Endstation
Sehnsucht - eine
Generation auf
der Suche
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John Ragner und Alexander Schmidt in Ganze Tage, ganze Nächte an der Bayerischen Theaterakademie August Everding | Foto (C) Cordula Treml
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Bewertung:
Neun junge Menschen treffen sich auf einem Bahnsteig. Sie verlieben sich, entlieben sich, reden, reden aneinander vorbei, suchen nach dem anderen, aber vor allem nach sich selbst.
Xavier Durringer, war einer der berühmtesten zeitgenössischen Dramatiker Frankreichs. Sein Stück hat er Mitte der 90er Jahre in den Banlieues der französischen Großstädte spielen lassen. Die Umgebung, die aktuellen Bezüge wurden in der Neuausgabe am Akademietheater angepasst, aber der Grundtenor ist wohl der gleiche geblieben: Die Sehnsucht nach echten Gefühlen, nach ihrer Erwiderung und die Suche nach einem Platz in der Welt.
Studierende des Studiengangs Schauspiel an der BAYERISCHEN THEATERAKADEMIE AUGUST EVERDING [alle Namen s.u.] - in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater München - bringen das Stück auf die Bühne. Eigentlich weniger ein klassisches Theaterstück als vielmehr Fragmente, Textfetzen, Minidialoge. Und trotzdem zieht sich ein roter Faden durch das Spiel, man sieht gebannt zu.
Großes Glück für die Studierenden, dass sie von hochkarätigen Profis unterstützt werden. Ihr Regisseur ist Jochen Schölch, nicht nur Leiter des Studiengangs Schauspiel an der Akademie, sondern auch noch Intendant des Metropoltheaters in München. Ein Theater, das immer wieder gezeigt hat, wie man mit geringen Mitteln Großartiges herausholen kann.
Die kurzen Szenen werden nicht durch ständige Auf- und Abgänge unterbrochen. Wer nicht dran ist, bleibt im Dunkeln wie eingefroren stehen. Den Figuren hört man beim Denken zu, die Stimme kommt dann aus dem Off.
Die Bahnsteig-Bühne genial simpel (Bühne und Kostüme: Hannes Neumaier). Die Schauspieler kommen über eine Rolltreppe, steigen aus einer Bodenklappe, winden sich aus einem Snackautomaten. Einmal fährt ein Mikrophon hoch, und eine Schauspielerin stimmt ein Lied an. Und obwohl ja brisante Themen verhandelt werden, gibt es auch Humor und Ironie. Für Heiterkeit beim Publikum sorgen die wechselnden Informationen auf der Anzeigentafel: “Alle nachfolgenden Züge verspäten sich um 20 Minuten, 60 Minuten, 120 Minuten, 840 Minuten…“
In den kurzen Dialogen geht es um Selbstoptimierung und Enttäuschung, um Stigmatisierung, um Fluchtgedanken und natürlich um die Liebe. Auch wenn sich die Frauen in Selbstzweifeln manchmal winden, dieses Thema scheinen sie besser zu checken.
Die persönlichen Überforderungen lassen das Außen gar nicht herankommen. „Klimawandel, Menschenhandel, Krieg, Krisen, Asyl, Waldbrände, Walsterben und Waldsterben… ist mir egal, ist mir egal!“ schreien sie heraus.
Das Ohnmachtsgefühl vieler junger Menschen zeigt sich in zahlreichen aktuellen Studien. Aber lassen wir das.
Die neun Studierenden haben eine souveräne Leistung gezeigt. „Aus denen wird was“, wäre viel zu gönnerhaft. Die sind schon wer - auf einem erfolgreichen Weg. Einzelne möchte man gar nicht herausheben, alle gut, aber Hannes Tillian sollten sich die Kammerspiele doch mal ansehen.
Insgesamt eine überzeugende Leistung von einem tollen, jungen Ensemble.
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Ganze Tage, ganze Nächte an der Bayerischen Theaterakademie August Everding | Foto (C) Cordula Treml
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Isabella Schmid - 21. November 2025 ID 15568
GANZE TAGE, GANZE NÄCHTE (Akademietheater, 20.11.2025)
von Xavier Durringer
Inszenierung: Jochen Schölch
Bühne und Kostüme: Hannes Neumaier
Dramaturgie: Nida Bulgun und Celine Lacherdinger
Licht: Benjamin Schmidt
Mit: Florian Lange, Frieda Lüttringhaus, Hannah Moreth, Finn-Morten Tristan Schuy, Ilias Ouadi, John Ragner, Alexander Schmidt, Hannes Tillian und Daria Welsch
Premiere war am 20. November 2025.
Weitere Termine: 22.-25., 28., 29.11.2025
Eine Produktion des 3. Jahrgangs Schauspiel an der Bayerischen Theaterakademie August Everding
Weitere Infos siehe auch: https://theaterakademie.de
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