Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Performance

Ubu and the Truth Commission

Handspring Puppet Company mit William Kentridge und Jane Taylor


Bewertung:    



Schon seit 1975 beschäftigt sich der südafrikanische Multimedia-Künstler William Kentridge mit dem absurden Theaterstück König Ubu von Alfred Jarry. Zuerst als Schauspieler und ab Mitte der 1990er Jahre mit Radierungen und der Animationsfilm-Serie Ubu and the Procession. „Aus südafrikanischer Sicht ist Ubu eine besonders starke Metapher für den Irrsinn der Apartheidpolitik, die vom Staat als vernünftiges System hingestellt wird.“ schreibt Carolyn Christov-Bakargie, Verfasserin von Künstlermonografien über Kentridge und Kuratorin der dOCUMENTA 13.

Im Zuge der 1996 vom ANC und Präsident Nelson Mandela eingerichteten Wahrheits- und Versöhnungskommission (engl. Truth and Reconciliation Commission), einer südafrikanischen Einrichtung zur Untersuchung von politisch motivierten Verbrechen während der Zeit der Apartheid, entstand der Animationsfilm Ubu Tells the Truth. Gemeinsam mit der südafrikanischen Handspring Puppet Company inszenierte Kentridge 1997 das mittlerweile vielgereiste Theaterstück Ubu und the Truth Commission, das nun im Rahmen des Kentridige-Fokus der FOREIGN AFFAIRS auf der Seitenbühne des Hauses der Berliner Festspiele in Originalbesetzung gezeigt wurde.

*

Kentridge inszeniert eine Mischung aus Elementen von Graphic Novel, Dokumentar-, Puppen- und satirischem Volkstheater mit Gesang. Während im Hintergrund seine Kohle-Bilder rassistischer Gewalt mit Folter und Mord laufen, in die der Künstler immer wieder die von Jarry selbst geschaffene Zeichnung der monströsen Figur Père Ubu einfügt, spielen vor der Leinwand Dawid Minnaar und Busi Zokufa die südafrikanische Variante des Paars Papa und Mama Ubu. Der korrupte und sadistische General aus Jarrys Stück ist hier ein feige berechnender Täter, der sich mit einer Horde von Bluthunden umgibt. Die Beweise seiner nächtlichen Mordausflüge gibt er einem Krokodil mit Taschenmagen zu fressen, in dem auch jede Menge Knochen verschwinden. Die Spieler der Handspring Puppet Company führen diese Tiergestalten und leihen ihnen Stimme und Bewegung.

Ziel der südafrikanischen Wahrheitskommission war es, Opfer und Täter politisch motivierter, rassistischer Gewalt zu versöhnen, indem es den Opfern eine Stimme gab und den reuigen Tätern als Belohnung Straffreiheit zusagte, was auch oft als Vereitelung von Gerechtigkeit kritisiert wurde. Vor allem im Fall des besonders brutalen Polizeioberst Eugene Alexander de Kock, der durchaus Pate für die Ubu-Figur des Stücks gestanden haben könnte. Der Stück-Ubu windet sich schließlich mit geheuchelter Reue heraus und schiebt alle Schuld auf seine Hundemeute. Wie de Kock werden die willigen Helfer zu lebenslänglich plus 212 Jahre verurteilt werden, während der scheinbar geläuterte Captain Ubu die Segel setzt und zu neuen Ufern in die Saragossasee aufbricht.

Kentridges Film wie das Theaterstück sind vor allem eine in zwei Ebenen angelegte Erinnerungsarbeit über Gewalt, Verrat, Heuchelei und Vertuschung der Verbrechen des früheren Apartheitstaats. Mit Puppen gespielte und in Xhosa gesprochene Berichte von schwarzen Südafrikanern über ihr Martyrium werden simultan von Schauspielern in einem Glaskasten, in dem sich zuvor Captain Ubu das Blut der Nacht abgeduscht hat, ins Englische übersetzt. Die nüchtern dokumentarisch wirkenden Aussagen der Opfer setzen die satirisch überhöhten Spielszenen mit dem windigen Heuchlers Ubu ins rechte Licht und reflektieren die Absurdität eines gescheiterten Versöhnungsmythos.




Ubu and the Truth Commission | Foto (C) Luke Younge

Stefan Bock - 16. Juli 2016 (2)
ID 9436
UBU AND THE TRUTH COMISSION (Seitenbühne vom Haus der Berliner Festspiele, 14.07.2016)
Regie: William Kentridge
Co-Regie: Janni Younge
Text: Jane Taylor
Puppendesign: Adrian Kohler
Animation: William Kentridge
Bühnenbild: Adrian Kohler und William Kentridge
Kostümbild: Adrian Kohler
Kostümmacher: Phyllis Midlane, Sue Steele
Lichtdesign: Wesley France
Sounddesign: Wilbert Schubel
Musik: Warrick Sony und Brendan Jury
Choreografie: Robyn Orlinä
Animationsschnitt: Catherine Meyburgh
TRC-Recherche: Antjie Krog
Film- und Videorecherche: Gail Berhmann
Technische Leitung: Wesley France
Inspizienz: Bruce Koch
Sound: Simon Mahoney
Mit: Dawid Minnaar und Busi Zokufa (Schauspiel) sowie Gabriel Marchand, Mandiseli Maseti und Mongi Mthombeni (Puppenspiel)


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-festspiele.de


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)