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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Ein Lustspiel als

Enthüllungsdrama

DER ZERBROCHENE KRUG von Kleist - im Cuvilliéstheater München

Bewertung:    



Am Ende wird die jugendliche Heldin, die gedemütigt und verstoßen wurde, vom Liebhaber wieder gnädig aufgenommen. So war es bisher jedenfalls beim Zerbrochenen Krug. Hier nicht. Der Schluss ist neugestaltet, sonst bleibt alles beim Alten.

Richter Adam, der versucht hat die junge Eve zu nötigen. Beim Eindringen in ihre Kammer wird er von Eves Verlobten Rupprecht in die Flucht geschlagen. Dieser erkennt den Dorfrichter nicht, aber ein Krug geht dabei entzwei, und Eves Mutter Marthe bringt diese Untat zur Anzeige. Noch dazu kommt Gerichtsrat Walter, der die Gepflogenheiten der Rechtsprechung in der Provinz unter die Lupe nehmen möchte. Wie sich Dorfrichter Adam windet, trickst und täuscht, um zu verschleiern, dass er der Übeltäter war, darüber haben schon Generationen von Theaterbesuchern geschmunzelt, auch die Aufführung im Cuvilliéstheater ist vergnüglich anzusehen.

Oliver Stokowski als Adam zieht alle Register, um ein schnelles Urteil in seinem Sinne zu fällen, und Steven Scharf als Gerichtsrat Walter, mit langer Lockenpracht und engen Hosen, bewegt sich affektiert tänzelnd durch die Szenerie und gibt der Handlung immer wieder einen neuen Dreh.

Eine raffinierte Drehbühne von Christian Schmidt, auf der sich die Handelnden ebenso winden wie der Dorfrichter in seinen Aussagen. Die Kostüme in braun und grau erwecken den Eindruck eines alten Fotos.

Aber macht es die Handlung wirklich lustiger, wenn einer vom Stuhl fällt oder der Geruch des Limburger Käses, den der Dorfrichter seinem hohen Besuch auftischt, sich bis in die hinteren Reihen ausbreitet?

Die Inszenierung von Mateja Koležnik hätte schon vor dem Schluss noch aktuellere Bezüge gebraucht. Vor allem, wenn man bedenkt, wie hochpolitisch es bei seiner Entstehung war. Der Verfasser Heinrich von Kleist war selbst Jurist und hatte die zeitgenössische Rechtsprechung stark kritisiert.

Johann Wolfgang von Goethe hatte das Stück höchstselbst im Jahre 1808 am Hoftheater Weimar zur Uraufführung gebracht. Als ob er es geahnt hätte, ist Kleist der Premiere ferngeblieben. Denn der ansässige Adel bezeichnete das Stück als „moralischen Aussatz“. Die Menschen ließen sich nicht gerne darauf hinweisen, wie Mächtige ihre Macht missbrauchen, um sexuelle Nötigung zu verschleiern. Denn darum geht es ja.

Dorfrichter Adam hat Eve versprochen, ihren Verlobten Ruprecht vor dem Militärdienst und der damit angeblich einhergehenden Verschickung in verseuchte Kolonien zu bewahren. Er will ihr für Ruprecht ein Attest geben und verlangt dafür Sex mit ihr.

Wie ältere Männer mit Macht junge Frauen bedrängen, ausnutzen und missbrauchen, ist so aktuell wie eh und je. Dafür gibt es zahllose Beispiele.

Daher ist der neue Schluss so stimmig. Während ihre Mutter sie lieber tot als geschändet sähe und ihr Verlobter, ohne ihr Opfer zu würdigen, sie verstößt, ist Eve zum ersten Mal gefasst. Ihre Selbstermächtigung ist eine notwendige Folge.



Kleists Der zerbrochene Krug im Cuvilliestheater München | Foto (C) Sandra Then

Isabella Schmid - 1. Dezember 2025
ID 15584
DER ZERBROCHENE KRUG (Cuvilliéstheater, 28.11.2025)
Inszenierung: Mateja Koležnik
Bühne: Christian Schmidt
Kostüme: Ana Savić Gecan
Licht: Verena Mayr
Dramaturgie: Constanze Kargl
Besetzung:
Walter, Gerichtsrat ... Steven Scharf
Adam, Dorfrichter ... Oliver Stokowski
Licht, Schreiber ... Moritz Treuenfels
Frau Marthe Rull ... Katja Jung
Eve, ihre Tochter ... Lea Ruckpaul
Ruprecht Tümpel ... Pujan Sadri
Frau Brigitte ... Hanna Scheibe
u.a.
Premiere am Residenztheater München (im Cuvilliéstheater): 28. November 2025
Weitere Termine: 11., 12.12.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.residenztheater.de


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