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Premierenkritik

Platt gehauen



Die Räuber am DT Berlin | Foto (C) Eike Walkenhorst

Bewertung:    



Sieht man als langjähriger Theatergänger ein Reclam-Heft in einer Klassikerinszenierung, ist einem eigentlich fast schon klar, was kommt. In Claudia Bossards Inszenierung von Schillers Sturm-und-Drang-Drama Die Räuber am Deutschen Theater kommt es allerdings mit Macht und ordentlich Wumms. Das vierköpfige Ensemble stürmt zu Beginn des Abends in gelben Schaumstoff-Reclam-Heft-Kostümen die Bühne, schlägt mit Hammer und Baseballschlägern Schiller platt und wirft ganze Stapel bedruckten Altpapiers in die Luft. Sich Luft machen oder Luft produzieren ist hier aber leider eins. Die Luft ist nach diesem furiosen Auftakt auch recht schnell raus. Das auf das verfeindete Brüderpaar Franz (Andri Schenardi) und Karl Moor (Janek Maudrich), die von beiden begehrte Amalia (Mathilda Switatla) sowie Karls Räuberkumpan Spiegelberg (Moritz Kienemann) geschrumpfte Räuberteam sitzt nun an der Rampe und macht zunächst kurz einen auf „Lesedrama“.

Dann dürfen die einzelnen Figuren noch ein paar Monologe aus dem Schillertext vortragen. Das beginnt mit Franz, der „Kanaille“, der sich bei Andri Schenardi gleich selbst mit Richard III. vergleichen darf. Seine den Bruder diffamierenden Briefe schreibt er auf dem Flipchart. Karl ist bei Janek Maudrich aber auch kein edler Freiheitsheld, sondern greift sich nicht nur in den Schritt, sondern auch schnell zum Mikrofon und tönt vom „tintenklecksenden Säkulum“ und verflucht „das schlappe Kastraten-Jahrhundert“. Hier geht es aber eher um pennälerhafte Schwanzvergleiche als um Intrigen und Rebellion. Man wüsste auch nicht, wogegen sie sich hier richten sollte.

Kienemanns Spiegelberg wirft Skateboard fahrend hin und wieder ein: „Žižek lesen!“Ansonsten ist er hier für den freiheitlichen und deutsch-nationalen Part in Schillers Gesellschaftskritik zuständig. „Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus.“ Also Genie und Wahnsinn. Das geht bei ihm dann von Hermanns Nationalgefühl bis zu „Palästina wegbomben“. Auch vom Stecken im deutschen Schuldturm ist einmal die Rede und was sonst noch so von links bis ganz rechts an Fremdzitaten durch die Inszenierung geistert.

Schillers vermeintlichem Antisemitismus begegnet die Regisseurin, indem sie Karl den Bericht Spiegelbergs über die Vergewaltigung der Nonnen im gebrandschatzten Klosters sprechen lässt. Bossard lässt dann auf der sonst recht leeren Bühne von Elisabeth Weiß einen historischen Reigen von Soldaten in schwarz defilieren. Schillers Räuber-Familie als Keimzelle für Krieg und Extremismus. Das kennen wir schon aus ihrer Uraufführungsinszenierung von Rainald Goetz‘ Stück Baracke. Eine kulturgeschichtliche Entwicklung, die sich hier im Zitatestrom vollzieht. Selbst Roberto Bolaños Roman 2666 ist da vertreten. „Das Trugbild ist eine Besatzungsmacht der Wirklichkeit.“ Eine Fleißarbeit der Dramaturgie, die sich auf der Bühne nicht wirklich bezahlt macht.

„Young, wild, free and german.“ Lauter laute Thesenträger ohne wirkliche Anbindung. Die größte Transformation macht dabei die Rolle der jungfräulichen Amalia durch? „I fucked many of men“, wirft sie dem um sie werbenden Franz entgegen. Als Santa-Stabilo-Stift darf sie dann noch ein paar Reclam-Hefte ins Publikum werfen. Da senkt sich drohend Schillers Glocke vom Bühnenhimmel herab. Nach geschlagenen zwei Stunden Klamauk hat Mathilda Switala mit „Es war ein schreckliches Jahr.“ das letzte Wort. Das dürfte allgemein für die Welt aber auch ganz speziell für das DT zutreffen.




Die Räuber am DT Berlin | Foto (C) Eike Walkenhorst

Stefan Bock - 23. Dezember 2025
ID 15624
DIE RÄUBER (Deutsches Theater Berlin, 20.12.2025)
Regie: Claudia Bossard
Bühne: Elisabeth Weiß
Kostüme: Andy Besuch
Musik: Annalena Fröhlich
Licht Cornelia Gloth
Dramaturgie: Daniel Richter
Mit: Mathilda Switala, Andri Schenardi, Janek Maudrich und Moritz Kienemann
Premiere war am 20. Dezember 2025.
Weitere Termine: 26., 29.12.2025// 07., 08., 12., 18.01.2026


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de


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