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Marcus Chiwaeze und Gareth Charles (v.l.) in Cocktails, Camp & Critical Cuteness – Die Revue meines Lebens im Theater im Bauturm | Foto © Alexander Schneider

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Lächelnd empfängt uns der Regisseur und Autor des Abends im Kölner Theater im Bauturm, Thomas Bartling. Er bedeutet uns, die Sonne seines Lebens sei untergegangen, sein Stern würde jedoch lange darüber hinaus noch leuchten. Während eines zum Publikum hin gesprochenen Nachrufes auf sein Leben lässt der Achtunddreißigjährige zu Beginn sachte alle Hüllen fallen. Bartling zählt eine ganze Reihe an beruflichen Erfolgen und persönlichen Verdiensten auf. Sogleich relativiert er den Glanz seines Lebens und behauptet, eine gewisse Florentina Holzinger habe noch heller gestrahlt. Dabei hätten ihm jedoch auch alle ihre Fähigkeiten innegewohnt. Eine gewisse Theatralik seines Lebens scheint durch. Abgelegte Kleidungsstücke sammeln sich am Boden. Bald steht er, wie Gott ihn schuf, vor uns. Schon im Eingangsbereich warnten auf einer kleinen Tafel Content Notes vor Nacktheit. Doch dann legt Bartling am Oberkörper eine flügelähnliche Rüstung an. Auch seinen Unterkörper bedeckt er mit einem ungewöhnlichen Accessoire. Der Kölner Pop-Performance-Künstler tritt augenzwinkernd ab.

Gleich darauf beleben die beiden Endzwanziger Gareth Charles und Marcus Chiwaeze mit tänzerischer Eleganz die Bühne. Während Gareth Charles beschwingt rappt und einen Schlager vorträgt, mimt Marcus Chiwaeze seinen Backgroundsänger respektive -tänzer. Schnell wird klar, dass sich hier eigentlich zwei Figuren umeinander drehen. Es folgt eine köstliche Szene, in der Charles und Chiwaeze, einander mit durchsichtigen Schwimmreifen zugewandt, Wasser speien. Unter ihnen windet sich der voll gespiene, nackte Jolinus Pape. Er verkörpert schreiend ein Neugeborenes, dem sogleich eine Windel umgelegt wird. Die Lebensrevue beginnt hier mit der Geburt eines Jungen, der laufen lernt und sich für Bälle interessiert. Schnell wird klar, dass alle Akteure Bartling verkörpern. Eine Videoprojektion von Philipp Wachowitz, in denen Pape, Charles und Chiwaeze mit drei weiteren Männern zu Cassandra von flamboi& harmonisch tanzen, deutet das Thema des Abends, queere Utopien, an.

Flamboi& ist ein Easy Listening-Projekt mit selbst arrangierten Gegenwartspop von Bartling. Während der Show covern die Akteure auch Are you with me von Easton Corbin. Wenn Charles „Gebt mir mal Beats“ ruft, atmen und keuchen Lope und Chiwaeze rhythmisch passgenau zum vorgetragenem Rap. Für die Aufführung wurden zudem Ausrufe wie „wenn Provokation und Nacktheit droht“ zu Rhythmen gesampelt, zu denen sich Charles, Chiwaeze und Pape choreographisch bewegen (Komposition: Marcel Tolle). Wenn auf der Leinwand im Bühnenrücken ein flirtwütiger Mann mit freiem Oberkörper eingeblendet wird, himmeln die drei Bartling-Darsteller ihn gleichermaßen an. Wir erfahren, dass Bartling die Liebe seines Lebens trifft, nach Gießen geht und zeitlebens glücklich liiert ist. Nur ein beruflicher Erfolg stellt sich (noch) nicht ein.

Bald unterhalten sich die drei Akteure über das Thema Camp, eine stilistisch überpointierte Art der Wahrnehmung kultureller Produkte. Es fällt der Name der amerikanischen Philosophin Susan Sontag. Sontag bringt in ihren Essays Camp mit Dandytum zusammen. Hier stehen ein ästhetisches Erlebnis und Extravaganz im Vordergrund, eine Moral erscheint nachrangig. Bald treten Pape, Chiwaeze und Charles in einer Art Herren-Tanga mit hinten offenen, pofreien Slips auf. Ungezwungen meint einer, dass ihm mal aufgefallen sei, dass in Pornos nie jemand einschlafe. Die ausgefallenen Kostüme von Crimson Vixe wechseln fortlaufend, die Figuren geben sich Tipps wie „Das bist du“ und wir sehen auch mal alle Akteure in Pink- und Violettfarben.

Ein Höhepunkt ist, wenn Chiwaeze während eines Songvortrags mit dem Publikum lustvoll flirtet, Charles respektive Pape ziehen ihn dabei liebevoll um, ohne dass sich seine Regungen in Gestik und Mimik ändern. Lässig singt Chiwaeze hypnotisch, während ihm eine andere Hose und ein anderes Hemd zugedacht wird:


„Vielleicht nicht the most special boy auf der Welt. Anders als alle und dann doch nur Sorgen um das Geld. Talent und fame und die dafür fehlenden Beweise. Maybe it’s just an ordinary midnight crisis.“


Inmitten der bunten Männerphantasien und Männchenheit darf ein gut aufeinander abgestimmter Showkampf mit Wrestling-Akzenten der drei Bartling-Akteure nicht fehlen. Köstlich selbstironisch ist es, wenn die drei in einem projizierten Kurzvideo überzogen dem Menschen huldigen und beweihräuchern, den sie während der Performance verkörpern:


„Wenn ich das sage, bekomme ich direkt wieder Gänsehaut am ganzen Körper. Aura, Anziehungskraft, einfach ein Mann von Welt, er ist wirklich ein Ausnahmetalent, ein Genie, was Thomas Bartlings Werk so außergewöhnlich macht, ist seine kompromisslose Authentizität.“


Bartling betritt gegen Ende wieder die Bühne, und seine drei jüngeren und schlankeren Spiegelbilder mixen für ihn Cocktails. Bereichert wird die Performance hier durch einen selbst kreierten "Too much"-Cocktail für das Publikum und die vier Darsteller. Eine gemeinsame Tanzperformance zu Flamboi&s Song Follow the call of the disco ball in Boxershorts und darüber durchscheinenden Überziehern rundet das Bühnengeschehen ab. Rufe nach einer Zugabe werden laut. Eine wenigstens in Teilen bewusst geschmacklose Show mit gehörigem Suchtpotenzial.



Cocktails, Camp & Critical Cuteness – Die Revue meines Lebens im Theater im Bauturm | Foto © Alexander Schneider

Ansgar Skoda - 22. September 2025
ID 15473
COCKTAILS, CAMP & CIRITCAL CUTENESS (Theater im Bauturm, 19.09.2025)
Regie und Konzept: Thomas Bartling
Komposition: Marcel Tolle
Videokunst: Philipp Wachowitz
Kostüm: Crimson Vixe
Mit: Gareth Charles, Marcus Chiwaeze, Jolinus Pape und Thomas Bartling
Premiere war am 13. September 2025.
Weitere Termine: 23.10./ 05.12.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.theaterimbauturm.de


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