosafarbenen Abendkleidern im Pulk, aus dem heraus erste Stimmen zum Selbstbild als Frau zu hören sind. Und da ist viel von Körpereigenschaften wie "zu dick", "wabbelig", "stämmig", "abstoßend" oder "sprich nicht perfekt" die Rede.

Dass Frauen zum größten Teil über das Aussehen, die Figur, Kleidung und den Habitus definiert werden, ist traurige Wahrheit nicht nur einer Gesellschaft im Schönheits- und Selbstoptimierungswahn, sondern auch eines immer noch traditionell patriarchal bestimmten Frauenbilds mit klar definierten Rollenzuschreibungen. Küche, Körper, Kind heißt da zumeist noch die weibliche Dreifaltigkeit. Karriere bedeutet oft genug Verzicht und setzt Frauen häufiger einem Rechtfertigungsdruck aus, dem sich nicht zu beugen es viel Kraft bedarf.

Und da machen sich die Frauen durchaus auch untereinander das Leben schwer. In kleinen Spielszenen entwickelt sich nun ein reger Schlagabtausch der Gedanken und Erfahrungen, wobei die Frauen mal lustvoll, mal tragisch aber immer auch mit viel Humor weibliche Klischees und Stereotypen durchackern. Nach den Körperwahrnehmungen beschäftigt sich das Frauenensemble mit den Erinnerungen an die Väter, deren Rolle in der Familie, schwierigen Tochter-Mütter-Beziehungen sowie der eigenen Position zu Job, Karriere, Kinderkriegen. Nichts wird ausgelassen, auch nicht ein Gespräch einer Tochter mit ihrer Mutter über die Schwester, die nach einem nächtlichen sexuellen Übergriff Tabletten nimmt. Auch hier werden traditionelle Ansichten und Schuldgefühle über Generationen in weiblicher Linie übertragen. Selbst nach dem Tod der Mutter bleibt die Verantwortung für die Haushaltsauflösung bei der Schwester, weil der Bruder keine Zeit dafür hat.

Zumeist ist es doch die Frau, die sich bereitwillig um alles kümmert und die Schuld für gescheiterte Ehen, eine schlechte Mutter zu sein oder persönliche Unzulänglichkeiten annimmt. Preise gewinnt frau damit sicher nicht. Umso erlösender ist dann die „Fuck“-Rede von Anna Stock, die in einer gespielten Dankesrede zu einer fiktiven Oscarverleihung über ihre wahren Gefühle spricht. Auch wenn sich Amina Gusner, die auch Mitgründerin des Vereins „Pro Quote Bühne“ ist, nicht direkt auf aktuelle Debatten bezieht, ist ihre Textzusammenstellung durchaus repräsentativ für das vorherrschende Bild der Frau in unserer Gesellschaft. Von nichts kommt nichts, geschenkt wird den Frauen sicher auch heute nichts. Und so schließt auch der Abend mit einer Aufmunterung zum Machen: „Doch macht euch nichts vor, geht den Krümeln hinterher, in den Kleinigkeiten, liegt die Antwort, da liegt das Große. Ihr seid Frauen, Ihr seid schön, Ihr seid...“




Gefalle, du Schöne von Armina Gusner im Theater unterm Dach, Berlin | Foto (C) Jan Lehmann

Stefan Bock - 9. Mai 2018
ID 10687
GEFALLE, DU SCHÖNE (Theater unter Dach, 05.05.2018)
Idee / Textentwicklung / Regie: Amina Gusner
Ausstattung: Inken Gusner
Mit: Franziska Kleinert Inga, Wolff und Erika Mosonyi, Pia Noll, Marie Rautenberg, Friederike Serr, Kateryna Shatsyllo, Anna Stock und Lisa Störr (Studentinnen des ETI)
Premiere war am 4. Mai 2018.
Weitere Termine: 02., 03., 21., 22.06.2018
Eine Produktion von Amina Gusner in Koproduktion mit dem Theater unterm Dach


Weitere Infos siehe auch: http://www.amina-gusner.de


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