Nach fast 40 Jahren...
...LES CONTES D´HOFFMANN wieder an der Staatsoper Unter den Linden
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Bewertung:
Einer der fundiertesten Offenbach-Kenner in der damaligen DDR war Horst Bonnet (der 1973 bei der aufwändigen DEFA-Verfilmung von Orpheus in der Unterwelt Regie führte); er inszenierte vor fast 40 Jahren die bis dahin letzten Hoffmanns Erzählungen an der Deutschen Staatsoper Berlin - seither gab es sie nicht mehr Unter den Linden, bis gestern nicht.
Die beiden Schwesternhäuser der Berliner Opernstiftung hatten Les Contes d'Hoffmann freilich immer wieder mal in ihrem Repertoire; zuletzt waren das die Inszenierungen von Thilo Reinhardt und Barrie Kosky (KOB 2007 und 2015) sowie von Laurent Pelly (DOB 2018).
Jetzt also endlich wieder eine Neuproduktion im allerersten Haus am Platz!
Die US-Amerikanerin Lydia Steier (2021 hier mit Puccinis Mädchen aus dem Goldenen Westen auffällig geworden) inszenierte, und der französisch-schweizerische Dirigent Bertrand de Billy übernahm die musikalische Leitung:
"Das Publikum taucht ein in eine Welt voller merkwürdiger Gestalten und Situationen, von phantastischer Art und mit so manchen dämonischen Momenten und facettenreicher, vitaler Musik. Der Titelheld, dem vielschichtigen romantischen Dichter E.T.A. Hoffmann nachgebildet und sich inmitten seiner Erzählungen wiederfindend, ist von der Kunst wie von der Liebe gleichermaßen fasziniert, fühlt sich von Frauengestalten angezogen und von Gegenspielern hintergangen." (Quelle: staatsoper-berlin.de)
Aber von wegen "von der Kunst und von der Liebe gleichermaßen fasziniert" [s.o.] - hinsichtlich der Steier'schen Sicht der Dinge sollte es besser "gleichermaßen angewidert" geheißen haben, denn der Steier'sche Titelheld laboriert in der Steier'schen Rahmenhandlung als physisch völlig abgefuckter und seelisch total ausgebrannter Kunst-und-Leben-Versager; und logischerweise bringt er schließlich auch (am Ende des Giuletta-Akts) die erschreckend dominante Superkurtisane (gespielt und gesungen von der phänomenalen Sonja Herranen) um und drückt mit dieser abschreckenden Killertat seinen ganzen Ekel gegenüber allem, was da jemals war, v.a. aber gegen sich selber, aus. Gescheiterter kann man einen Hoffmann wohl nicht darstellen lassen.
Pene Pati - ich habe ihn als hochvorzüglichen Mitridate (Staatsoper Unter den Linden, 2022) noch sehr gut in der Erinnerung - meistert seine Horrorpartie grandios; was bei ihm ganz besonders auffällt, sind seine extremen Höhen, zu denen er sich stimmlich aufschwingt.
Und apropos Höhen: Von solchen ist die populäre Olympia-Arie aus dem ersten Akt geradezu gespickt - die junge Katalanin Serena Sáenz brilliert in diesem Paradestück auf das Verblüffendste; solche Spitzentöne hatte ich bisher nur selten oder gar noch nie von irgendeiner Kollegin von ihr gehört. Genial!
Auch Julia Kleiter, die die dritte große Frauenrolle in dieser Hoffmann-Oper spielt, glänzt ohne Furcht und Tadel; und die von ihr verkörperte Antonia singt dann wohl so derart furcht- und tadellos, dass es ihr schlicht das Leben kostet (um beim Stück zu bleiben).
Roberto Tagliavini gibt das teufelsgleiche Vierergespann aus Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle und Dapertutto (dessen sog. Spiegelarie ihm besonders gut gelingt) - gleich zu Beginn muss er seinen steifen Gummischwanz (Kostüme: Ursula Kudrna) zur Schau stellen, und ein ebenfalls steifschwanztragendes Teufelchen-Ballett staffiert ihn immer wieder mal, wenn's passt.
Der den Hoffmann tagein-tagaus behelligenden Muse Niklaus (gesungen und gespielt von Ema Nikolovska) wurde szenisch aufgetragen, dass sie wie eine engelsflügeltragende Putte aussieht; und das sieht dann schon total bescheuert aus - aber die Nikolovska singt zum Ausgleich ziemlich gut.
Nicht zu vergessen der ehemalige Staatsopern-Superstar Brigitte Eisenfeld (ihr Sopran prägte die Ostberliner Zeit der Lindenoper zwischen den 1970ern und 1990ern jahre-/ jahzehntelang)! Sie bekam die stumme Rolle einer "alten Dame", die den Hoffmann höchstwahrscheinlich lange, lange gekannt haben müsste, zugeteilt; und zum Finale mit Chor stimmt sie tatsächlich nochmal allerkräftigst mit ein, vermutete ich beim Anblick ihrer Lippenbewegungen.
Die Inszenierung (Bühne von Momme Hinrichs) spielt in einem luxuriösen Kaufhaus zur Vorweihnachtszeit, in einer Geigenmanufaktur und in einem dreistöckigen Puff; mehr gibt es nicht zu sagen.
Das Allerbeste, allein vom Klang her, ist mal wieder die Staatskapelle Berlin, und auch der Staatsopernchor hörte sich hochpassabelst an.
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Les Contes d´Hoffmann von Jacques Offenbach - an der Staatsoper Unter den Linden Foto (C) Bernd Uhlig
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Ich konnte und ich kann mit dieser Oper reinweg nichts anfangen; es liegt allein an mir. Daher:
Langeweile pur.
War froh, als es vorbei war.
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Andre Sokolowski - 17. November 2025 ID 15562
LES CONTES D'HOFFMANN (Staatsoper Unter den Linden, 16.11.2025)
Musikalische Leitung: Bertrand de Billy
Inszenierung: Lydia Steier
Spielleitung: Katharina Lang und Leander Teßmer
Bühne und Video: Momme Hinrichs
Kostüme: Ursula Kudrna
Licht: Olaf Freese
Choreographie: Tabatha McFadyen
Choreinstudierung: Dani Juris
Dramaturgie: Maurice Lenhard und Christoph Lang
Besetzung:
Hoffmann ... Pene Pati
Olympia ... Serena Sáenz
Antonia ... Julia Kleiter
Giulietta ... Sonja Herranen
Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle, Dapertutto ... Roberto Tagliavini
La Muse, Nicklausse ... Ema Nikolovska
Andrès, Cochenille, Frantz, Pitichinaccio ... Ya-Chung Huang
Luther ... Manuel Winckhler
Hermann ... David Oštrek
Nathanaël ... Álvaro Diana
Spalanzani ... Florian Hoffmann
Crespel ... Stefan Cerny
Stimme aus dem Grab ... Natalia Skrycka
Schlémil ... Jaka Mihelač
Die alte Dame ... Brigitte Eisenfeld
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 16. November 2025.
Weitere Termine: 19., 21., 26., 28.11./ 04.12.2025// 05., 08., 12., 20., 22.03.2026
Koproduktion mit dem MusikTheater an der Wien und dem Teatr Wielki Warschau
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de
https://www.andre-sokolowski.de
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