The Last Supper
von Ahmed El Attar
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Bewertung:
FIND 16, das Festival Internationale Neue Dramatik an der Berliner Schaubühne, setzt zu Beginn einen kleinen Schwerpunkt mit Kurzdramen arabischer Autoren. Eröffnet wurde das Festival am vergangenen Donnerstag mit dem ägyptischen Stück The Last Supper von Ahmed El Attar, der auch selbst die Regie führte. El Attar ist Theaterregisseur, Autor und Übersetzer und sehr gut vernetzt in der Kairoer Theaterszene. So ist er u.a. auch künstlerischer Leiter der Temple Independent Theatre Company und des Falaki Theaters. Außerdem leitet er das von ihm mitbegründete Theaterzentrum Emad Eddin, das Proben- und Trainingsräume sowie Residenzen an Performer in Kairo zur Verfügung stellt.
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In seinem Stück The Last Supper stellt der Autor eine reiche Kairoer Großfamilie in den Mittelpunkt der Handlung. Im Hause des Familienpatriarchen, einem einflussreichen Industriellen, treffen sich die Kinder mit den Ehepartnern und Enkeln zu einem geselligen Abendessen. El Attar beleuchtet einige Jahre nach dem Arabischen Frühling und der Revolution auf dem Tahrir-Platz die Sicht der oberen Zehntausend auf den gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Wandel in Ägypten.
Es ist eine recht bittere Bestandsaufnahme. In Form einer galligen Farce mit komischen und entlarvenden Elementen stellt El Attar die überkommenen Denk- und Verhaltensweisen der etablierten wirtschaftlichen Eliten in den Kontext von Tradition und Moderne. So teilt sich die Familie in einen traditionell religiösen Teil, der mit dem Vater und Schwiegersohn Mido zwar die Riten des Islam befolgt, aber auch für den eigenen Reichtum betet und alles aus der Sicht, ob es Profit verspricht, beurteilt. Dagegen pflegt Sohn Hassan ein freies Künstlerleben mit westlicher Musik und dem Traum vom Harley-Fahren. Allerdings gibt er nur vordergründig den "Blowin‘ in The Wind" spielenden Bob Dylan, während er ansonsten gelangweilt das Personal drangsaliert und demütigt.
Auch Tochter Mayoush und Schwiegertochter Fifi haben zwei Seiten. Trägt Mayoush auch westliche Mode und schwärmt vom Paris, so hat sie doch bei ihrem Ehemann Mido nicht viel zu melden, während Ehefrau und Mutter Fifi zwar Kopftuch trägt, aber sich bestens mit Smartphone, Apps und Instagram auskennt. Was den Familienmitgliedern allen gemeinsam ist: sie schauen auf die in ihren Augen Minderbemittelten - wie das Kindermädchen von Fifi oder die Bediensteten des Vaters - herab. Auch Äthiopier oder Thailänder, die im Land arbeiten, werden rassistisch beurteilt.
Zur Familienfeier gesellt sich noch der General, ein Freund des Vaters, der die alte politische Herrschaft repräsentiert. Er verschafft sich Respekt durch seinen über Jahre erreichten Einfluss und weiß kleine Gefälligkeiten durch Beziehungen zu erweisen. Befragt nach dem Wandel im Land, ist für ihn alles nur eine Frage der Zeit, bis wieder Ruhe und Ordnung einziehen.
Die Gespräche sind zum großen Teil sehr oberflächlich und drehen sich um die besten Geschäfts- und Einkaufsmöglichkeiten im Ausland, Unterhaltungselektronik oder Fitness. Die Männer dominieren in ihrer angestammten Position und sehen die sexistischen, gewalttätigen Ausfälle von Hassan eher als Kavaliersdelikt oder setzen verbal noch eine drauf. Hier fehlt es ein wenig an einem entsprechenden Gegenpart. Die Oberschicht gärt in ihrem eigenen Fett.
Immer wieder lässt El Attar das Szenenbild an der Tafel, die auch dem titelgebenden Gemälde von Leonardo da Vinci nachempfunden ist, minutenlang zu einem orientalisch klingenden Elektrosound einfrieren sowie einen Rinderkopf und Geflügel auftragen. Alle Figuren sind eher bigott und konsumorientiert. An einem demokratischen Wandel scheint das ägyptische Großbürgertum nicht wirklich - und wenn, dann nur aus Eigennutz - interessiert. Ein gut skizziertes, aber auch bedrückendes Gesellschaftsportrait, das wenig Hoffnung für einen echten Wandel in der arabischen Welt lässt.
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The Last Supper bei FIND 16 in der Schaubühne am Lehniner Platz | Foto (C) Mostafa Abdel Aty
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Stefan Bock - 9. April 2016 ID 9244
THE LAST SUPPER (Schaubühne am Lehniner Platz, 07.04.2016)
Konzept und Regie: Ahmed El Attar (Ägypten)
Bühne und Kostüme: Hussein Baydoun
Licht: Charlie Aström
Musik: Hassan Khan
Sound: Hussein Sami
Mit: Boutros Boutros-Ghali, Mahmoud El Haddad, Ahmed Farag, Mona Farag, Mohamed Hatem, Ramsi Lehner, Nanda Mohammad, Sayed Ragab, Abdel Rahman Nasser, Mona Soliman und Marwa Tharwat
Berliner Premiere war am 7. April 2016
Weiterer Termin: 9. 4. 2016
Eine Produktion der The Temple Independent Theatre Company in Kooperation mit Tamasi Collective Gastspiel im Rahmen von FIND 16
Weitere Infos siehe auch: http://www.schaubuehne.de
Post an Stefan Bock
blog.theater-nachtgedanken.de
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