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nachDRUCK # 6

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Das bittere

Schweigen



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Femizide, verstanden als Tötungsdelikte von Männern an Frauen, sind eine traurige Tatsache. Und man hat den Eindruck, je mehr Männer um ihre Machtposition in der Welt ringen, desto stärker nimmt Gewalt gegen Frauen zu. Dies ruft in vielen konkreten Fällen zwar kurzfristig Empörung und Entsetzen hervor, das aber nicht zu einem grundsätzlichen Wandel führt: weder in der gesellschaftlichen Bekämpfung und Ächtung dieser Verbrechen noch in der strafrechtlichen Verfolgung. Ganz zu schweigen von fehlenden Rückzugsorten bei Gewalt innerhalb einer Beziehung, denn es mangelt allerorten beispielsweise an Frauenhäusern.

Es ist also ein aktuell wieder stark diskutiertes Thema, das Nicola Schubert in den Blick nimmt. Zugleich verknüpft sie in ihrer Produktion to #allmen das Thema Femizid mit der Hexenverfolgung des Mittelalters. Angeregt durch Ausstellungsstücke im Kölner Stadtmuseum zeichnet sie die Geschichte von Katharina Henot nach, die 1627 als Hexe angeklagt und ermordet wurde. Parallel dazu zeigt sie die Geschichte einer zeitgenössischen Katharina, die in einer Beziehung lebt, die von Angst und Gewalt geprägt ist, aber auch von Liebe und Zuneigung. Und das ist eben oft das Tückische, dass die Grenzen dessen verschwimmen, was aushaltbar ist – vor allem, wenn Kinder im Spiel sind.

Die Performance to #allmen findet statt im öffentlichen Raum, einem relativ geschützten, Innenhof-artigen Areal direkt neben Groß St. Martin, mitten in der Kölner Altstadt. Nicola Schubert spielt selbst und die Zuschauer:innen sind über Kopfhörer ganz nah dabei: in Katharina Henots Gedanken, bei der zeitgenössischen Katharina im Wohnzimmer oder mit ihr im Café. Wenige Bühnenmittel werden eingesetzt: rote Rosen zur Entschuldigung, ein Schaflager auf der Wiese mit weißer Decke, die zugleich wie eine Plastikfolie anmutet, mit der man Leichen abdeckt (Ausstattung: Clara Kulemeyer). Wenige Kostümwechsel markieren den Übergang vom Mittelalter zum Heute.

Das schafft ohne großartige bildliche Ablenkung eine intensive Auseinandersetzung im Kopf. Allerdings überlagert die zeitgenössische Geschichte die historische Perspektive der Hexenverfolgung, und das ist schade, zumal sie recht pauschal geraten ist. Schwierig ist zudem, dass die gesamtgesellschaftliche Lage fast komplett ausgeblendet wird: Was ist strafbar (und was eben nicht)? Wie viele Fälle gibt es konkret wo? Welche Männerbilder werden da bedient? Und ja, auch welche Frauenbilder?

Auch hätte der öffentliche Raum mehr Möglichkeiten geboten, etwa beim Gang über den Alter Markt, vorbei an den vielen Restaurants mit ihrer Außengastronomie und den vielen Menschen, die dort sitzen. Stattdessen ist man als Zuschauer:in bemüht, nicht den Anschluss zu verlieren. Der Schauplatz direkt neben einer der bedeutendsten romanischen Kirche Kölns kommt ebenfalls nicht wirklich zum Tragen. Nur an einer Stelle sucht Schubert die Nähe zur Außenwand, als über Kopfhörer zu hören ist, wie die vermeintliche Hexe Katharina Henot ihren Bruder Hartger, einen Geistlichen, um Hilfe bittet.

Die Performance schließt mit einem offenen Mikrofon, das auf dem Spielareal steht. Die Zuschauer:innen sind angehalten, ihre Gedanken zu Männlichkeit, Femizid und allem sonst, was relevant sein könnte, in den öffentlichen Raum zu sprechen, zu überlegen, wie ein eigenes Stück über das Ende der Gewalt aussehen könnte. Schubert und ihr Team lassen klug Zeit und Raum dafür, und die gesammelten Wortmeldungen des Publikums tragen schlussendlich zu einer Differenzierung bei, die Ausgangspunkt für weitere Diskussionen sein könnte. Und so eventuell zu einem Ende des schambehafteten Schweigens beiträgt, das das Thema Femizide und innerfamiliäre Gewalt bei aller derzeitigen Aufmerksamkeit immer noch umgibt.
Karoline Bendig - 4. September 2025
ID 15441
i>to #allmen (Studiobühne Köln, 03.09.2025)
Text, Regie und Performance: Nicola Schubert
Ausstattung und Grafikdesign: Clara Kulemeyer
Musik: Chiara Strickland
Drums:  Hanno Stick
Sounddesign:  timecode audio
Sprachaufnahmen und technische Beratung:  Felix Breuel
Sprecher:innen:  Franziska Benz, Felix Breuel, Anja Jazeschann, Thomas Kaschel, Lisa Sophie Kusz, Fiona Metscher, Robert Oschatz, Olga Prokot und Nicola Schubert
Premiere war am 3. September 2025.
Weitere Termine: 04.-06.09.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.studiobuehnekoeln.de


Post an Karoline Bendig

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