Marathon
ringförmig
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(C) Thalia Theater Hamburg
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Bewertung:
Nachdem Rheingold/Walküre (25. Oktober 2014) und Siegfried/Götterdämmerung (17. Januar 2015) bereits einzeln Premiere hatten - gab es am vergangenen Wochenende mit NIBELUNGEN! Der ganze Ring einen „Nibelungen-Marathon“, womit das Thalia Theater, vom Format her, an den bereits mit Erfolg laufenden Faust-Marathon anknüpfte. Interessant war also nun primär, wie die Nibelungen in der Regie von Antú Romero Nunes hintereinander weg gespielt funktionierten.
Stefan Bock hatte in seiner Besprechung von Rheingold/Walküre bereits auf einige Grundprobleme der Inszenierung aufmerksam gemacht, die sich hier, in der Perspektive von knapp sechs Stunden Theater noch einmal verstärkt stellten:
Kritisch ist v.a. die erste halbe Stunde, in der, weitgehend ohne Text auskommend, die Entstehung des Menschengeschlechts erzählt wird. Dieser Teil wirkt anstrengend, und zwar deshalb, weil der Zuschauer die meiste Zeit nicht recht weiß, wer wer ist und was da jetzt genau geschieht. Das mag man bei einem Zwei-Stunden-Stück noch über sich ergehen lassen, bei der Aussicht auf weitere sechs Stunden sinkt manch einem allerdings der Mut – und so verlassen einige (obwohl nach einer halben Stunde endlich und tatsächlich mit dem Sprechen angefangen wird) schon nach der ersten Pause das Theater.
In der Tat muss man sich fragen, ob jener Exkurs in so etwas wie eine Sprachursprungsfiktion (wie sie am Anfang präsentiert wird) wirklich nottut. Sie mag motiviert sein von dem erkennbaren Bemühen Nunez', keine moderne Übertragung und auch keine „Wagner-Hebbel-Tribute“ zu schaffen, sondern die im strengen Wortsinne ur-menschlichen Eigenschaften und Leidenschaften des Menschen – Gier, Macht, Liebe, Hass – aus den mythischen Quellen heraus zu erzählen. Problematisch aber ist, dass er sich dafür zu einem Großteil bei den Adaptionen des Stoffs aus dem 19. Jahrhundert (namentlich bei Wagner und Hebbel) bedient, anstatt sich in erster Linie auf die älteren Zeugnisse zu stützen. Hier wiederum hätte er vielmehr Tiefe finden können – was vielleicht aber jenem Eventcharakter, den sein Ring (zumindest als Theatermarathon) hat, nicht entgegen gekommen wäre.
Wird einem der Ring also bei diesem Marathon langweilig? Die Antwort lautet ganz klar: nein. Denn Nunez' große Stärke ist seine Kreativität, mit der er einzelne Szenen großartig auf die Bühne bringt. Am schönsten ist wohl der Bau der Burg Walhall durch den Riesen Fafner (Thomas Niehaus), der dem Schauspieler einen verdienten Szenenapplaus einbringt. Immer wieder „eingestreut“ in den Handlungsablauf fesseln solche starken Bilder die Zuschauer, halten sie wach. Darum hat man auch nach einem siebeneinhalb Stunden dauernden Marathon nicht das Gefühl, gerade einen Transatlantikflug absolviert zu haben. Nein – es bleibt kurzweilig, Komik und Ernst wechseln sich in angenehmer Folge ab, und dass man beide Teile hintereinander sieht, hat den entscheidenden Vorteil, dass sich einem der Gesamtzusammenhang besser erschließt, die Handlung im Kopf des Zuschauers im Fluss bleibt.
Nicht zu kurz kommen sollte auch das ganze „Drumherum“ des Marathons im Thalia Theater: Mit Snacks und einem Menü-Angebot im Restaurant Weltbühne ist für angenehme Pausen gesorgt – die mittlere Pause von einer Stunde und zehn Minuten ist aber auch ausreichend, um sich selbständig in der Umgebung zu versorgen. V.a. bieten die Pausen hervorragende Gelegenheit zum Austausch (was man bei dem neueren Trend auf deutschen Bühnen, Stücke ohne Pause zu spielen, übrigens sehr vermisst). Ein Theatermarathon ist natürlich primär auch ein Event, etwas, das man mit Freunden und der Familie unternimmt und genießt. Mit Fug und Recht kann man also von diesem Theatermarathon um die NIBELUNGEN! Der ganze Ring mit Fug und Recht behaupten: Ist gelungen!
Richtig ist aber auch: Aus den Nibelungen hätte man noch mehr machen können...
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Ann-Kristin Iwersen - 4. Februar 2015 ID 8412
NIBELUNGEN! DER GANZE RING (Thalia Theater Hamburg, 31.01.2015)
Regie: Antú Romero Nunes
Ausstattung: Matthias Koch
Musik: Johannes Hofmann
Dramaturgie: Sandra Küpper
Mit: Marina Galic, Lisa Hagmeister, Peter Jordan, Daniel Lommatzsch, Thomas Niehaus, Bärbel Schwarz, Cathérine Seifert, Alexander Simon und André Szymanski
Erst-Gesamtaufführung war am 31. Januar 2015
Weitere Termine: 5. 4. / 27. 6. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.thalia-theater.de
Post an Dr. Ann-Kristin Iwersen
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