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Tanztheater

Die Martha Graham Dance Company in Kaiser Hadrians Sommerresidenz



Bewertung:    



2011 stand das damals gerade mal fünf Jahre junge Festival Internazionale di Villa Adriana schon wieder vor dem Aus – zum großen Bedauern Aller. Dann taten sich aber die Fondazione Musica per Roma und die Regione Lazio zusammen und eröffneten am 18. Juni 2014 die 6. Ausgabe dieses Festivals. Und: Das auf zeitgenössischen Tanz ausgerichtete Programm kann sich wirklich sehen lassen.

Den gestrigen, vierten Abend gestaltete die Martha Graham Dance Company, die mit drei Klassikern und einem Stück von Nacho Duato das Publikum in den Ruinen der großen Therme der Hadrian Villa bei Tivoli begeisterte.

Diversion of Angels ist eine Choreografie von Martha Graham aus dem Jahre 1948, und es geht hier um Liebe: um romantische, jugendliche und reife Liebe. Ein fast schwereloses malerisch-pittoreskes Stück zu einer Musik von Norman Dello Joio. Drei Paare stellen verschieden Epochen im Leben einer Frau dar (das rote Paar steht für Ekstase, das weiße für reife, gewachsene Liebe und das gelbe Paar für Flirt und Teenager-Verliebtheit). Ein Bild von Wassily Kandinsky hat sie dazu inspiriert, und die rote Frau (Mariya Dashina Maddux), die knisternd über die Bühne wirbelt und ihr kurzes Stolpern so elegant meisterte, dass man es fast nicht bemerkte, tanzte wie direkt aus dem Gemälde heraus!

Kurzer Umbau für Errand into the Maze. Graham hat diesen Pas de Deux 1947 zu einer Musik von Gian Carlo Menotti entwickelt. Hier – wie auch beim ersten Stück – zeichnete Isamu Noguchi für die Originalfassung, in der Martha Graham mit Mark Ryder tanzte, verantwortlich. Ihr Interesse für griechische Mythologie hatte Graham hier wieder mal ausgelebt. Es ist die Geschichte von Theseus und dem Minotaurus. Theseus und Ariadne sind eine (weibliche) Person. Sie tanzt sich leicht, hänselnd und sich vortastend in das Labyrinth und gewinnt nach langem Hin und Her den Kampf gegen das böse Mensch-Stier-Geschöpf, das auf geniale Weise mit nur einem Stock zwischen den über dem Kopf gekreuzten Armen an Picassos Minotauren erinnert. Geniale Choreografie, und Blakeley White-McGuire sowie Ben Schultz waren fantastisch und unschlagbar.

Als letztes Stück vor der Pause präsentierte die Company eine ganz frische Choreografie von Nacho Duato, dem designierten Intendanten des Staatsballetts Berlin. Er hat es für die Graham Company entwickelt, und vor drei Monaten wurde es in New Tork uraufgeführt. Wir wären erst das dritte Publikum, das dieses Werk zu sehen bekäme, sagte uns die künstlerische Leiterin ganz zu Beginn der Vorstellung. Sie verriet auch, dass Duato für Depak Ine von Darwins Evolutionstheorie angeregt wurde. Die Musik, genauso mystheriös und gespensterhaft wie die Choreografie, ist von Arenije Jovanovic und John Talabot. Ein rituelles, primordiales Erlebnis und ein furchterregendes als wie funkensprühendes schnelles Stück, das unsere ganze Aufmerksamkeit erforderte, um nichts zu verpassen: Halbunkel. Ein wahrscheinlich totes, sehr junges Mädchen liegt dekorativ am Rand der Bühne, bekleidet nur mit einem fleischfarbenen Body. Nacheinander kommen die Mitglieder diverser Stämme oder Gemeinschaften auf die Bühne und versuchen miteinander zurecht zu kommen. Irgendwann sieht man dann, wie sich mit ihren Armen, Beinen, Rücken zu einem Knäuel fusionieren und die Totgeglaubte langsam ins Leben zurückholen. Stille. Die Musik verändert sich, Vögel singen. Das Mädchen wird von drei Männern hin und her geschoben oder geworfen, bis es böse und agressiv wird. Zum Schluss nimmt es wieder seinen Platz als Tote am Boden ein. Die erste Szene wird dann wiederholt, aber diesmal zieht sich der Guru eine Mütze über den Kopf und verschwindet in der Dunkelheit...

Beeindruckend, kraftvoll, schön und eine perfekte Vorbereitung für das Frühlingsopfer, bei dem sich ein Mädchen zu Tode tanzen soll, um den Frühling hervorzulocken. PeiJu Chien-Pott ist sagenhaft; aber auch die anderen Tänzer dieser bunten Truppe wie Tadej Brdnik, Natasha Diamond-Walker, Abdiel Jacobson, Lorenzo Pagano, Ben Schultz, Ying Xin und Blakeley White McGuire - ich konnte sie leider nicht identifizieren – waren umwerfend, wie sie sich knochenlos und kraftvoll miteinander verbanden.

Nach der Pause also dann Igor Strawinskys Skandalwerk Le Sacre du Printemps. Martha Graham hatte es 1984 aus einem Frühwerk von 1930 entwickelt, als sie sicherlich schon die Skandalaufführung aus Paris kannte. Hier hatte natürlich Pina Bausch die Latte sehr hoch gehängt mit ihrer in den 70er Jahren entstandenen und eigentlich nicht zu übertreffenden Choreografie. Diese hier, ein wenig schwerfälligere, hat zeitweise eher an die Diaghilev-Inszenierung erinnert. Der Einzug der Mädchen und der Jünglinge sind überrumpelnd, hämmernd und genial, die Auswahl des Opfers trifft bei Graham nur ein Hohepriester (Ben Schultz), und sie geht schnell vonstatten - bei Pina Bausch war das eine der wichtigsten Szenen, da man bis zum Schluss in Spannung gehalten wurde, wer wohl eigentlich das Opfer werden würde... Nach ein paar kleinen Längen und ein wenig hoffnungsloser Unsicherheit, wohin denn das Opfer nun tanzen soll, kam aber das Rituelle und das Pagane mit voller Kraft wieder zurück. PeiJu Chien-Pott, die auch schon das tote Mädchen beim Nacho Duatos Stück tanzte, hatte uns sehr beeindruckt.

Faszinierend und aufregend, eine so ganz andere Version vom Frühlingsopfer zu erleben.




Martha Graham Dance Company | Bildquelle http://www.danzaeffebi.com



Christa Blenk - 26. Juni 2014
ID 7922
MARTHA GRAHAM DANCE COMPANY (Festival Villa Adriana, 25.06.2014)

Die künstlerische Leiterin Janet Eilber hatte die Regie über die Kompanie nach Martha Grahams Tod übernommen und auch mit Vorsicht das Repertoire erneuert - ohne "Verrat" an Grahams Geist und Philosophie zu begehen. Sie trainiert die Fortgeschrittenen und hält Sommerkurse über die Graham-Technik, kurz: Die Verbindung von Körperlichkeit und Emotionalität, von Spannung und Entspannung. "Sie war ein vollkommenes Theatergeschöpf. Es war ihr völlig bewusst, welchen Einfluss und welche Auswirkungen sie auf andere hatte. Das Einzigartige an ihr war, dass sie an der Körpersprache Gefühle und Gedanken ablesen konnte. Deshalb konnte sie jeden sehr leicht manipulieren. Martha Graham begriff den Tanz als pulsierenden Rhythmus des Lebens. Den natürlichen Atemfluss nutzte sie als Energie für ihre Choreografien." (Eibars Worte)


Weitere Infos siehe auch: http://www.danzaeffebi.com/torna-festival-festival-internazionale-di-villa-adriana/


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr



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