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Zum Gedenken

an Jura Soyfer



Jura Soyfer Portrait, aufgenommen im Stadtpark | © Jura Soyfer Gesellschaft


Heute vor 80 Jahren ist der in Russland geborene österreichische Schriftsteller Jura Soyfer im Alter von gerade 26 Jahren im KZ Buchenwald an Typhus gestorben.

Zum Topos der Sekundärliteratur über Jura Soyfer gehört die Behauptung, er sei ein vergessener oder zumindest verkannter Schriftsteller. In Wirklichkeit war er gleich nach 1945 in Österreich durchaus präsent, allerdings nicht in der Literaturwissenschaft, sondern bei politischen Veranstaltungen. Die folgenden Schlussverse aus seinem Stück Weltuntergang, gesprochen vom Komet Konrad, der von seinem Auftrag, die Erde, „von goldenen Saaten umreift“, „vom Schatten des Bombenflugzeugs gestreift“, „verlaust, verarmt und beglückt/ mit Reichtum ohne Maß“, zu zerstören, unverrichteter Dinge in den Kosmos zurück kehrt, gehörten zu ihrem Standardrepertoire:



"Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Gesegnet und verdammt ist diese Erde,
von Schönheit hell umflammt ist diese Erde,
Und ihre Zukunft ist herrlich und groß."



Ihr heute schwer erträgliches Pathos passte in den Zweckoptimismus der Nachkriegszeit. Das tragische Schicksal Soyfers und der sympathische Einsatz ehrenwerter Kollegen, die ihn noch persönlich gekannt hatten, wie Helmut Qualtinger oder Otto Tausig, ließen über die Schwächen von Soyfers Dichtkunst hinwegsehen. Pietät ersetzte das unbefangene Urteil.

Dann kamen die Germanisten. Horst Jarka baute seine Karriere auf der Pflege und Erforschung von Soyfers Leben und Werk auf, geringere Talente zogen nach, denen es mehr um Profilierung als um Gerechtigkeit für Jura Soyfer ging. Es darf bezweifelt werden, ob die „Entdeckung“ Soyfers durch die Germanistik einer adäquaten Rezeption zuträglich war. Soyfers tragischer Tod im Konzentrationslager kann die Literaturwissenschaft nicht von der Frage nach der ästhetischen Dignität dispensieren. Ein Vergleich des erwähnten Stücks Der Weltuntergang, das zu Soyfers bekanntesten zählt, mit den themenverwandten Stücken Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Bertolt Brecht und Hochzeit von Elias Canetti macht deutlich, dass medienbedingte Umstände – Soyfer schrieb für zeitgebundene Kleinkunstbühnen – und Besonderheiten der politischen Weltsicht die Ursache dafür sind, dass Soyfers Aktualität gering ist und seine Vereinnahmung durch die Germanistik dem Werk weniger gerecht wird als es Wiederbelebungsversuche im politischen Kontext wurden.

So wenig aktuell Jura Soyfers Dichtungen freilich sind, so aktuell ist eine Renaissance der Gesinnungsliteratur, die den Applaus der jeweiligen Adressatengruppe einheimst und der literarische Qualität egal ist. Das ist übrigens eine der Bedingungen für die Ersetzung von Dramatikern durch Regisseure. Die Geringschätzung von literarischem Anspruch ist aber verhängnisvoll, für die Erziehung des Menschengeschlechts und nicht zuletzt auch für die politische Entwicklung. Es ist richtig und notwendig, Jura Soyfers zu gedenken, wie man aller gedenken sollte, die zu Opfern von Alexander Gaulands „Vogelschiss“ geworden sind. Dafür muss man Soyfer aber nicht zu einem zweiten Brecht aufwerten. Die unbestechliche Wahrheit ist ein Wert für sich.

Thomas Rothschild – 16. Februar 2019
ID 11224
Weitere Infos siehe auch: http://www.soyfer.at


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